Gut zu wissen
- Das Lenksystem AGOpenGPS basiert auf einer freien Windows-Software.
- Das Preis-Leistungs-Verhältnis ist sensationell.
- Die Ansprüche an die handwerklichen Fertigkeiten sind erheblich.
- Inzwischen gibt es fertige Bauteilgruppen zu kaufen.
- Wo kein Mobilfunknetz ist, braucht es eine eigene Referenzstation, die etwa 700 Euro kostet.
Geht nicht gibt’s nicht“, sagte sich 2015 der Farmer Brian Tischler aus Mannville in der kanadischen Provinz Alberta. Parallel zum spanischen Cerea (profi 1/2018, Seite 80) programmierte er eine zweite Windows-basierte Lenksoftware. Heute ist „AGOpenGPS“ als open-source-Programm frei verfügbar.
Einer der ersten Anwender im deutschsprachigen Raum war Andreas Ortner aus Ragnitz in der Steiermark (Österreich). Gemeinsam mit Brian Tischler und Mitstreitern in Österreich, Deutschland und der Schweiz entwickelte er ein System, mit dem handwerklich versierte Landwirte sich für nur 1 500 Euro eine voll funktionsfähige RTK-Lenkung bauen können.
Für das AGOpenGPS benötigt man einen mobilen Windows-Computer, der mit einer stabilen Halterung als Terminal in der Kabine installiert wird. Der Rechner sollte über einen Touchscreen verfügen. Die Lenksoftware kann unter github.com/farmerbriantee/AgOpenGPS geladen werden.
Etwas für Technik-Freaks
Weiterhin ist ein GNSS-Empfänger nötig, am besten ein Zweifrequenz-Empfänger, der RTK-tauglich ist. Die meisten Anwender benutzen derzeit einen Ublox ZED-F9P, der rund 250 Euro kostet. Für den Weg ins Internet zum Empfang eines Korrektursignals lässt sich ein Handy als Hotspot nutzen.
Für die Halterung, das Tablet und den GNSS-Empfänger können Sie etwa 700 Euro kalkulieren. Damit verfügen Sie über eine „Einstiegsdroge“, die als hochgenaue Parallelfahranzeige sowie als optische Hilfe zum Schalten von Teilbreiten fungiert. Bereits in dieser Version lassen sich Feldgrenzen importieren und Felder anlegen.
Um vollautomatisch lenken zu können, benötigen Sie weitere Komponenten. Dies sind ein Lenkwinkelsensor, ein elektrischer Lenkmotor sowie eine Leiterplatte für eine Reihe elektronischer und elektrischer Bauteile. Diese Komponenten schlagen noch einmal mit rund 500 Euro zu Buche. Welche das sind, wie Sie diese zusammenbauen und verlöten, erfahren Sie unter
agopengps.discourse.group,
autosteer.cc und in der Telegram-Gruppe AGOpenGPS-Nutzer.
Eine aktive Community
Weitere Anleitungen und Tutorials finden Sie bei YouTube. Besonders zu nennen sind die Videos von Sven Mayer aus Bad Neualbenreuth in der Oberpfalz und Andreas Pfister aus Uster im Kanton Zürich (Schweiz). Die beiden erklären sowohl die Funktionen von AGOpenGPS als auch die Montage nebst Fallstricken sowie die Einsatzmöglichkeiten.
Wie bei Cerea ist die Community nicht kommerziell, jeder hilft jedem mit seinen Möglichkeiten, Erfahrungen und Stärken. So haben Andreas Ortner und Mattias Hammer aus Oberpfaffenhofen eine Arduino-Software entwickelt, die die Signale von zwei Ublox ZED-F9P-Empfängern jeweils links und rechts an der Kabine verarbeiten kann. Dadurch erübrigt sich der sonst für Hanglagen notwendige Neigungssensor.
Neuland für die meisten Landwirte ist das Auflöten der Komponenten auf die Leiterplatte. Um diese Hürde zu nehmen, hat Gorm Rose aus Paderborn (Ostwestfalen) eine Platine für den Einsatz von AGOpenGPS entwickelt. Er fand in China einen Hersteller, bei dem die Landwirte die fertige Platine kaufen können (
agopengps.discourse.group).
Noch einen Schritt weiter ist jetzt Andreas Ortner gegangen. Er bietet in seinem Internetshop (
autosteer.cc) verschiedene Kits an, bei denen keine Montagen und Einstellungen im Bereich der elektronischen Komponenten mehr nötig sind. Außerdem gibt es bei ihm vom Lenkmotor bis zum GNSS-Empfänger alle nötigen Komponenten.
Wenn Sie preisbewusst eingekauft und alles selbst montiert haben, sind Sie mit 1 500 Euro dabei. Wer ein hochwertiges Tablet, eine superstabile Halterung und vormontierte Komponenten bevorzugt, bleibt unter 2 000 Euro. Und egal, wo und in welchem vormontierten Zustand Sie die Komponenten für das AGOpenGPS kaufen: Planen Sie für die Montage ausreichend Zeit ein. „Eine Woche ist schon sportlich“, sagt Sven Mayer.
Wichtig zu wissen ist jedoch auch Folgendes: Für ein AGOpenGPS-Lenksystem gibt es weder einen Kundendienst noch eine Gewährleistung oder Garantie. Und bei einem Eingriff in die Lenkhydraulik ist eine Einzelabnahme beim TÜV nötig, sonst verliert der Traktor seine Betriebserlaubnis.
AGOpenGPS kann fast alles
Dies sind die Funktionen von AGOpenGPS im Überblick:
- Optische Parallelfahranzeige im A-B- oder Konturmodus
- Automatisch parallel fahren nach A-B-Linie oder im Konturmodus
- Vollautomatisch wenden, mit Vorwahl der Richtung und der nächsten Spur
- Optische Anzeige von bis zu zwölf Teilbreiten zum manuellen Schalten zum Beispiel der Feldspritze
- Automatische Teilbreitenschaltung
- Erfassung der Feldgrenze durch Umrunden oder Import aus GIS-Programm
- Anlegen von Vorgewenden sowie mehreren Spurmustern in einem Feld
- Anzeige bearbeiteter Areale mit Flächengröße sowie verbleibender Fläche
Michael und Christoph Hellermann aus Lette in Westfalen haben ihren MB-trac 700 mit AGOpenGPS aufgerüstet. Dabei spielte ihnen in die Karten, dass das RTK-Signal in Nordrhein-Westfalen frei verfügbar ist. Sie gehören zu denjenigen, die das Potenzial von AGOpenGPS annähernd ausschöpfen.
Perfektes Spurmanagement
Mit dem freien Programm „QGIS“ hat Michael Hellermann alle Schlag- und Flurstückgrenzen des Betriebs erfasst und diese ins AGOpenGPS importiert. Dazu ist eine gleiche AGOpenGPS-Version auf seinem Büro-PC installiert. Darin plant er für alle Arbeiten die Spurmuster vor. Hier kann er ebenfalls die Vorgewende anlegen und Hindernisse eintragen.
Die Spurmuster speichert er in seinem betrieblichen Computernetz. Über einen VPN-Tunnel kann er mit dem Traktor-Tablet auf diese Dateien zugreifen und dort auf der Festplatte speichern.
Christoph und Michael Hellermann bewirtschaften etwa 60 ha nebenberuflich. Das Datenmanagement und ein kommerzielles Lenksystem würde jeden Kostenrahmen bei ihnen sprengen. Beide haben Spaß an der Technik und das nötige Know-how, um sowohl einen PC, einen Lötkolben und ein Schweißgerät zu bedienen. Damit stehen sie beispielhaft für viele AGOpenGPS-Anwender, die keine fünfstelligen Beträge in eine Technik investieren können, die es für unter 2 000 Euro gibt.
Die öffentlichen RTK-Dienste
Seit 1. Februar ist der Korrekturdienst Apos in Österreich landesweit für die Landwirtschaft freigeschaltet. In Deutschland gibt es den Dienst Sapos kostenfrei oder für maximal 150 Euro pro Jahr, eine Ausnahme ist Mecklenburg-Vorpommern. In der Schweiz kostet eine Jahreslizenz des Dienstes Swipos derzeit noch 2 000 Franken, es gibt Testlizenzen.
Wichtige Seiten zu AGOpenGPS
Das bleibt festzuhalten
AGOpenGPS ist die Basis für ein sehr preiswertes RTK-Lenksystem. Wie üblich bei Community-Projekten, benötigen Sie Zeit, um sich einzulesen und offene Fragen in den Chat-Gruppen zu klären. Danach lässt sich genau das System zusammenstellen, das am besten passt.
Mit dem Selbstbau entsteht das Verständnis, wie AGOpenGPS funktioniert, so dass sich Probleme später selbst lösen lassen. Inzwischen gibt es so viele Nutzer, dass sich in fast jeder Region Hilfe über die Telegram-Gruppe finden lässt. Belohnt wird der Traktorfahrer mit einer automatischen Lenkung, die den teuren Systemen kaum nachsteht.