Werkbank
Werkbank profi 10/22: In die Falle getappt
Ein Kommentar von profi-Redakteur Wilfried Holtmann zur profi Ausgabe 10/22.
Wilfried Holtmann, profi-Redakteur (Bildquelle: Tovornik)
Mein liebstes Hobby ist es, mich über die eintönige und teils belehrende Berichterstattung vieler Medien aufzuregen. Auf allen Kanälen dieselben Themen, dieselben Meinungen. Selbst denken ist nicht mehr angesagt. Viele Journalistinnen und Journalisten erklären uns tagtäglich auf allen Kanälen, was gut und was böse ist.
In die Falle getappt
Doch kürzlich bin ich selbst in diese Falle getappt und habe den Oberlehrer gespielt. Es ging um die App Maschinenplaner (Seite 90). Gemeinsam mit Landwirten haben wir diese App ausprobiert. Zu den Pluspunkten gehört, dass sie kostenlos ist. Sie wird über Werbung finanziert, und ein paar dezente Anzeigen stören kaum.
Doch beim Reservieren poppt ein Werbevideo oder ein feststehendes Bild auf, derweil die App in den Hintergrund wechselt. Ich habe zuerst geschluckt und gedacht, ok, das ist der Geist der Zeit, meine Bauern werden sich schon dran gewöhnen. Womit ich nicht gerechnet hatte, war die heftige Reaktion der Praktiker. Ich erspare Ihnen an dieser Stelle ihre Kommentare. Für sie war das Geschäftsmodell mit der offensiven Werbung ein absolutes No Go, auch für die Jüngeren.
Keine Erziehungsarbeit
Sie akzeptierten meine Argumente nicht. So lässt sich die Werbung nach einigen Sekunden wegklicken und die App ist wieder da. In anderen Branchen und im privaten Bereich trifft man immer öfter auf solche Modelle. Letztlich darf sich die Landtechnik neuen Entwicklungen nicht verschließen. Und zu meinen Aufgaben als Technik-Redakteur gehört es, diese zu erkennen und nicht gleich abzubügeln, nur weil sie neu und ungewöhnlich sind.
Andererseits ist es wichtig, auf die Praxis zu hören und nicht zu versuchen, Erziehungsarbeit zu leisten. Insofern bin ich den Landwirten dafür dankbar, dass sie mich davon überzeugt haben, ihre kritische Sicht zu respektieren. Wir bei profi stehen nicht dem Fortschritt im Weg. Aber mit Ihrer Hilfe schaffen wir es hoffentlich auch in Zukunft, uns ständig selbst zu hinterfragen.
