Mein Gott, ist das teuer!“ — Meistens war der Preis fünfstellig, wenn die Verkäufer der Firma Eder Landtechnik aus Tuntenhausen (Bayern) ein Lenksystem zum Nachrüsten anboten. Dabei handelte es sich um die Fabrikate Case IH, Steyr und Trimble. Deshalb verkauft Eder als Alternative zusätzlich das Premo+. Das ist eine RTK-Lenkung mit theoretisch ± 2,5 cm Genauigkeit, die zur Selbstmontage einschließlich Mehrwertsteuer knapp 6 300 Euro kostet.
Das Premo+ haben wir bereits 2021 in einem Fahrbericht unter dem Namen FJDynamics vorgestellt (profi 7/2021). Das System kommt aus China, und in Anlehnung an die Premiumfabrikate bezeichnet Eder es mit „Premo+“. Eder Landtechnik verkauft es in Österreich, der Schweiz sowie in großen Teilen Deutschlands (eder-landtechnik.de). Speziell in Norddeutschland ist die Firma Dittec (dittec.de) aus Neuenkirchen (Dithmarschen) für den Vertrieb und den Kundendienst verantwortlich.
das Terminal mit einem 10-Zoll-Touchscreen-Monitor,
das Lenkrad mit integriertem Motor,
der Lenkwinkelsensor,
zwei GNSS-Empfänger samt Haltebügel und Abstandhalter,
eine Funkantenne für eine Basisstation,
eine 4G-Mobilfunkantenne sowie
ein Gyroskop zur Erfassung der Neigung und der Beschleunigung.
In der Regel wird das Premo+ zur Selbstmontage verkauft. Dazu hat Eder eine detaillierte Anleitung für die Montage und die Grundkalibrierung angefertigt. Ein System hat die Deula Warendorf (Westfalen) gekauft. Die Mitarbeiter haben das Premo+ dort auf einem Steyr 6225 CVT von Baujahr 2011 montiert.
Bei der Montage unterscheidet sich das Premo+ von anderen Lenksystemen nur in dem Punkt, dass zwei Antennen anstelle einer zu montieren sind. Mit im Paket ist deshalb ein Haltebügel mit universellen Schraubverbindungen für das Kabinendach. Der Aufbau war schnell und unkompliziert erledigt. Der Lenkwinkelsensor arbeitet kontaktlos ohne Gestänge und wurde geschützt über dem rechten Achsschenkel montiert. Alle Kabel laufen beim Terminal zusammen.
Beim Terminal handelt es sich um ein sehr robustes 10-Zoll-Tablet mit dem Betriebssystem Android. Das Gehäuse beherbergt unter anderem ein Mobilfunkmodem mit einem Steckplatz für eine SIM-Karte. Ferner ist der Lenkcontroller im Terminal untergebracht. An der Unterseite befinden sich die Kabelsteckplätze für die Stromversorgung, die Antennen, den Lenkmotor und den Lenkwinkelsensor. Das Gyroskop hat die Größe einer Zigarettenschachtel und gehört fest eingebaut in den Traktor.
Das originale Lenkrad wird gegen das durchaus sportliche Premo+-Lenkrad mit dem Lenkmotor und der Gegenhalterung ausgetauscht. Beides ist sehr stabil, und das Lenkrad liegt super in der Hand. Bedingt durch den Elektromotor war die Höhenverschiebung des Lenkrads nach unten eingeschränkt.
Nachdem das Premo+ montiert ist, gilt es zunächst, bei FJDynamics ein Nutzerkonto anzulegen und die Lenksoftware freizuschalten. Im nächsten Schritt werden das Android-Betriebssystem und die Lenksoftware von FJD upgedatet. Android erledigt dies im Hintergrund selbstständig, darauf hat der Fahrer keinen Einfluss. Eder und Dittec empfehlen deshalb, das Lenkterminal am Morgen immer in Reichweite eines betrieblichen WLAN zu starten. Denn ansonsten könnte ein Update das Datenvolumen der SIM-Karte in aller Kürze verbrauchen.
Das Terminal hat einen dauernden Kontakt zum FJD-Server in China. In dem Zuge werden unregelmäßig Updates für die Lenksoftware gesendet, deren Installation der Fahrer aber anders als beim Betriebssystem aktivieren oder zunächst ignorieren kann. Umgekehrt werden alle angelegten Spuren und Auftragsdaten zusätzlich auf den FJD-Server hochgeladen. Und so heißt es im Menü zum Aufrufen einer zuvor angelegten Führungslinie auch nicht Laden oder Öffnen, sondern „Importieren“.
Voraussetzung für genaues Fahren ist, dass zuerst alle Grundparameter wie der Radstand des Traktors und die Position der GNSS-Antennen exakt gemessen und eingegeben werden. Dann gilt es, das System durch Fahrten hin und her auf derselben Spur zu kalibrieren. Sehr hilfreich war dabei die Kurzanleitung. Außerdem haben Eder und Dittec selbst gedrehte Videos bei YouTube hochgeladen, die die Montage, die Grundeinstellungen, das Kalibrieren sowie die Bedienung erklären. Nicht zu vergessen ist eine detaillierte Bedienungsanleitung in Deutsch als pdf-Datei.
Die GNSS-Empfänger nutzen alle vier großen Satellitendienste, und unter guten Bedingungen sind 30 und mehr sichtbare Satelliten die Regel. Unter ungünstigen Bedingungen fällt diese Zahl ab, und erst wenn die Gesamtkinematik zu den noch sichtbaren Satelliten zu schlecht ist, steigt die Lenkung aus.
Sehr gut gefallen haben uns der Bildschirm und die Menüs. Die einzelnen Auswahlpunkte sind immer mit Symbolen und Volltext gekennzeichnet. Schön ist auch, dass oben rechts immer der Sendestatus des Mobilfunks, die Anzahl der sichtbaren Satelliten und die Qualität des Korrektursignals angezeigt werden. Weil zwei GNSS-Empfänger genutzt werden, erkennt das System selbst im Stillstand die Fahrtrichtung und navigiert rückwärts wie vorwärts.
Das Premo+ lenkt entweder im A-B-Modus oder im Kurvenmodus. Es besitzt interessanterweise zwei Modi, um parallel zu lenken. Im „Mehrlinien-Modus“ führt das System den Traktor wie bei den Wettbewerbern im fest vorgegebenen Abstand, z. B. mit 3 m Abstand beim Drillen. Schaltet man auf den „Ein-Linien-Modus“ um, kann man den Abstand beim Einlenken vom Vorgewende in die Bearbeitungsrichtung frei wählen. Dann geht es parallel in dem Abstand zurück, den man gerade manuell angesteuert hat.
Eine A-B-Winkelfunktion, bei dem man einen Winkel zu einer vorhandenen Führungsspur vorwählen kann, hat das System nicht. Gut ist aber, dass sich die Führungslinie seitlich verschieben lässt.
Zuerst waren wir davon enttäuscht, dass die Spurlinien nicht nummeriert waren. Auch das Handbuch half nicht weiter. Erst die Eder-Mitarbeiter wiesen uns auf den höherrangigen Modus hin, der sich in den Systemeinstellungen aktivieren lässt. Danach sind die Spurlinien nummeriert, um z. B. beim Drillen vorab die Pflegegassen anzulegen. Dieser Modus ermöglicht auch mehr Funktionen speziell beim Spuren- und Auftragsmanagement.
Einen Überbrückungsdienst für den kurzfristigen Ausfall des RTK-Signals hatte unser getestetes Premo+-System noch nicht. Dieses soll nach Firmenangaben jetzt verfügbar sein und einen RTK-Abriss von bis zu
20 Minuten überbrücken können.
Wie die teuren Wettbewerber kann Premo+ nicht nur lenken. Sondern es lassen sich auch Feldgrenzen entweder als shp-Datei importieren oder durch eine Umrundung anlegen. Außerdem kann man dem System eine Vorgewendebreite vorgeben, um einen Warnton zu erzeugen. Das Terminal enthält ebenfalls eine Auftragsverwaltung, die auch die Basis für die Speicherung von Feldern und Spuren bildet.
Aktiviert wird die automatische Lenkung entweder am Monitor oder über einen externen Schalter. Die Deaktivierung ist dagegen zunächst gewöhnungsbedürftig. Denn ein aktiver Lenkeingriff beeindruckt das System überhaupt nicht. Erst wenn man das Lenkrad kräftig festhält und die Elektronik einen Lenkimpuls ausgibt, steigt der Motor aus. Und selbst in der kleinsten Drehmomenteinstellung braucht es noch ziemlich viel Kraft, um die Lenkung zu deaktivieren. Aber nach einer gewissen Zeit hat man sich daran gewöhnt.
Im Praxiseinsatz und bei unseren Messungen setzten wir das Premo+ mit dem in Nordrhein-Westfalen freien RTK-Dienst Sapos ein. Theoretisch sind damit ± 2,5 cm absolute Genauigkeit möglich. Auf unseren beiden Test-Parcours erreichte das System diese Präzision nicht ganz. Im A-B-Modus mit 2 km/h lagen 50 % der Werte zwischen 1 cm überlappt und 3,5 cm unbearbeitet. Die größten Ausreißer betrugen 48 cm überlappt und 50 cm unbearbeitet.
Genauso gut wie andere, teils deutlich teurere Systeme, waren dagegen die Messwerte bei 6 km/h. Die Hälfte der Werte lag zwischen 1,5 cm überlappt und 4 cm unbearbeitet, die maximale Spanne betrug nur 10 cm überlappt bzw. unbearbeitet.
Wiederum nicht so gut schnitt das Premo+ bei 12 km/h ab. So lagen 50 % der Werte zwischen 10,5 cm überlappt und 7,5 cm unbearbeitet. Mit 166 cm überlappt und 107 cm unbearbeitet war die Spanne recht groß. Auch im Kurvenmodus mit 6 km/h konnte das Premo+ nicht ganz die Genauigkeit der Wettbewerber erreichen.
Die Ursache könnte darin liegen, dass der Lenkwinkelsensor an unserer Testmaschine noch am Morgen vor den Messungen ausgewechselt wurde. Auch stellten wir fest, dass das Einlenken nach dem Wenden nicht immer gut funktionierte. Das System sprang zwischen zwei Linien hin und her, bevor es dann in der richtigen Spur war. Mit etwas Übung gelang das Wenden dann aber sehr gut.
Nach der Getreideernte lief der Steyr 9225 CVT in der Bodenbearbeitung. Die Schlepperfahrer waren sehr zufrieden und stellten keinen Unterschied in der Genauigkeit zu einem im Betrieb vorhandenen, älteren Lenksystem von Trimble fest. Vor allem lobten sie die einfache Bedienung und den geräuschlosen Lenkmotor.
Eder Landtechnik liefert das Premo+ mit einer SIM-Karte mit 500 MB Startguthaben aus.
Anders als bei den teuren Systemen erfordert der Umbau des Lenkrades eine Vorführung beim TÜV, dafür gibt es ein Gutachten.
Wer nicht zufrieden ist, kann das System innerhalb von vier Wochen ausbauen und zurückgeben.
Fazit
Das Premo+ ist preiswert und arbeitet zuverlässig. Die Einstellungen und die Bedienung sind vergleichsweise einfach. Das Lenkrad liegt gut in der Hand, der Lenkmotor ist kräftig und geräuschlos.
Die Genauigkeit war im Test nicht ganz so gut wie bei anderen gemessenen Systemen. Der Funktionsumfang erfüllt die Grundanforderungen, er wird durch Updates laufend erweitert. In dem Zuge wird die Lenkintelligenz ebenfalls verbessert. Und angesichts der Geld-zurück-Garantie sind 6 300 Euro einschließlich Mehrwertsteuer ein faires Angebot.