Vorstellung Veredlungstechnik
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Langzeituntersuchung: Automatische Fütterung im Milchviehstall
Langzeituntersuchung: Automatische Fütterung im Milchviehstall
Lohnt eine automatische Fütterung im Milchviehstall? — Dieser und weiteren Fragen ging Johanna Lüpschen im Rahmen ihrer Masterarbeit an der Uni Bonn nach.
Mehr Zeit für die Tiere und weniger Ausgaben für Diesel: Ein automatisches Fütterungssystem verspricht viele Vorteile. So birgt das gezieltere Füttern auch die Chance auf eine verbesserte Gesundheit sowie auf ein höheres Leistungsniveau. Doch die dafür notwendigen Investitions- sowie die laufenden Kosten sind erheblich.
Stellt sich also die Frage: Ab wann rentiert sich eine automatische Fütterung im Milchviehstall? — Am Institut für Landtechnik an der Uni Bonn ging Johanna Lüpschen dieser Frage nach. Basis ihrer Arbeit ist der elterliche Betrieb mit 240 laktierenden Kühen (rot- und schwarzbunt, ø 11.465 kg Milch im Jahr mit 4,12 % Fett und 3,44 % Eiweiß), vier Melkrobotern und 470 Jungtieren. Neben 220 ha (160 ha Grünland, 60 ha Acker) gehört eine 2009 fertiggestellte Biogasanlage (800 kWel) zum Betrieb. Sie liefert für 13,18 ct/kWh kostengünstigen Strom für die Fütterung.
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Mehr Zeit für die Tiere und weniger Ausgaben für Diesel: Ein automatisches Fütterungssystem verspricht viele Vorteile. So birgt das gezieltere Füttern auch die Chance auf eine verbesserte Gesundheit sowie auf ein höheres Leistungsniveau. Doch die dafür notwendigen Investitions- sowie die laufenden Kosten sind erheblich.
Stellt sich also die Frage: Ab wann rentiert sich eine automatische Fütterung im Milchviehstall? — Am Institut für Landtechnik an der Uni Bonn ging Johanna Lüpschen dieser Frage nach. Basis ihrer Arbeit ist der elterliche Betrieb mit 240 laktierenden Kühen (rot- und schwarzbunt, ø 11.465 kg Milch im Jahr mit 4,12 % Fett und 3,44 % Eiweiß), vier Melkrobotern und 470 Jungtieren. Neben 220 ha (160 ha Grünland, 60 ha Acker) gehört eine 2009 fertiggestellte Biogasanlage (800 kWel) zum Betrieb. Sie liefert für 13,18 ct/kWh kostengünstigen Strom für die Fütterung.
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Verglichen wurde das automatische Fütterungssystems FMRcut 4.2 von Lemmer-Fullwood mit einem konventionellen Fütterungssystem bestehend aus Schlepper (Case IH 95 U, Baujahr 2020) und gezogenem Futtermischwagen (V-Mix 20-2S von BvL, Baujahr 2019). Gründe für den Kauf des 2021 installierten automatischen Fütterungssystems waren für den Betriebsleiter neben einer Reduzierung der Treibstoffkosten der zunehmende Fachkräftemangel im Betrieb.
Untergebracht ist das Fütterungssystem mit seinen fünf Vorratsbehältern in einer ehemaligen Lagerhalle 100 m vom Stall entfernt. Neben der vergleichsweise großen Distanz kommt die Hanglage des im Bergischen Land gelegenen Betriebs als weitere Schwierigkeit hinzu.
In den fünf Vorratsbehältern mit Doppel-Kratzbodenantrieb lagern eine Maissilage, zwei Grassilagen, Luzerne, Heu und Stroh. Befüllt werden sie täglich mit einem Radlader. Das Kraftfutter lagert in zwei Außensilos; der Mineralstoff in zwei Silos, die ebenfalls in der Futterhalle stehen.
Gemischt und ausdosiert wird das Futter vom 4 m3 großen Mischbehälter mit Wiegeeinrichtung und vertikaler Mischschnecke. Über im Boden integrierte Sensoren fährt er autonom zu den Tiergruppen. Die Stromversorgung erfolgt per Akku, der beim Befüllen des Roboters geladen wird.
Zwei der laktierenden Gruppen erhalten sechs Mal am Tag Futter, die dritte Gruppe sogar acht Mal täglich. Die drei Trockenstehergruppen bekommen zwei bzw. drei Mal täglich frisches Futter vorgelegt. In der Summe sind es so insgesamt 28 Touren, welche das automatische Misch- und Verteilsystem Tag für Tag absolviert.
Ein Jahr nach der Umstellung zieht der Betriebsleiter ein durchweg positives Urteil. So verlief für die Tiere die Umstellung auf das neue Fütterungssystem problemlos. Die Milchmenge stieg um 500 kg an, und die Summe an Fett und Eiweiß ging um 50 kg je Kuh und Jahr nach oben. Für den Landwirt ist die Leistungssteigerung das Ergebnis einer höheren Futteraufnahme durch eine häufigere Vorlage von frischem Futter. Rangniedere Kühe waren zudem leistungsfähiger, da diese durch die häufigere Futtervorlage regelmäßig an frisches Futter gelangten.
Bei einem Milchpreis von 36,27 ct/l (Netto-Milchpreis 2021) bringt die höhere Tierleistung einen Mehrerlös von 182,07 Euro je Tier mit sich. Bei 100 Kühen entspricht dies Mehreinnahmen von 18.207 Euro pro Jahr, während bei den 240 Laktierenden im untersuchten Betrieb die Steigerung der Milchleistung zu einem um 44 426 Euro höheren Milchgeld führt. 67.944 Euro würde der Unterschied gar betragen, wenn der Landwirt wie 2022 mit 55,47 ct/l mehr Milchgeld je Liter bekäme.
Im Übrigen: Die Befürchtung, in den Sommermonaten könne das Bevorraten der Silagen in den Bunkern durch einen Futterverderb zu Problemen führen, ist durch die tägliche Befüllung nicht eingetreten.
Eine Reduzierung der täglichen Arbeitszeit fürs Füttern um 45 % bzw. 106 Minuten (129 statt 235 Minuten) ergab die Auswertung der Arbeitswerte. Dazu folgendes: Ein automatisches Fütterungssystem erlaubt zwar eine flexiblere Erledigung der Arbeiten, und auch das Verteilen des Futters spart bei einer häufigen Futtervorlage viel Arbeitszeit. Der für ein automatisches Fütterungssystem erforderliche Zeitaufwand ist dennoch nicht zu unterschätzen. Konkret fielen im Betrieb täglich mehr als zwei Stunden Routinearbeiten an. Dazu zählen das Befüllen des Vorratsbehälters mit einem Radlader, das gut 30-minütige Säubern des Futtertisches mittels Radlader sowie das Reinigen der Vorratsbehälter durch ein Entfernen von Futterresten und Wartungsarbeiten wie das Schmieren von Walzen oder Förderketten.
Störungen sind mit einem automatischen Fütterungssystem nicht die Regel — doch es gibt sie. Falls eine auftritt, ist diese zeitnah zu beheben — weshalb der Landwirt zu jeder Zeit erreichbar sein muss. Im Schnitt war der Betrieb täglich 13 Minuten mit der Störungsbeseitigung beschäftigt, im Ausnahmefall dauerte deren Behebung auch mal knapp eine Stunde.
Setzt man für die Arbeiten einen Stundenlohn von 12 Euro an, fallen mit automatischem Fütterungssystem jährlich Kosten von 9.391 Euro an. Mit Futtermischwagen sind es 17.160 Euro — macht ein Plus von 7.769 Euro. Bei 25 Euro Stundenlohn wächst so der Abstand auf 16.186 Euro an (19.564 Euro zu 35.750 Euro/Jahr).
Davon ausgehend, dass der Betriebsleiter selbst füttert und er seine Arbeitszeit mit 50 Euro/h kalkuliert, sind fürs Bedienen des gezogenen Mischwagens 71.500 Euro einzukalkulieren — 32.372 Euro mehr als für das automatische Fütterungssystem.
Strom: Weniger als 300 Euro
Mit Spannung erwartet wurden die Ergebnisse der Verbrauchsmessungen. Tatsächlich verbraucht das automatische Füttern einer 240er Milchviehherde im Schnitt 71,37 kWh Strom pro Tag. Multipliziert mit einem Preis von 13,18 ct/kWh (Biogas-Eigenstrom; Kalkulation zum entgangenen Verkaufserlös) kostet der ganzjährige Betrieb der Anlage 3.433 Euro Strom; pro Monat also nicht mehr als 286 Euro.
Steht kein günstiger Biogas- oder PV-Strom zur Verfügung und muss stattdessen für 37 ct/kWh Strom zugekauft werden, steigen die Stromausgaben auf 9.639 Euro jährlich (803 Euro/Monat). Zum Vergleich: Beim konventionellen Füttern beträgt der Mehrverbrauch an Diesel 43,59 l/Tag. Multipliziert mit einem Preis von 139,90 ct/l entstehen dadurch Kraftstoffkosten von 60,98 Euro/Tag; bzw. 1.830 Euro im Monat bzw. 21.954 Euro pro Jahr.
Heißt: Liegt wie im untersuchten Betrieb mit 13,18 ct/kWh günstig produzierter Eigenstrom vor, spart bei 139,9 ct/l Diesel die automatische Fütterung 18.520 Euro im Jahr ein. Selbst wenn Strom für 37 ct/kWh zugekauft werden muss, spart der Roboter jährlich noch 12.315 Euro Dieselkosten ein.
Höhere Anschaffungskosten
Minimierte Arbeits- und Treibstoffkosten gibt es jedoch nicht zum Nulltarif: Die Anschaffungskosten eines automatischen Fütterungssystems haben großen Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit des Systems.
Ausgangspunkt der Kalkulation sind die Anschaffungs- und Abschreibungskosten in Höhe von 195.000 Euro für Schlepper (83 kW), Futtermischwagen (20 m3) und Radlader. Mit 4 % verzinst und auf zehn Jahre abgeschrieben wird hier eine jährliche Annuität von 24.042 Euro erreicht.
Dem gegenüber stehen mit dem automatische Fütterungssystem im 240er Kuh-Betrieb Gesamtkosten von 478.190 Euro. 390.943 Euro kostet das Fütterungssystem, 61.000 Euro der Radlader fürs Befüllen, und 26.247 Euro fallen für die Stromanbindung an. Bei zehn Jahren Abschreibung und einer 4 %igen Verzinsung ergibt sich hier eine Annuität von 58.956 Euro.
Damit fallen mit automatischem Fütterungssystem die Fixkosten um 34.752 Euro höher aus als mit gezogenem Mischwagen.
Die um 34.752 Euro höheren Fixkosten sind über niedrige Arbeits-, Treibstoff- und Stromkosten zu kompensieren. Wie sich die Wirtschaftlichkeit des automatischen Fütterungssystems in Abhängigkeit von Arbeitslohn, Strom- und Dieselpreis verändert, zeigen drei mögliche Szenarien im 240-Kuh-Betrieb. Um einer Schönfärberei zuvorzukommen, wurde keine Steigerung der tierischen Leistungen angenommen.
Für die Berechnung des Szenario 1 kommen Durchschnittspreise zum Ansatz (Löhne 25 Euro/h, Strom 34,60 ct/kWh, Diesel 1,39 Euro/l). Obwohl der Betrieb mit automatischer Fütterung im Szenario 1 Löhne in Höhe von 16 185 Euro und Diesel für 22.258 Euro einspart, zahlt er bei einem Strompreis von 34,60 ct/kWh mit Roboterbetrieb jährlich 5.320 Euro drauf.
Szenario 2 geht von niedrigen Kosten aus (Löhne: 12 Euro/h, Strom 13,18 ct/kWh, Diesel 1,22 Euro/l). Das Ergebnis: Der Betrieb mit gezogenem Futtermischwagen verbraucht für 19 428 Euro mehr Diesel pro Jahr, und die Löhne fallen im zweiten Szenario um 7.769 Euro höher aus als im Roboterbetrieb. Die mit 3.433 Euro niedrigen Stromkosten können zudem die höheren Fixkosten nicht ausgleichen, so dass unterm Strich das automatische Fütterungssystem um 10.988 Euro hinter dem konventionellen System zurückbleibt.
Szenario 3 geht von einem steigenden Preisniveau aus. Angenommen werden Löhne von 50 Euro/h, ein Strompreis von 37 ct/kWh und 1,91 Euro/l Diesel. Ergebnis: Die hohen Diesel- und Lohnkosten schlagen voll durch und kompensieren die höheren Anschaffungskosten komplett. Bei einem Strompreis von 37 ct/kWh spart der Betrieb mit automatischer Fütterung jährlich 18.427 Euro ein.
Auf einem Milchviehbetrieb mit 240 laktierenden Kühen wurde das automatische Fütterungssystem FMR 4.2 von Lemmer-Fullwood mit dem System „Schlepper und gezogener Mischwagen“ verglichen.
Positiv fielen beim automatischen Fütterungssystem das verbesserte Tierwohl, die höheren Tierleistungen sowie Einsparungen bei Treibstoff- und Lohnkosten auf. Günstig produzierter Eigenstrom verbessert die Wirtschaftlichkeit. Doch ist die Anschaffung eines automatischen Fütterungssystems finanziell nicht unbedeutend. Selbst mit einer 240er Kuhherde gilt es hier, mit spitzem Bleistift zu kalkulieren.
Allerdings: Wenn Diesel wieder bei 2 Euro liegt, Strom 37 ct/kWh kostet und der Landwirt angemessen entlohnt wird, stehen am Wendepunkt die Weichen klar in Richtung automatisches Fütterungssystem.