Familie von Niebelschütz bewirtschaftet einen größeren Ackerbau-Betrieb in der Nähe von Schwerin. Soweit nicht ungewöhnlich — ganz im Gegensatz zu den rund 100 ha Feldgras, die mit ungewöhnlicher Technik zu Raufutter verarbeitet werden.
Ein Bild wie in Nordamerika: Auf einer großen, leicht hügeligen Grasfläche sind in der Ferne zwei Schwadmäher zu erkennen. Einen steuert Dobimar von Niebelschütz, zu dem wir in die Kabine steigen. Angesprochen auf die besondere Technik holt er etwas weiter aus: „Wir produzieren hier Heulage nach strikten Qualitätsvorgaben“, erklärt der Landwirt.
Horsehage, dahinter verbirgt sich ein Markenprodukt aus Großbritannien (Kasten „Horsehage“). In handlichen Paketen verpackt können die Kunden — überwiegend Pferdehalter — verschiedene Heulageprodukte kaufen. „Gemeinsam mit den Engländern wurde die Vertriebsgesellschaft Horsehage Deutschland gegründet, um den Vertrieb und die Produktion in Deutschland zu übernehmen“, hält Dobimar von Niebelschütz fest.
Auch wenn ein Großteil des Futters in England produziert wird, so ist der Betrieb Gut Cambs in Deutschland der einzige Futtererzeuger der Marke Horsehage.
Nach der Wende startete die Familie von Niebelschütz auf dem Gut Cambs als Wiedereinrichter. Neben dem klassischen Schwerpunkt Ackerbau gehörte auch die Futtererzeugung zum Betrieb — und damit zwangsläufig auch das Heumachen. Bereits kurz nach der Übernahme entstand ein Kontakt nach England. Horsehage-Futter war dort bereits eine etablierte Marke, die zum Sprung auf das Festland ansetzte. Die Familie stieg in die zertifizierte Heulageproduktion ein.
„Für uns ist das Gras auch ein interessantes Fruchtfolgeglied“, erklärt Dobimar von Niebelschütz. „Außerdem passte der Deckungsbeitrag für das Futter in die Welt.“ Los ging es mit gut zehn Hektar Heulage-Produktion für die englische Marke. Das Futter ist relativ strohig und überreif, da es besonders auf die Pferdefütterung ausgerichtet ist, es können aber auch Schafe, Ziegen oder sogar Giraffen damit gefüttert werden. Die Produktion der kleinen Ballen war und ist arbeitsintensiv. Trotzdem baute die Familie die Heulageproduktion nach und nach weiter aus — anfangs neben dem deutschen und englischen auch für den italienischen Markt. Heute ist nicht nur die Ernte professionalisiert, auch die Webseite wird fachmännisch extern betreut. Vier verschiedene Produkte stehen für die Kunden zur Auswahl: Horsehage Timothy (Wiesenlieschgras), Horsehage Ryegrass, Horsehage Alfalfa-Mix (Luzerne-Gras), und das Horsehage Highfibre (Weidelgras), das bei unserem Besuch gemäht wurde.
100 Hektar für Heulage
Insgesamt rund 100 ha hat die Familie von Niebelschütz inzwischen für die Heulageproduktion mit den unterschiedlichen Gräsern und Luzerne bestellt. „Die Bodenstruktur und Wasserversorgung sind dabei ganz entscheidend“, ist Dobimar von Niebelschütz überzeugt. Nach vier Jahren Gras rotieren die Flächen in der üblichen Fruchtfolge aus Raps, Weizen und zukünftig auch Erbsen und Gerste.
Für Nachsaaten setzt der Betrieb auf eine John Deere 750 A Direktsaatmaschine. Und im Frühjahr kommt ein selbst gebauter Striegel zur Narbenpflege zum Einsatz: Auf Basis einer Väderstad Carrier wurde ein aggressiver Striegel mit nachlaufender Cambridgewalze selbst konstruiert.
Schwadmäher aus den USA
„Mein Vater konnte in den Anfangsjahren noch Erfahrungen mit einem Fortschritt-Schwadmäher aus DDR-Beständen sammeln, für die Heulageproduktion haben wir uns für die ersten Jahre ein Scheibenmähwerk von Kuhn gekauft“, erzählt Dobimar von Niebelschütz.
Ganz in Vergessenheit geriet die Schwadmäher-Technik auf dem Betrieb aber nicht. „Nachdem wir im Internet den US-Heufarmer Jack Russel und seine Technik entdeckt haben, wollten wir wieder einen modernen Schwadmäher haben“, erklärt Dobimar von Niebelschütz. „Denn dort wird das Futter während des ganzen Prozesses nicht überfahren.
Es war aber in Deutschland lange nichts dergleichen zu bekommen.“ Vor einigen Jahren entstand auf der Agritechnica dann der Kontakt zu MacDon. „Ich wollte den Schwadmäher aber nie nur zum Mähen“, ergänzt der Praktiker. „Die Maschine sollte auch das Wenden, Schwaden und ursprünglich sogar das Hacken von Reihenkulturen übernehmen.“ Im Frühjahr 2020 konnten schließlich zwei Maschinen vom Typ MacDon M155 E4 in Betrieb genommen werden.
„Hauptvorteil ist, dass wir das Futter nicht mehr überfahren“, ist Dobimar von Niebelschütz von der Spezialtechnik überzeugt — die er inzwischen auf gut 100 ha Heulagewerbefläche einsetzt. Gemäht wird mit dem MacDon Scheibenmähervorsatz: „Durch die schwebende Aufhängung kann der Auflagedruck auf bis zu 50 kg/m Arbeitsbreite reduziert werden, das senkt die Futterverschmutzung“, ist von Niebelschütz überzeugt.
Das Mähwerk ist dabei mit 4 m relativ schmal. „Das passt gut zur Leistung unserer Welger AP 730 Hochdruckpresse“, so der Praktiker. Für Luzerne steht außerdem ein 4,57 m breites Haspel-Schneidwerk auf dem Hof.
Damit die Heuwerbekette diesen Vorteil in Zukunft komplett ausspielen kann, hat er einen Trommelheuwender bei Wayne Vogel von Vogel Engineering (profi 7/2022) in den USA in Auftrag gegeben, der allerdings erst noch gebaut und geliefert werden muss. „Aktuell arbeiten wir mit einem Lely-Wender. Durch die Hakenzinken und die Schnitthöhe von 12 bis 15 cm bekommen wir so bereits niedrige Rohasche-Anteile hin.“
Das Schwaden wird mit den MacDon-Maschinen erledigt. „Mein Vater wollte schon länger in einen Bandschwader investieren, mich hat die aufwändige Technik und der hohe Preis eher abgeschreckt“, erinnert sich der Betriebsleiter. „Nach einer Vorführung eines gezogenen ROC 730 RT hat sich meine Meinung schnell geändert.“ Vor allem die variable Schwadablage überzeugte. Dobimar von Niebelschütz trat daher mit dem Wunsch einer Frontanbaumaschine direkt an den italienischen Hersteller heran.
„Heraus kam ein Prototyp“, hält er fest. „Die Arbeit mit ROC funktioniert prima.“ Für von Niebelschütz spricht auch das besonders gleichmäßige Schwad für den Einsatz des Bandschwaders: „Das ist für uns extrem wichtig, da die Ballen möglichst gleichmäßig sein müssen. Außerdem können feucht gewordene Schwaden mit dem Bandschwader sehr gut gewendet werden“, nennt er einen weiteren Vorteil der Maschine mit 8 m Arbeitsbreite.
Einen gravierenden Nachteil haben die eingesetzten Maschinen: Für den Straßentransport sind sie zu breit und können daher nur auf den arrondierten Flächen des Betriebes eingesetzt werden.
Auf dem Feld wird das Futter in herkömmliche Hochdruckballen gepresst und aktuell noch händisch durch Saisonarbeitskräfte auf Flachwagen gestapelt. Auf dem Hof verpackt der Betrieb das Horsehage-Futter für den Versand in standardisierte Pakete. Dazu hat Familie von Niebelschütz eine Verpackungsanlage in einer Scheune installiert. Pro Wagen kommen rund drei bis vier Tonnen vom Feld, wobei jeder Ballen möglichst exakt 22 kg wiegen sollte.
Zwei hydraulische Pressen verdichten die Ballen anschließend nach, woraufhin sie in Versandtüten geschoben und luftdicht verschweißt werden. „Das ist wichtig, da bei den Heulage-Produkten die Feuchte höher ist als bei reinem Heu“, erklärt Dobimar von Niebelschütz. „In den Tüten ist ein Nachgären problemlos möglich.“ Anschließend werden die Pakete noch einmal zur Kontrolle gewogen und für den Versand auf Paletten gestapelt. „Aktuell streben wir den Versand von 1 000 t Heulage pro Jahr an“, hält der Heu-Spezialist fest. „Wenn es richtig gut läuft, schaffen wir rund 50 Paletten pro Tag.“
Neuste Investition: ein Ballensammelwagen für Hochdruckballen vom amerikanischen Hersteller Freeman. Der Wagen kann 56 Ballen automatisch sammeln und in einem Stapel ablegen. Ob der Wagen die Erwartungen erfüllt, muss sich erst noch zeigen. Problematisch ist auch hier die Überbreite, weshalb ein Einsatz nur auf den arrondierten Flächen rund um den Hof möglich ist.
Trotzdem waren vor allem die Schlagkraft und der geringe Personaleinsatz ausschlaggebend für den Kauf. Denn in Zukunft soll die Heulageproduktion weiter ausgebaut werden: „Unser Ziel ist es, die umgesetzte Tonnage weiter zu erhöhen“, blickt Dobimar von Niebelschütz optimistisch in die Zukunft. „Und das bei bester Qualität — Wildschweinen und Hundekot zum Trotz.“
Der englische Pferdehalter Mark Westaway machte sich in den 1970er Jahren zunehmend Gedanken über den Husten seiner Pferde. Als Ursache konnte er den Staub im Futterheu ausmachen — die Idee für eine möglichst staubfreie Heulage war geboren. Ryegrass-Horsehage war das ursprüngliche staubfreie Futter, bald kamen High fibre Horsehage, Timothy Horsehage und Alfalfa Horsehage hinzu — alle als Futter ohne zusätzliche Geschmacksstoffe und mit niedrigem Zuckergehalt. 1983 bekam das Futter das königliche Siegel verliehen, nachdem ein Pferd der Queen (Burma) mit Horsehage-Heulage gefüttert wurde und sich damit seine Atemprobleme erledigten. Seit 1984 ist Horsehage zudem offizieller Lieferant von staubfreiem Futter für das British Equestrian Team und für die Horse of the Year Show (HOYS). Das Futter ist über das Feed Materials Assurance Scheme (FEMAS) zertifiziert, das Futtersicherheit, gleichbleibende Qualität und eine vollständige Rückverfolgbarkeit sichert.