Einsatzbericht Veredlungstechnik
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Inbetriebnahme von Zapfwellen-Notstromaggregaten
Inbetriebnahme von Zapfwellen-Notstromaggregaten
Seine Zapfwellen-Notstromaggregate nimmt Hersteller Hermann Kemper immer selbst in Betrieb. Die Gründe und seine Vorgehensweise verriet der Unternehmer uns bei einer Erstinbetriebnahme in der Praxis.
Immer schneller fährt der Landwirt die Zapfwellendrehzahl hoch. Als das analoge Zeigerinstrument des angebauten Notstromaggregats eine Frequenz von 50 Herz (Hz) anzeigt, lässt der Fahrer bei gut 1 700 U/min das Handgas stehen. Der Generator erzeugt jetzt die gewünschte Spannung und passende Frequenz, so dass nun von Hand eine Freischaltung des Generators möglich ist.
Was folgt, ist ein erster Belastungstest. In unserem Praxisfall werden dafür zwei Lüfter mit je 30 kW Heizleistung nacheinander zugeschaltet. Nachdem Hermann Kemper auch den zweiten Heizlüfter problemlos betreiben kann, nickt er mit Blick auf die analogen Anzeigeinstrumente am Notstromaggregat dem Fahrer zufrieden zu. „Mit diesem Traktor läuft das Aggregat bei jeder Last. Lass uns jetzt deinen kleinen Schlepper probieren“, fordert er seinen Kunden auf. „Schief gehen kann bei dieser Art Probelauf nichts.
Doch weiß der Landwirt damit, auf welchen Schlepper er sich in der Not verlassen kann?“, erklärt Kemper seine aufwändige und im Kaufpreis enthaltene Vorgehensweise. Tatsächlich vergehen noch fast zwei Stunden, bis auch am Melkroboter des Milchviehbetriebs Notstrom anliegt. Doch von vorn.
Ein Zapfwellen-Notstromaggregate ist derzeit heiß begehrt. Doch das Aggregat selbst ist nur die halbe Miete. Denn erst wenn das es fachgerecht in den landwirtschaftlichen Betrieb eingebunden worden ist, kann man als Betriebsleiter sicher sein, dass es im Ernstfall zuverlässig läuft.
Das Einbinden eines Aggregats ist dabei leichter gesagt als getan, gleichwohl dafür eine Fachkraft bzw. ein Elektriker zuständig ist und somit die Arbeit getrost delegiert werden kann — so der allgemeine Glaube.
Die Wahrheit aber ist: Die meisten Elektriker sind immer gut darin, wenn es um Strom aufseiten des Verbrauchers geht. Wenn es aber darum geht, Strom aus Sicht des Stromerzeugers zu denken, tun sich nicht wenige schwer damit — es fehlt schlicht an Erfahrung.
Dass beispielsweise im Schaltschrank eines landwirtschaftlichen Betriebs das Erden des Sternpunkts vom Zapfwellengenerator unterbleibt, ist nach Erfahrung von Kemper dabei eher die Regel als die Ausnahme. Dabei sind die Folgen eines solchen Fehlers fatal bis tödlich. Denn ohne geerdeten Sternpunkt wird aus einem TT- oder TN-Netz ein IT-Netz. Einfach erklärt kann so im Notstrombetrieb bei einem Kurz- bzw. Körperschluss die in der Hausverteilung installierte Fehlerstrom-Schutzeinrichtung (FI-Schalter, RCD) versagen.
„Vor diesem Hintergrund war es für mich nur logisch, dass wir jedes von uns verkaufte Notstromaggregat selbst in Betrieb nehmen. Und zwar nicht bei uns in der Firma, sondern vor Ort auf dem Betrieb des Landwirts“, so Hermann Kemper zu den Hintergründen seines Service.
Ungeachtet dieser Erfahrungen freut sich Kemper immer, wenn der Haus- und Hofelektriker des Landwirts bei der Inbetriebnahme mit vor Ort ist und hilft. Die Erklärung folgt auf dem Fuß. „Der Hofelektriker kennt den Betrieb schließlich aus dem FF — das hilft ungemein. Und meist versteht der Hofelektriker nach ein paar Worten auch schnell, warum vor oder hinter dem Netztrennschalter noch Kabel um- bzw. anzuklemmen sind. Und sollte später mal ein Fehler auftreten, weiß der Elektriker immer, dass er meine Installation nicht mehr anfassen muss“, weiß der Elektromeister zu berichten.
Eine mangelhafte Ausrüstung ist ein weiterer Grund, weshalb der Haus- und Hofelektriker mit der Inbetriebnahme von Zapfwellen-Notstromaggregaten oft überfordert ist. „Oft kommen die Elektriker nur mit einem Multimeter an“, stellt Kemper hier fest. „Das Prüfen des Erdungswiderstands, die Auslösezeit des RCD oder den Auslösestrom des RCD zu messen, unterbleibt somit in den meisten Fällen komplett“, mahnt Kemper an.
Um alle Typen an RCD/FI in der Hausinstallation prüfen zu können, bringt Kemper deshalb immer sein Multifunktions-Installationstestgerät zur Inbetriebnahme mit.
Mit seinem Gerät testet er im ersten Schritt die Funktionsfähigkeit aller installierten FI. „Sie dürfen nichts auslassen, alles muss geprüft werden — denn auch ein FI kann mal defekt oder die Erdung nicht angeschlossen sein“, mahnt er an.
Mit einem Fluke 9062 ermittelt Kemper als Nächstes das Drehfeld der Strominstallation. „Die Regel ist ein Rechtsdrehfeld, weshalb auch unsere Generatoren bei Auslieferung ein Rechtsdrehfeld aufweisen. Es gibt aber Betriebe mit einem Linksdrehfeld in der Installation — dann muss der Generator umgeklemmt werden, bevor der erste Notstrom fließt“, klärt uns Kemper auf. Schließlich würden ohne ein Umklemmen des Generators alle Drehstrommotoren andersherum anlaufen.
Kemper geht jede Inbetriebnahme systematisch an. Damit beispielsweise beim Überprüfen der Verkabelung oder der FI nicht das Melken am Roboter unterbrochen wird, werden zuerst alle wichtigen Stromverbraucher systematisch heruntergefahren und stromlos gestellt. Was folgt, ist das zusätzliche Ausschalten von Stromverbrauchern durch ein Umlegen aller FI.
Erst jetzt fährt das Zapfwellen-Notstromaggregat erneut auf eine Netzfrequenz von 50 Hz und 400 Volt hoch, dann gibt die bei Kemper installierte Überwachung für Spannung und Frequenz das Einschalten des Generator-Leistungsschalters frei.
Es folgt das Umstellen des Netztrennschalters von Netzbetrieb auf Hauseinspeisung, so dass erstmalig Generatorspannung an der Hausverteilung anliegt. Aufgrund der deaktivierten FI wird der Strom jedoch nicht durchgeleitet. „Ich habe es schon erlebt, dass der Nullleiter in der Stromverteilung nicht richtig aufgelegt wurde, und so der Neutralleiter vom Generator nicht ankommen konnte.“
Was auf den ersten Blick bedeutungslos erscheint, führt aber beim Einsatz von Notstromaggregaten zu Phasenverschiebungen mit Überspannungsspitzen von über 250 Volt“, erklärt Kemper mit ernstem Blick. Tritt eine solche Verschiebung auf, bleibt wie bei einem Blitzeinschlag kaum eine Platine verschont.
Hat die Installation den letzten Check überstanden, legt Kemper den ersten FI in der Stromverteilung um — bevorzugt den, der für Licht im Flur und für Strom an der nächsten Steckdose sorgt. Mit einem Multifunktionstester wiederholt Kemper nun seine Tests, wofür er unter anderem den Netzstecker vom Testgerät in die nächstgelegene 230-Volt-Dose steckt. Stimmen abermals die Auslösezeit, der Auslösestrom, die Netzspannung etc., wird durch ein weiteres Umlegen eines FI der nächste Stromkreis freigegeben. Punkt für Punkt arbeitet sich Kemper so vor. Ist die Überprüfung eines Verteilers abgeschlossen, geht es rüber zum nächsten Schaltschrank.
Warum geht Kemper so akribisch vor? „Sie können sich bei Strom auf nichts verlassen. Fehler passieren, im Zusammenhang mit Strom können sie jedoch tödlich sein oder zumindest teure Schäden an Geräten und deren Elektronik nach sich ziehen“, schildert der Elektromeister die Gründe für sein Vorgehen. „Unser stärkstes Zapfwellen-Notstromaggregat leistet 181 kVA mit 261 Ampere Nennstrom. Begehen Sie hier einen Fehler, hört der Spaß auf“, stellt Hermann Kemper abschließend fest. Dass ihm nach eigenem Bekunden bei der Inbetriebnahme bislang kein ernsthafter Fehler unterlaufen ist, spricht für seine Vorgehensweise — nicht nur im landwirtschaftlichen Betrieb.