Boehlerit zählt in der Hartmetallbranche zum alten Eisen mit Pioniergeist. In der Landwirtschaft ist das Unternehmen seit zehn Jahren aktiv. Unser Einblick in die Produktion zeigt, wie komplex die Fertigung von hartmetallbestückten Scharen ist.
In nahezu jeder Preisliste für Bodenbearbeitungsgeräte finden sich heute aufpreispflichtige Hartmetallschare. Doch wie entstehen diese eigentlich, und warum sind sie um ein Vielfaches teurer als klassische Schare? Und woraus besteht das Material, das für längere Standzeiten und gleichmäßigere Arbeitsbilder sorgt?
Diesen Fragen sind wir bei einem Werksbesuch im österreichischen Kapfenberg nachgegangen. Dort hat uns Boehlerit einen Einblick in die aufwändige Fertigung von Hartmetallscharen gegeben.
Doch vorab: Wer ist eigentlich die in der Landtechnik noch wenig bekannte Firma Boehlerit? Ein etwa 800 Mitarbeiter starkes Unternehmen, das sich an vier Standorten in Österreich, Deutschland und in der Türkei auf die Entwicklung und Verarbeitung von Hartmetallen spezialisiert hat. Vertriebsstandorte besitzt Boehlerit in rund einem Dutzend Länder weltweit. Der Mutterkonzern ist die Brucklacher Gruppe, zu denen auch die Firmen Leitz und Bilz gehören. Insgesamt beschäftigt der Firmenverbund rund 4.000 Mitarbeiter.
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In nahezu jeder Preisliste für Bodenbearbeitungsgeräte finden sich heute aufpreispflichtige Hartmetallschare. Doch wie entstehen diese eigentlich, und warum sind sie um ein Vielfaches teurer als klassische Schare? Und woraus besteht das Material, das für längere Standzeiten und gleichmäßigere Arbeitsbilder sorgt?
Diesen Fragen sind wir bei einem Werksbesuch im österreichischen Kapfenberg nachgegangen. Dort hat uns Boehlerit einen Einblick in die aufwändige Fertigung von Hartmetallscharen gegeben.
Doch vorab: Wer ist eigentlich die in der Landtechnik noch wenig bekannte Firma Boehlerit? Ein etwa 800 Mitarbeiter starkes Unternehmen, das sich an vier Standorten in Österreich, Deutschland und in der Türkei auf die Entwicklung und Verarbeitung von Hartmetallen spezialisiert hat. Vertriebsstandorte besitzt Boehlerit in rund einem Dutzend Länder weltweit. Der Mutterkonzern ist die Brucklacher Gruppe, zu denen auch die Firmen Leitz und Bilz gehören. Insgesamt beschäftigt der Firmenverbund rund 4.000 Mitarbeiter.
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Während Boehlerit erst seit 2013 in der Landtechnik aktiv ist bzw. die ersten Produkte sogar erst seit 2017 vermarktet, beruht das Wissen für die Hartmetall-Entwicklung und -Verarbeitung auf einer 90-jährigen Firmengeschichte. Spezialisiert ist das Unternehmen auf Komponenten und Werkzeuge für die Standard- und Schwerzerspanung sowie für die Holz- und Metallverarbeitung.
Weitere Schwerpunkte sind die Entwicklung und Fertigung von Verschleißmaterialien und Halbzeugen für zahlreiche Industriezweige. Boehlerit konzeptioniert und fertigt sowohl Fräsköpfe zur Fertigung von Kurbelwellen für Schiffsmotoren und Wendeschneidplatten z. B. für Drehmaschinen als auch feine Plättchen für medizinische Handwerkzeuge.
Aber was genau ist Hartmetall? Kurz lautet die Antwort: ein technisch verarbeiteter Verbundwerkstoff mit einer je nach Verwendungszweck spezifischen Zusammensetzung. In der Landtechnik verbreitet sind Verbindungen aus Wolframcarbid und Kobalt.
Wolframcarbid, Kobalt & Co.
Wolframcarbid verleiht dem späteren Werkstoff die Härte, Kobalt mit geringerem Schmelzpunkt sorgt für die Stützstruktur. Und was genau ist Wolframcarbid? Eine Legierung aus Wolfram und Kohlenstoff. Gewonnen werden Komponenten wie Wolfram und Kobalt aus Erzen.
Statt Kobalt wird zuweilen auch Eisen oder Nickel genutzt. Weitere Partner können Titan-, Tantal- oder Niobcarbid sein. Je nach Rezeptur erhalten die daraus produzierten Werkstoffe individuelle Härte-, Biege- und Brucheigenschaften. Hinzu kommen Anforderungen an die Weiterverarbeitung. Beim Grubberschar z. B. werden die Hartmetallplättchen auf einen Grundkörper aus Stahl aufgelötet. Hierbei sind sowohl verschiedene Materialausdehnungen sowie die Verbindung mit dem Lötmittel zu beachten.
Kleiner Fakt am Rande: Hartmetall gibt es seit über 100 Jahren. Entwickelt wurde es zum Ziehen von Wolfram-Glühfäden für Glühlampen, was zuvor mit Diamanten geschah. Daher rührt auch der Markenname Widia — Abkürzung für „wie Diamant“.
Zukunftsthema: Recycling
Wolfram und Kobalt sind teuer in der Gewinnung, nicht unbedenklich für die Gesundheit und in vielen Wirtschaftszweigen begehrte Rohstoffe. Kobalt beispielsweise wird zunehmend für die Batterieproduktion von Elektrofahrzeugen nachgefragt. Zudem gelten die Abraumbedingungen im Kongo oder in China als fragwürdig.
Aus all diesen Gründen setzt Boehlerit zunehmend auf Hartmetallrecycling. Die einzelnen Komponenten lassen sich vollständig trennen und wiederverwenden. Darum verweist Boehlerit auf eine möglichst gesonderte Verwertung von klassischen Stahl- und Hartmetallkomponenten. Für Werkstätten gibt es zum Beispiel Rücknahmekonzepte.
Unterschiedliche Formen
Im Programm hat Boehlerit verschiedene Hartmetallschare: Unter anderem Hack- und Gänsefußschare sowie Modelle für Universalgrubber oder Tiefenlockerer. Der Hersteller tritt einerseits als Erstausrüster auf, andererseits gibt es die Komponenten auch im Zubehör. Vertrieben werden die Schare derzeit über eigene Vertriebsgesellschaften sowie über Großhandelspartner. Für alle am Markt vorhandenen Grindel und Zinken gibt es die Schare allerdings noch nicht. Teilweise arbeitet der Hersteller mit Adapteraufnahmen, um bereits vorhandene Grundschare an unterschiedlichen Geräten zu montieren. Eine Übersicht der zahlreichen Möglichkeiten hält Boehlerit auf Nachfrage bereit.
Aufwändige Fertigung
Gliedern lässt sich die Produktion der Hartmetallschare in fünf Schritte: Vorbereitung des Grundkörpers, Bearbeitung der Plattensitze, Herstellung der Hartmetallplättchen sowie Auflöten und Farbgebung. Boehlerit kooperiert für einzelne Produktionsschritte mit Fachbetrieben in umliegenden Nachbarländern. Das spezifische Hartmetall fertigt das Unternehmen hingegen selbst.
Die unterschiedlichen Grundkörper lässt Boehlerit in verschiedenen Schmiedebetrieben verarbeiten. Zur Herstellung von Gänsefußscharen erhalten die Betriebe zugekaufte Laserzuschnitte, die sie nach Vorgaben von Boehlerit weiterverarbeiten. Hierzu zählen unter anderem für jedes Schar einzelne Prägevorgänge mit den jeweiligen Chargennummern. Für diesen Prozess wird jedes Schar per Hand in eine Presse gelegt und anschließend wieder entnommen.
Danach folgt die Umformung. Gänsefußschare mit einer Stärke bis 5 mm im Grundkörper werden kaltverformt, stärkere Varianten zuvor auf 700 °C erwärmt — auch dieser Vorgang wird einzeln per Hand ausgeführt. Parallel schweißen oder biegen Mitarbeiter Anbauteile wie die Stielaufnahmen, damit diese später am Grundkörper verschweißt werden können.
Anschließend lässt Boehlerit die Grundkörper härten. Hierzu werden die Schare auf rund 900 °C erhitzt und dann in ein ungeheiztes Ölbad getaucht. Da hierbei Spannungen im Werkstück entstehen können, folgt anschließend eine weitere Wärmebehandlung auf etwa 200 °C, um diese wieder zu lösen.
Nächster Schritt: Fräsen
Im nächsten Betrieb werden die Plättchensitze in die Grundkörper gefräst. Hierfür wird jedes Schar einzeln in eine Aufnahme eingespannt, und ein Automat fräst wenige Millimeter Material ab. Wichtig dabei ist die Präzision. Das Werkstück muss nicht nur passgenau geschmiedet, sondern auch perfekt in die Fräsaufnahme eingespannt sein, um Ungenauigkeiten zu vermeiden. Beim Gänsefußschar sind die Plättchensitze versetzt zueinander angeordnet, damit die Komponenten beim Verwinden des Scharkörpers oder beim Auftreffen auf einen Stein widerstandsfähiger sind.
Zurück zur Fertigung: Wie die Hartmetallbauteile entstehen, haben wir im Kasten „Vier Schritte der Hartmetallproduktion“ dargestellt, wobei sich einzelne Schritte im Detail unterscheiden — z. B. abhängig von der Form oder Materialstärke.
Letzter Schritt: Löten
Zusammen mit gefrästen Grundkörpern schickt Boehlerit die Hartmetallplättchen an einen Fachbetrieb für Lötarbeiten. Erst werden dort die Plättchensitze gereinigt und mit einem Flussmittel bestrichen. Danach platziert ein Mitarbeiter hauchdünne Lotplättchen und darauf die Hartmetallstücke.
Der Lötvorgang wird dann — zumindest bei den Gänsefußscharen — induktiv gestartet. Hierbei steigt die Temperatur je nach Verfahren auf bis zu 1.000 °C. Dabei wird der korrekte Plättchensitz kontrolliert und gegebenenfalls nachgebessert — ein routinierter Ablauf. Schlussendlich folgt eine Oberflächenreinigung mit einer anschließenden Pulverbeschichtung, ebenfalls per Hand.
Wir fassen zusammen
Boehlerit entwickelt und produziert Hartmetall-Komponenten. In die Landtechnik ist das Unternehmen vor gut zehn Jahren eingestiegen. Beim Blick hinter die Kulissen wird klar: Die Produktion ist aufwändig. In den nächsten Jahren werden weitere Komponenten folgen. Wir sind gespannt, wie sich das Unternehmen in dem harten Geschäft behaupten wird.
Schare weiterentwickelt
In der profi-Ausgabe 10/2021 haben wir unsere Erfahrungen eines Praxiseinsatzes von Boehlerit-Hackscharen veröffentlicht. In diesem Test zeigte sich, dass die Spitzen an den Stahlgrundkörpern unter ungünstigen Umständen abknicken. Darauf hat der Hersteller reagiert und die Schare zusätzlich stabilisiert.
Boehlerit nutzt etwa 70 bis 80 verschiedene Hartmetallsorten. Jede Sorte hat ihre eigene Rezeptur aus Haupt- und Hilfsbestandteilen. Hauptkomponenten sind z. B. Wolframcarbid und Kobalt, Nebenbestandteile unter anderem Wachse.
Schritt 1: Komponenten mischen
Vermengt werden die pulverförmigen Komponenten in geschlossenen Rührgefäßen. Zur Kühlung ist Ethanol beigefügt. Hartmetallkugeln verbessern den Mischvorgang. Nach dem Rühren wird die Masse in eine Sprühtrocknung gefördert. Darin bläst die Anlage die flüssige Mischung von unten durch eine Düse, während von oben heißer Stickstoff auf die Masse trifft. Folglich verdampft das Ethanol und es entstehen winzig kleine, trockene Kügelchen aus dem Komponentengemisch.
Schritt 2: Formgebung — zum Beispiel durch Matrizen
Um aus dem Granulat z. B. Plättchen oder Halbschalen herzustellen, folgen je nach gewünschter Geometrie unterschiedliche Verfahren zur Formgebung. Für die Hartmetall-Scharplättchen nutzt Boehlerit ein sogenanntes Matrizen-Pressverfahren. Verschleißschutz-Halbschalen für Striegelzinken werden hingegen in einem Extruderverfahren hergestellt. Je nach der Verarbeitungsvariante und den dafür benötigten Wachsanteilen sind die resultierenden Formteile anschließend brüchig wie Kreide oder weich wie Knete.
Beim Sintern werden die Formteile in Öfen erhitzt, um erst die Wachse zu verflüchtigen und später das Kobalt zu verflüssigen. Der Prozess dauert abhängig von der Hartmetallsorte bis zu 24 Stunden — teilweise in mehreren Durchgängen. Beim Erreichen von etwa 1.500 °C schmilzt das Kobalt, wodurch ein Großteil der Poren verloren geht. Wolframcarbid verändert seine Struktur dabei nicht, da dessen Schmelzpunkt erst bei 2.870 °C liegt.
Insgesamt schwindet beim Sintern etwa die Hälfte des Volumens — mit unterschiedlichen Ausprägungen in den drei Ebenen. Dazu trägt auch eine Druckbeaufschlagung mit verschiedenen Gasen zwischen 60 und 80 bar zum Ende des Sintervorgangs bei, der die Komponenten als Nebeneffekt langsam herunterkühlt.
Schritt 4: Nachbearbeiten
Je nach Verwendungszweck der Hartmetallbauteile folgen nach dem Sintern weitere Schritte. Die Verschleißteile für den Agrarsektor werden z. B. in einer großen Trommel trocken gereinigt, um anhaftende Grafitbestandteile zu entfernen. Denn diese hätten einen negativen Einfluss auf den späteren Lötvorgang. Ebenso denkbar wären mechanische Nachbearbeitungen oder Oberflächenbehandlungen — z. B. bei Werkstücken, die später einer extremen Hitzeentwicklung ausgesetzt sind.