Gut zu wissen
- Niedrige PV-Anlagenpreise erlauben eine Stromproduktion zu Preisen unterhalb des Einkaufspreises.
- Je höher der Eigenverbrauch, desto wirtschaftlicher ist eine PV-Eigenverbrauchsanlage.
- Mit Fullenergy kann im Milchviehbetrieb der Eigenverbrauch auf über 70 % verbessert werden.
Melken, kühlen, reinigen: Ohne Strom läuft im Milchviehbetrieb nichts mehr! Die in den letzten Jahren stark gestiegenen Strompreise lassen jedoch die Produktionskosten kontinuierlich und teils sehr heftig steigen. Gegensteuern können Milchviehbetriebe mit einer eigenen Photovoltaik-Anlage (PV-Anlage). Denn die Anlagenpreise sind in den letzten Jahren deutlich gefallen. Somit lässt sich Strom erzeugen, der günstiger ist als der Strom vom Netzbetreiber.
Die Nutzung selbst produzierten Stroms hat allerdings einen Haken: Wird beispielsweise Strom zum Kühlen der Milch gebraucht, ist die Sonne oft schon untergegangen. Das Resultat ist eine Eigenverbrauchsquote von selten mehr als 20 %. Die restlichen 80 % des PV-Stroms gehen dann zu Spotpreisen ins Netz des Versorgers, gleichzeitig muss weiterhin teurer Strom zugekauft werden.
Ziel: Mehr als 70 Prozent Eigenverbrauch
Doch wie lässt sich der Eigenverbrauch steigern und damit die Wirtschaftlichkeit einer PV-Anlage im Milchviehbetrieb verbessern? Lange machte sich auch Stephan Baumgartner Gedanken über eine Steigerung der Effizienz von Eigenverbrauchsanlagen. Baumgartner ist in Ramsau (Bayern) Inhaber einer Filiale des Melktechnikherstellers Lemmer-Fullwood und kennt so die Schwierigkeiten von Milchviehhaltern mit Eigenverbrauchsanlagen nur allzu gut.
2014 hatte er dann die Idee zur Entwicklung von „Fullenergy“. Die dezentrale Steuerung nimmt stromintensive Geräte gezielt in Betrieb, sobald ausreichend viel Sonne scheint — und schaltet Stromverbraucher einzeln weg, sobald Wolken den Himmel verdunkeln. Am Ende des Jahres können so je nach Anlagengröße 70 bis 75 % des selbst produzierten Stroms...
Gut zu wissen
- Niedrige PV-Anlagenpreise erlauben eine Stromproduktion zu Preisen unterhalb des Einkaufspreises.
- Je höher der Eigenverbrauch, desto wirtschaftlicher ist eine PV-Eigenverbrauchsanlage.
- Mit Fullenergy kann im Milchviehbetrieb der Eigenverbrauch auf über 70 % verbessert werden.
Melken, kühlen, reinigen: Ohne Strom läuft im Milchviehbetrieb nichts mehr! Die in den letzten Jahren stark gestiegenen Strompreise lassen jedoch die Produktionskosten kontinuierlich und teils sehr heftig steigen. Gegensteuern können Milchviehbetriebe mit einer eigenen Photovoltaik-Anlage (PV-Anlage). Denn die Anlagenpreise sind in den letzten Jahren deutlich gefallen. Somit lässt sich Strom erzeugen, der günstiger ist als der Strom vom Netzbetreiber.
Die Nutzung selbst produzierten Stroms hat allerdings einen Haken: Wird beispielsweise Strom zum Kühlen der Milch gebraucht, ist die Sonne oft schon untergegangen. Das Resultat ist eine Eigenverbrauchsquote von selten mehr als 20 %. Die restlichen 80 % des PV-Stroms gehen dann zu Spotpreisen ins Netz des Versorgers, gleichzeitig muss weiterhin teurer Strom zugekauft werden.
Ziel: Mehr als 70 Prozent Eigenverbrauch
Doch wie lässt sich der Eigenverbrauch steigern und damit die Wirtschaftlichkeit einer PV-Anlage im Milchviehbetrieb verbessern? Lange machte sich auch Stephan Baumgartner Gedanken über eine Steigerung der Effizienz von Eigenverbrauchsanlagen. Baumgartner ist in Ramsau (Bayern) Inhaber einer Filiale des Melktechnikherstellers Lemmer-Fullwood und kennt so die Schwierigkeiten von Milchviehhaltern mit Eigenverbrauchsanlagen nur allzu gut.
2014 hatte er dann die Idee zur Entwicklung von „Fullenergy“. Die dezentrale Steuerung nimmt stromintensive Geräte gezielt in Betrieb, sobald ausreichend viel Sonne scheint — und schaltet Stromverbraucher einzeln weg, sobald Wolken den Himmel verdunkeln. Am Ende des Jahres können so je nach Anlagengröße 70 bis 75 % des selbst produzierten Stroms tatsächlich selbst verbraucht werden, so die Erfahrung von Baumgartner.
Die Technik im Detail
Wesentlicher Teil der Technik ist ein Aktor vor dem Wechselrichter. Er erfasst den aktuellen Stromfluss vom und zum Kraftwerk. Ein weiterer Aktor ist vor jedem zu regelndem Stromverbraucher erforderlich.
Die Kommunikation der Geräte untereinander erfolgt per Netzwerkkabel, eines führt dabei direkt zum Büro-PC. Über diesen können die aktuellen Stromverbräuche kontrolliert, Einstellungen vorgenommen und Prioritäten vergeben werden. Eine App fürs Tablet oder Smartphone gibt es noch nicht. Den aktuellen Stromfluss kann der Landwirt abseits vom Büro-PC weder einsehen noch kann er Einfluss darauf nehmen.
Andererseits: Viel zu regeln gibt es ohnehin nicht. Denn durch die Vergabe von Prioritäten wird der Einsatz nicht dringend benötigter Verbraucher als erstes beendet. Verbraucher der höchsten Priorität bleiben hingegen so lange in Aktion, bis die Sonne nicht mehr scheint.
Damit bei wechselhafter Bewölkung die Verbraucher nicht im Minutentakt ein- und wieder ausgeschaltet werden, sind im System Pausenzeiten von sechs Minuten hinterlegt. Und damit zum Reinigen der Melkanlage das Wasser auf die Minute genau heiß genug ist, sind Zeiten definiert, in denen die Geräte zwangsläufig in den Betrieb gehen — selbst dann, wenn die eigene PV-Anlage mal keinen oder zu wenig Strom liefert.
Die dazu passenden Geräte
Klingt gut. Allerdings stellt Fullenergy gewisse Anforderungen an die installierte Technik im Milchviehbetrieb. Denn um möglichst viel des selbst produzierten Stroms verwerten zu können, verfügen die Stromverbraucher idealweise selbst über eine Art Energiespeicher. Bei der Anlagenreinigung gelingt das Speichern der Energie mit Heißwasser. Damit der Boiler nicht schon nach einem Durchlauf leer ist, sollte er doppelt so groß sein wie der einer konventionellen Heißwasserreinigung.
Ähnlich verhält es sich mit der Milchkühlung: Eine Eiswasseranlage genießt mit PV-Strom durch die niedrige, über den ganzen Tag verteilte Stromaufnahme deutliche Vorteile gegenüber einer Direktverdampferanlage. Außerdem speichert Eis durch die Kristallisationsenergie enorm viel Energie. Konkret bindet der Wechsel vom flüssigen in den festen Aggregatszustand so viel Energie wie Wasser, das von 0 °C auf 80 °C erhitzt wird. Das Speichervermögen einer Milchtank-Eiswasserkühlung ist dabei nach Erfahrung von Baumgartner so groß, dass Milchviehbetriebe ihre Milch bis zu drei Tage ohne Strom aus dem Netz kühlen können.
Am Rande: Nach dem Prinzip der Wärmepumpe kann der Milchviehbetrieb mit einer Eiswasser-Milchkühlung auch Warmwasser für die Brauchwasserversorgung erzeugen.
Zur Wirtschaftlichkeit
Bleibt die Wirtschaftlichkeit. Dazu ein Beispiel: Eine 30-kW-PV-Anlage produziert im Jahr rund 30 000 kWh. Bei 20 % Eigenverbrauch werden davon 6 000 kWh vom Betrieb selbst verbraucht, der Rest geht bei Anlagen aus 2020 für gerade einmal 9 Cent/kWh ins Stromnetz.
Bei einer Steigerung des Eigenverbrauchs auf 70 % kann der Betrieb 21 000 kWh selbst verwerten. Macht einen Unterschied von 15 000 kWh. Multipliziert mit einem Strompreis von 25 Cent/kWh spart der Einsatz von Fullenergy also einfach gerechnet rund 3 750 Euro im Jahr.
Auf der anderen Seite stehen die Ausgaben: Die Steuerung Fullenergy steht bei Lemmer-Fullwood mit 2 000 Euro je Verbraucher zuzüglich Montagekosten in der Preisliste. Macht bei drei zu regelnden Geräten im Milchviehbetrieb einmalig 7 500 Euro.
Zusätzliche Ausgaben verursachen ein größer dimensionierter Heißwasserboiler (rund 1 000 Euro) sowie eine Eiswasserkühlung für den Milchkühltank. Gegenüber einem Direktverdampfer betragen hier die Mehrkosten 2 bis 7 %, so Lemmer-Fullwood. In unserem Beispiel würde es somit gut fünf Jahre dauern, bis sich die Investition in das System Fullenergy rechnet.