Gut zu wissen
- Die neue TierSchNutztV sollte Sauenhaltern nach dem Magdeburger Urteil eigentlich wieder Rechtssicherheit geben.
- Der Agrarausschuss des Bundesrats bedauert, dass das BMEL die neue Verordnung nicht zum generellen Umbau der Nutztierhaltung nutzt.
- Die für den 14. Februar 2020 anberaumte Debatte zur neuen TierSchNutztV wurde ohne neuen Termin vertagt.
Die Siebte Verordnung zur Änderung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung (TierSchNutztV) soll Schweinehaltern nach dem Magdeburger Gerichtsurteil die lang ersehnte und dringend notwendige Rechtssicherheit bringen. Am 14. Februar 2020 wollte der Bundesrat deshalb über die neue Verordnung debattieren, doch der betreffende Tagesordnungspunkt wurde ohne Begründung vor Sitzungsbeginn abgesetzt.
Die Nachricht davon verbreitete sich binnen Minuten über soziale Netzwerke — und ließ insbesondere Sauenhalter trotz weiterhin ungewisser Rechtslage aufatmen. Denn nach ihrer Ansicht hätten viele Punkte im Papier, welches der Agrarausschuss des Bundesrates unter dem Vorsitz von Minister Dr. Wissing (FDP, Rheinland-Pfalz) ausarbeitete, dem Tierschutz nicht gedient — sie als Tierhalter jedoch unter anderem durch kurze Übergangszeiten finanziell ruiniert.
Ein kurzer Rückblick
Die Mehrheit der Sauenhalter hat aufgrund der Vorgaben zur Gruppenhaltung zum 01.01.2003 ihre Sauenställe umgebaut — teils mit staatlichen Geldern. Zuvor gab die EU im Jahre 2001 Kastenstandbreiten von 0,60 und 0,70 m vor. Niedersachsen hat diese Maße in seinem Erlass von 2002 übernommen. Noch im Jahre 2010 haben sich alle Bundesländer darauf verständigt, die in den Ausführungshinweisen vom 23.02.2010 konkretisierten Maßen von 200 x 70 cm für Altsauen und 200 x 65 cm für Jungsauen und kleinere Sauen, als Grundlage für die Genehmigungspraxis zu verwenden.
Dieser Praxis widersprach das OVG Magdeburg 2015 in seinem Urteil mit Verweis auf § 24 Abs. 4 Nr. 2 TierSchNutztV. Hier steht: „Kastenstände sind so zu gestalten, dass jedes Schwein ungehindert aufstehen, sich hinlegen sowie den Kopf und in Seitenlage die Gliedmaßen ausstrecken kann.“
Dem vorausgegangen war eine Vor-Ort-Kontrolle in einem Betrieb...
Gut zu wissen
- Die neue TierSchNutztV sollte Sauenhaltern nach dem Magdeburger Urteil eigentlich wieder Rechtssicherheit geben.
- Der Agrarausschuss des Bundesrats bedauert, dass das BMEL die neue Verordnung nicht zum generellen Umbau der Nutztierhaltung nutzt.
- Die für den 14. Februar 2020 anberaumte Debatte zur neuen TierSchNutztV wurde ohne neuen Termin vertagt.
Die Siebte Verordnung zur Änderung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung (TierSchNutztV) soll Schweinehaltern nach dem Magdeburger Gerichtsurteil die lang ersehnte und dringend notwendige Rechtssicherheit bringen. Am 14. Februar 2020 wollte der Bundesrat deshalb über die neue Verordnung debattieren, doch der betreffende Tagesordnungspunkt wurde ohne Begründung vor Sitzungsbeginn abgesetzt.
Die Nachricht davon verbreitete sich binnen Minuten über soziale Netzwerke — und ließ insbesondere Sauenhalter trotz weiterhin ungewisser Rechtslage aufatmen. Denn nach ihrer Ansicht hätten viele Punkte im Papier, welches der Agrarausschuss des Bundesrates unter dem Vorsitz von Minister Dr. Wissing (FDP, Rheinland-Pfalz) ausarbeitete, dem Tierschutz nicht gedient — sie als Tierhalter jedoch unter anderem durch kurze Übergangszeiten finanziell ruiniert.
Ein kurzer Rückblick
Die Mehrheit der Sauenhalter hat aufgrund der Vorgaben zur Gruppenhaltung zum 01.01.2003 ihre Sauenställe umgebaut — teils mit staatlichen Geldern. Zuvor gab die EU im Jahre 2001 Kastenstandbreiten von 0,60 und 0,70 m vor. Niedersachsen hat diese Maße in seinem Erlass von 2002 übernommen. Noch im Jahre 2010 haben sich alle Bundesländer darauf verständigt, die in den Ausführungshinweisen vom 23.02.2010 konkretisierten Maßen von 200 x 70 cm für Altsauen und 200 x 65 cm für Jungsauen und kleinere Sauen, als Grundlage für die Genehmigungspraxis zu verwenden.
Dieser Praxis widersprach das OVG Magdeburg 2015 in seinem Urteil mit Verweis auf § 24 Abs. 4 Nr. 2 TierSchNutztV. Hier steht: „Kastenstände sind so zu gestalten, dass jedes Schwein ungehindert aufstehen, sich hinlegen sowie den Kopf und in Seitenlage die Gliedmaßen ausstrecken kann.“
Dem vorausgegangen war eine Vor-Ort-Kontrolle in einem Betrieb bei Magdeburg. Hier waren 80 von 785 Kastenstände nach Auffassung des Gerichts zu schmal für ein ungehindertes Ausstrecken der Gliedmaßen in Seitenlage. „Ungehindert“ definierte das Gericht so, dass die Sau in beide (!) Richtungen ihre Füße frei ausstrecken kann, ohne dass es zu einer Berührung der Gliedmaßen mit einem anderen Schwein oder der Aufstallung kommt.
Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) ließ am 08.11.2016 eine Revision des Urteils nicht zu. In seinen Ausführungen wies das BVerwG jedoch darauf hin, dass es völlig unproblematisch sei, wenn eine mit 70er Kastenständen genehmigte Haltung mit Sauen und einem Stockmaß bis 70 cm belegt ist. Sämtliche Vorschriften nebst § 24 TierschNutztV würden so eingehalten.
TVT lehnt den Kastenstand ab
Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) will nun aufgrund des Kastenstandurteils die TierSchNutztV überarbeiten. Dazu verschickte es im Mai 2019 einen Entwurf an mehr als 20 Verbände, unter anderem an den Deutschen Raiffeisenverband und an die Bauförderung Landwirtschaft (BFL) sowie an Tierrechtsverbände wie Ariva, Deutscher Tierschutzbund, Pro Vieh oder Vier Pfoten.
Nach dieser Anhörung legte das BMEL im November 2019 seinen Verordnungsentwurf vor. Der umstrittene § 24 Abs. 4 soll nun so lauten: „Ein Kastenstand muss so beschaffen sein, dass das Schwein sich nicht verletzen, ungehindert aufstehen, sich in Seitenlage hinlegen und den Kopf ausstrecken kann.“
Auf die Gliedmaßen geht der Entwurf nicht ein. Doch konkretisiert das BMEL die Buchtenbreite: „…dem Schwein steht uneingeschränkt eine nutzbare Bodenfläche zur Verfügung, die mindestens folgende Abmessungen aufweist: Schweine bis einer Schulterhöhe von 80 cm eine Breite von 65 cm; …bis einer Schulterhöhe von 90 cm eine Breite von 75 cm; und über 90 cm Schulterhöhe eine Buchtenbreite von 85 cm.“
Anders als die Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz (TVT) möchte das BMEL den Kastenstand nicht komplett verbieten, da sonst erhebliche Verletzungen bei den Sauen und erdrückte Ferkel in den Abferkelbuchten drohen. Stattdessen sollen in einem Wurfzyklus die Muttersauen nur 13 statt bislang 70 Tage in einem Kastenstand verweilen: bis zu acht statt 35 Tage im Deckzentrum, und bis zu fünf anstatt 35 im Abferkelbereich.
Des Weiteren schlug das BMEL für die Abferkelbucht durch die frühere Aufhebung der Fixierung der Sau eine Größe von 6,5 m² vor. Aktuell üblich sind 4 m2.
Für eine schnelle Umsetzung wäre hier nach Expertenmeinung der BFL Buchtengrößen von 6 m2 besser, da man bei gleichem Tierschutzniveau zwei neue Buchten auf dem Platz von drei alten bauen könnte.
Um Sauenhaltern Zeit für Planung und zur Schaffung der notwendigen Finanzkraft zu geben, sah das BMEL eine Umstellungszeit von 15, im Härtefall 17 Jahren vor. Betriebe, die erst vor zehn Jahren umgebaut haben, haben so zumindest noch die Chance, ihre fremdfinanzierten Stallgebäude abzubezahlen. Klar ist auch: Ohne Umbau werden Stall und Hof in den meisten Fällen wertlos sein.
Agrarausschuss wünscht mehr
Der Agrarausschuss des Bundesrats bedauert in seiner Empfehlung vom 31.01.2020 (Drucksache 587/1/19), dass die Vorschläge des BMEL zur Änderung der TierSchNutztV weder zukunftsweisend sind, noch den Weg einer tierschutzgerechten und gesellschaftlich akzeptierten Nutztierhaltung vorgeben. Die Empfehlungen des Ausschusses gehen deshalb weit über die des BMEL hinaus.
Neben neuen Regeln für die Sauenhaltung tauchen nun auch andere Tiergattungen auf. So fordert der Ausschuss zudem ein Verbot der ganzjährigen Anbindehaltung bei Rindern. Ein Großteil der Anbindeställe, allein in Bayern sind es 14 000, werden so vermutlich in acht Jahren Geschichte sein.
Was den Umbau der Kastenstände in der Wartehaltung angeht, fordert der Bundesratsausschuss acht Jahre und damit eine viel kürzere Frist als das BMEL.
Bei der Umbaufrist für Abferkelbuchten folgt der Bundesratsausschuss weitgehend dem Vorschlag des BMEL. Doch sollen die Buchten 7 m2 messen. Sie wären dann fast doppelt so groß wie heute. Da das in Altgebäude kaum umzusetzen ist, bliebe den meisten nur der Abriss und Neubau — sofern dieser noch genehmigt wird.
Durch den höheren Platzbedarf steigen die Baukosten für eine Abferkelbucht wohl über 10 000 Euro. Ein Betrieb mit 300 Sauen im 3-Wochenrhythmus müsste so zur Erfüllung der neuen Verordnung 1 Million Euro investieren. Ökonomisch gesehen ist es unwahrscheinlich, dass Landwirte nur zum Erhalt des Bestands dieses Wagnis eingehen.
Zumal die Nutztierhalter zusehends erkennen, dass sie ständig zu höheren Standards produzieren sollen. Aber gleichzeitig der Bund Handelsabkommen z.B. mit Nord- und Südamerika (Mercosur) abschließt und so zu niedrigeren Tierschutzstandards produziertes Fleisch ins Land kommt. Mit dieser Verordnung würden somit in 17 Jahren die letzten Ferkellampen in deutschen Sauenställen ausgemacht — für immer.
Wie die Situation um das Corona-Virus und unsere Abhängigkeit von anderen Ländern offenbart, wäre dann eine Versorgung der eigenen Bevölkerung nicht mehr möglich.