Youngtimer
|
Generationenvergleich: 50 Jahre Jaguar
Generationenvergleich: 50 Jahre Jaguar
1973 stellte Claas den ersten selbstfahrenden Häcksler unter der Bezeichnung Jaguar vor. Zum 50-jährigen Geburtstag ging es in der vergangenen Ernte hoch her.
Herbststimmung: Ein toller Maisbestand — noch! Denn das Dröhnen der gefräßigen Raubkatzen, die sich durch die Maiswand fressen ist deutlich: Der Mais, der zittert, hat er gleich fünf Jaguar gewittert.
Fünf Raubkatzen
Im Rahmen eines Großevents feierte Claas im vergangenen Jahr den 50. Geburtstag des Feldhäckslers Jaguar. Mehr als 23 selbstfahrende, angebaute oder gezogene Häcksler und rund 60 Abfahrgespanne waren vor Ort und zu großen Teilen auch im Einsatz. Vom ersten Jaguar 60 SF von 1973 bis hin zum aktuellen Claas Jaguar 990 Terra Trac war alles vertreten. Wir konnten einen Tag vor der Veranstaltung fünf Meilensteine der Jaguar-Geschichte genauer unter die Lupe nehmen.
Den Alterspräsidenten machte dabei ein Jaguar 60 SF. Der Selbstfahrer steckte damals noch in den Kinderschuhen — gerade erst hatten selbstfahrende Mähdrescher ihren Siegeszug angetreten. Claas bediente sich beim 60 SF sowohl an den Komponenten des bereits bestehenden gezogenen Feldhäckslers Claas Jaguar 60 als auch bei den selbstfahrenden Mähdreschern aus eigenem Hause. Ein quer eingebauter Sechszylinder-Motor von Perkins mit 88 kW/120 PS diente als Kraftquelle — wie auch im Mähdrescher Dominator 80.
Jetzt bestellen und weiterlesen!
profi - Das Fachmagazin für Landtechnik
Upgrade für Heftleser
Heftleser? Jetzt günstig upgraden!
27,00 EUR
/
Jahr
Profitieren Sie vom nahtlosen Überang zwischen Heft und Website
Zugang zu sämtlichen Inhalten auf profi.de
Zugriff auf alle profi Ausgaben und Sonderhefte (Digital)
Beim ersten Jaguar-Selbstfahrer hatte der Kunde noch die Wahl: Mit oder ohne Kabine? Im Freien direkt über bzw. neben den Häckselaggregaten zu sitzen — heute unvorstellbar. Wer sich zumindest vor Wind und Wetter schützen wollte, der konnte aber bereits die Kabine vom Claas Consul Mähdrescher bekommen — mit viel Glas, aber wenig Platz. Vom gleichen Typ wurde auch der Fahrerstand des Häckslers samt der rechten „Bedienkonsole“ übernommen. Als Vorsätze für den 60 SF standen entweder eine 1,82 m breite Pickup oder ein zweireihiges Maisgebiss zur Verfügung.
Mit rund 500 verkauften Exemplaren wird der 60 SF auf einem noch kleinen Markt bereits zum Erfolg. Im Prospekt beworben wurde ergänzend übrigens noch das Beschickungsgebläse Claas Presto für bis zu 25 m Hochsilos…
Erwachsenwerden
1983 legt Claas mit der komplett neuen Baureihe Jaguar 600 nach, die sowohl technisch als auch mit ihrem neuen Design Maßstäbe setzt. Bei der Futterqualität macht sich vor allem der neue Corncracker im Maiseinsatz bemerkbar: Die Körner werden angeschlagen und können so von den Tieren besser verdaut werden. Dem höheren Durchsatz der breiteren Häckseltrommel wird mit einem stärkeren Wurfgebläse Rechnung getragen. Ein Highlight ist auch die neue Kabine: Sie stammt vom Dominator-Mähdrescher und bietet mehr Platz, eine bessere Sicht und eine aus heutiger Sicht immer noch laute, aber im Vergleich zum Vorgänger deutlich geräuschreduzierte Arbeitsumgebung. Die Kabine ist zudem von der linken Seite in die Mitte gewandert — für einen bequemeren Einstieg und eine bessere Übersicht. Und dass der Fahrer seinen komfortablen Arbeitsplatz nicht mehr so häufig verlassen muss, dafür sorgt der integrierte Metalldetektor. Für schwierige Erntebedingungen können die Häcksler optional jetzt auch mit Allrad geordert werden.
1994 dann die nächste Stufe des Jaguar-Feuerwerks: Mit der Baureihe Claas Jaguar 800 kommt ein komplett neu entwickelter Feldhäcksler auf den Markt, der oberhalb der 600er Baureihe angesiedelt ist und bis zu 160 t/h Durchsatz verspricht. Mehr Leistung, eine neue Kabine mit einer großen, gewölbten Frontscheibe und bis zu achtreihige Erntevorsätze für Mais heben den Jaguar in eine neue Dimension. Das Topmodell der Baureihe, der Jaguar 880 ist mit 354 kW/481 PS bei seiner Vorstellung sogar der stärkste Feldhäcksler der Welt, und der 10.000ste Jaguar rollt aus den Werkshallen in Harsewinkel.
Die Häckseltrommel wird über ein Powerband angetrieben, der Mercedes-Motor ist dazu quer hinter der Hinterachse eingebaut. Der Corncracker kann für den Graseinsatz auf Schienen in den großzügigen Wartungsraum zwischen Motor und Häckselaggregat geschoben werden — ein echter Komfortgewinn, auch bei der Beseitigung von Blockaden. An unserem Vergleich nimmt mit dem Jaguar 820 von Hartmut Diekmann das kleinste Modell der Baureihe teil: Statt einem Achtzylinder kommt hier „nur“ ein Sechszylinder von Mercedes-Benz zum Einsatz. Dafür hat der Häcksler aber bereits eine wichtige Neuerung an der Front, die erst ein Jahr nach Einführung der 800er Modelle vorgestellt wurde: Mit dem 4,50 m breiten RU 450 präsentierte Claas den ersten eigenen reihenunabhängigen Maiserntevorsatz — heute baut Claas die Orbis-Vorsätze für bis zu 12 Reihen bzw. mit 9 m Arbeitsbreite.
Damals 2003 gab es einen weiteren Meilenstein: In der Speedstar-Ausführung ist der Jaguar der erste Feldhäcksler, der mit einem elektronisch gesteuerten Fahrantrieb 40 km/h Transportgeschwindigkeit erreicht. Im Jahr 2004 fertigt Claas den 20.000sten Jaguar.
2008 präsentiert Claas die komplett neue Häckslerbaureihe Jaguar 900. Das Topmodell der neuen Jaguar-Generation leistet satte 610 kW/830 PS und wird von einem Doppelmotorkonzept angetrieben: Zwei Sechszylinder OM 460 LA von Mercedes-Benz werden über ein Powerband gekoppelt, je nach Leistungsbedarf wird der zweite Motor variabel zugeschaltet.
Aber auch der Claas Jaguar 970 in unserem Vergleich braucht sich bei der Leistung nicht zu verstecken: 570 kW/775 PS aus einem MAN-Sechszylinder sorgen für mächtig Dampf. Aber nicht nur die Leistung steigert sich, der Jaguar wird auch intelligenter. So passt die Motorsteuerung Dynamic Power die Motorkennlinie an den jeweiligen Einsatz an — für mehr Laufruhe, weniger Verschleiß und einen niedrigen Dieselverbrauch. Ein weiteres Beispiel ist das Auto-Fill-System: Eine Kamera erfasst den Füllzustand des nebenherfahrenden Abfuhrgespannes und steuert den Turm bzw. Auswurfkrümmer automatisch. Das macht die Arbeit entspannter — genauso wie die neue, größere Kabine mit noch mehr Glas. In diese haben ab 2021 auch die Automatikfunktionen des Cemos-Systems Einzug gehalten, die den Fahrer sowohl bei der Einstellung der Maschine als auch im Einsatz unterstützen.
Der Jaguar als „Rauptier“
Interessanterweise spricht Claas im Prospekt des 60 SF von einer großvolumigen Bereifung — beim Blick auf die heutigen Selbstfahrer sicher etwas übertrieben. Denn inzwischen sind die Räder deutlich gewachsen, und für die aktuellen Modelle kann der Kunde eine Reifendruckregelanlage an der Vorderachse ordern. Noch einen Schritt weiter ging Claas mit der Vorstellung der Modelle Jaguar 960 und 990 Terra Trac, die auf einem komplett integrierten Halbraupenfahrwerk rollen. Dazu sind die Maschinen mit einem über einen Meter längerem Chassis ausgestattet, um Platz für die Terra Trac-Laufwerke zu schaffen. Trotz eines Mehrgewichts von rund 4 t gegenüber der Radvariante bringt die Terra Trac-Maschine durch die größere Aufstandsfläche eine um 50 % niedrigere Bodenbelastung mit sich — bei 3 m Außenbreite! Optional sind auch breite Bänder erhältlich, die diesen Effekt weiter verstärken. Dank einer Federung der Raupenlaufwerke ist der Jaguar 990 TT mit 40 km/h auf der Straße flott unterwegs.
Für eine gute Silagequalität ist eine kurze und möglichst gleichmäßige Schnittlänge wichtig. Die Häckseltrommel avanciert damit zum Herzstück der Maschinen. Das Grundprinzip hat sich dabei kaum verändert: Einzugs- und Vorpresswalzen führen das Material der Messertrommel zu, die das Futter zerkleinert. Während sich der Trommeldurchmesser seit dem Jaguar 60 SF mit 630 mm bis zum heutigen Topmodell nicht verändert hat, ist die Breite gewachsen. 1973 genügten noch 420 mm Breite, um zwei bis vier Reihen Mais durch die Maschine zu bekommen. Bei 4 mm gab Claas im Silomais eine Leistung von 70 t/h für den Jaguar 60 SF an.
Inzwischen müssen zwölf Reihen von den aktuellen Jaguar-Modellen verarbeitet werden — bei höherer Fahrgeschwindigkeit. Claas spricht von einem Durchsatz von bis zu deutlich über 400 t/h — eine Steigerung um rund 600 %! Klar, dass die Trommel da mehr können muss. Bei gleichem Durchmesser ist sie rund 330 mm breiter als beim Urahn, dem Jaguar 60 SF. Zudem wurden Vorpressung und Schnittfrequenz mit den Jaguar-Generationen kontinuierlich erhöht. Mit der Einführung der 600er Jaguar setzt Claas auch auf eine Messertrommel mit V-förmiger Messeranordnung, die bis heute Bestand hat. Mit der 900er Baureihe ab 2008 führt Claas die V-Max-Häckseltrommel ein, die mit schaufelförmigen Messern ausgestattet ist. Apropos Schaufeln: Der Jaguar 60 SF beförderte das Erntegut noch ohne Wurfgebläse auf das Transportfahrzeug — nur durch die Schleuderwirkung der Häckseltrommel. Bei der heutigen Überladeweite des Jaguar 990 TT undenkbar. In Deutschland zeitweise eine Modeerscheinung, aber nach wie vor mit einem festen Kernmarkt, ist das seit 2015 erhältliche Shredlage-Häckselaggregat mit dem MCC-Shredlage-Cracker — eine Technik aus den USA. Weniger mit dem Zerkleinern des Erntegutes als vielmehr mit dem Ergebnis setzt sich die 2012 eingeführte NIR-Sensorik auseinander: Sie erlaubt eine teilflächenspezifische Erfassung von Trockenmasse und Inhaltsstoffen wie Rohasche, Rohprotein und Rohzucker.
Kabinenkunde
Auch wenn wir bei den Meilensteinen jeweils schon kurz auf die Kabinen eingegangen sind, an dieser Stelle noch ein paar Worte zum Arbeitsplatz auf dem Claas Jaguar. Claas bediente sich dabei immer im eigenen Programm — bei den Mähdreschern. Im Jaguar 60 SF ging es im direkten Vergleich äußerst spartanisch zu: Keine Klimaanlage, ein ungefederter, nicht verstellbarer Sitz, kaum Geräuschdämmung und — neben der „Bedienkonsole“ rechts — viele verstreute Hebel. Denn die meisten Einstellungen mussten noch mechanisch vorgenommen werden — ein echter Knochenjob. Gleichzeitig musste der Fahrer seine Maschine gut kennen — außer einer Anzeige zu Öldruck und Temperatur sowie einer Tankanzeige gab es keine Unterstützung bei der Überwachung der Maschine.
Heute nimmt der Fahrer in einem deutlich angenehmeren und leiseren Arbeitsumfeld Platz: auf einem luftgefederten Sitz, mit viel Beinfreiheit und durch die Klimaautomatik wohltemperiert. Zwar ersetzt auch das nicht das Gespür des Fahrers für „seine“ Maschine — über das große Bedienterminal ist er aber bestens über die wichtigen Parameter des Jaguar informiert. Die Bedienung ist fast ausschließlich elektronisch, und clevere Automatikfunktionen unterstützen den Fahrer bei der Arbeit. Das ist auch gut so — denn bei einer Leistung von mehr als 400 t/h und Anschaffungskosten von insgesamt von mehr als einer Millionen Euro für einen Jaguar 990 TT muss die Raubkatze von heute so nah wie möglich am Optimum laufen — immer!
Wir halten fest
Unser Generationenvergleich zeigt, dass sich vor allem Leistung und Bedienkomfort erheblich gesteigert haben. Das hat seinen Preis: Sowohl beim Gewicht als auch beim Anschaffungspreis hat der Jaguar zugelegt: Aktuell steht allein das 9 m breite Orbis-Maisgebiss mit über 180.000 Euro in der Preisliste — ohne Häcksler! Mit über 45.000 gebauten Feldhäckslern ist die Jaguar-Story für Claas eine echte, globale Erfolgsgeschichte. Den 50sten Geburtstag der maishungrigen Raubkatze haben die Harsewinkler mit dem großen Feldtag gebührend gefeiert. Übrigens: Seit dem Claas Jaguar 695 SL Mega haben wir auch über jedes neue Modell in profi berichtet — werfen Sie doch mal einen Blick in unser Archiv auf profi.de.