Coole Legende
Liebe Leser, an dieser Stelle präsentieren wir Ihnen beliebte Beiträge aus dem profi-Archiv. Hier geht es um den MB trac 1800 intercooler. 1990 bekam Manfred Neunaber, bis 2019 Chefredakteur von profi, erstmals die Gelegenheit für einen Fahrbericht des heute legendären Flaggschiffs von Mercedes. Lesen Sie, warum damals insbesondere die Ausstattung mit Ladeluftkühlung so begeisterte, und warum der 1800er intercooler aus heutiger Sicht ein Schnäppchen wäre.
Von außen sieht der größte MB-trac nicht anders als die kleineren Typen 1300 t, 1400 t und 1600 t. Wenn der Schriftzug 1800 intercooler auf den Seitenteilen der Haube nicht wäre, könnte man fast keinen Unterschied erkennen.
Fast keinen. Denn vorne auf der Haube des Motors befindet sich kurz vor dem Frontgrill eine kleine Wölbung. Und diese zeigt, dass unter der Haube nicht allein der normale Sechszylinder-Motor OM 366 A mit Abgasturbolader arbeitet. Die Ausbuchtung hat ihre Ursache nämlich in den dicken Zuleitungen der Ladeluftkühlung, die dem MB-trac 1800 zu mehr Motorleistung verhelfen.
Die Ladeluftkühlung sorgt dafür, dass der Turbolader kühlere Luft ansaugt und in die Zylinder des Motors presst. So geht mehr Luft und Sauerstoff in den Brennraum. Damit kann mehr Kraftstoff eingespritzt werden, und die Motorleistung steigt. Darüber hinaus verbessert die Ladeluftkühlung den Wirkungsgrad des Motors.
Der Motor des 1800er MB-tracs ist baugleich mit dem Motor vom Typ 1600 t, dort leistet er 115 kW/156 PS. Durch die Ladeluftkühlung erhöhte sich die Leistung bei gleichem Hubraum und gleicher Drehzahl um 24 PS auf 132 kW/180 PS.
Das Verhalten des Motors in der Praxis ist überraschend. Wer nach dem Starten des Schleppers bei einem ersten Tritt aufs Gaspedal eine zwar kraftvolle, aber langsame Drehzahlerhöhung erwartet, wird sehr angenehm enttäuscht: Wie ein junges Pferd dreht der Motor geradezu spritzig mit und quittiert jedes Durchtreten des Gaspedals mit einer entsprechenden Beschleunigung. Auch auf der Straße ist neben dem angenehm weichen Fahrkornfort auch das zügige Beschleunigen des Motors zu spüren.
Das ändert sich erst unter Last. Wenn der MB-trac 1800 richtig schwer zu ziehen hat, wird er auch im Drehzahlverhalten ruhiger. Wobei man ihm das "Plateau, das ist der Bereich gleichmäßig hohen Drehmoments in der Motorcharakteristik, gut anmerken kann. Von der Nenndrehzahl bei 2400 Umdrehungen steigt das Drehmoment unter Last bis herunter zu 1 700 Umdrehungen um 22,8 % auf 645 Nm an. Bis zu 1 300 Motorumdrehungen bleibt dieser Wert dann etwa konstant.
Dieses Motorverhalten macht sich bei schweren Arbeiten gut bemerkbar. Der Motor reagiert auf schwere Stellen im Acker mit sinkender Drehzahl und zunehmender Kraft und ist auch bei 1 400 Touren noch bereit, nach dem Überwinden der Lastspitze wieder zu seiner Nenndrehzahl zurückzukehren. Der Nachteil: Wenn die Motordrehzahl um gut 40 % sinkt, verringert sich auch die Zapfwellendrehzahl. Vor der Kreiselegge wäre die Drehzahl der 1000er Zapfwelle hier um 40 % auf gut 640 Umdrehungen gesunken.
Die 24 PS höhere Motorleistung bei nur 30 kg mehr Gewicht verringert das Leistungsgewicht des 6350 kg schweren MB-trac 1800 intercooler deutlich: Mit 48 kg/kW ist er 7 kg pro kW leichter als der MB-trac 1600 t, der mit 115 kW /156 PS noch 55 kg/kW auf die Waage bringt. Ein niedrigeres Leistungsgewicht bringt mehr Leistung zum Ziehen von Lasten und verringert den Kraftstoffverbrauch.
Bei Bedarf kann der Schlepper durch Zusatzgewichte schwerer gemacht werden. Und das muss er auch: Wir hatten für unsere Probefahrten einen sechsscharigen Aufsattel-Drehpflug zur Verfügung. Dies war eine etwas unglückliche Kombination für den 1800er Intercooler. Mit zusätzlich 800 kg Frontgewicht zog er den Pflug im Heck dank Allradantrieb und Differentialsperre einwandfrei. An schweren kittigen Stellen im Akker ging der Motor aber mitunter in die Knie.
Hier hätten wir besser einen fünfscharigen Anbaupflug gewählt. Er ist zum einen in der Handhabung deutlich einfacher, weil man damit am Vorgewende einfacher zurücksetzen kann. Zum anderen hätten wir dann den MB-trac 1800 intercooler mit seiner neuen serienmäßigen Zylinderdruckregelung einsetzen können:
Dabei misst ein Sensor den Öldruck im Hubzylinder und zeigt ihn auf einem Manometer in der Kabine des Trac-Schleppers an. Über ein Drehrändel (Potentiometer) an der EHR kann der Fahrer einstellen, wieviel Gewicht vom Anbaugerät auf den Schlepper übertragen werden soll. Die EHR vergleicht dann diesen Sollwert mit dem Istwert im Hubzylinder und regelt den Pflug so nach, dass stets ein Teil des Gerätegewichtes auf die Hinterachse übertragen wird. Damit werden Zugkraft und Schlupf des MB-tracs optimiert, Bodenverdichtungen verringert und Dieseleinsparungen möglich. Mit dieser Ausstattung wäre das Pflügen sicher noch einfacher gewesen als mit dem etwas ungeschlachten Aufsattel-Pflug. Die Zylinderdruckregelung liefert die trac-technik übrigens auf Wunsch für alle Typen mit EHR.
Die dritte Neuheit des MB-trac 1800 ist der separate Ölkühler für das Zapfwellengetriebe. Der 1800er hat einen komplett getrennten Ölkreislauf für das Zapfwellengetriebe. Das Zapfwellenöl wird von einer Hydraulikpumpe permanent umgepumpt. Erreicht die Öltemperatur 80°C, schaltet sich ein elektrischer Lüfter unter der Kabine ein und bläst Frischluft durch den Zapfwellen-Ölkühler, der im Kabinenheck unter der Ladefläche montiert ist. Damit will die trac-technik den zusätzlich gut 20 PS Leistung an der Zapfwelle Rechnung tragen und die Einsatzsicherheit weiter erhöhen.
Die übrige Ausstattung des MB-trac 1800 intercooler ist im Vergleich zur bisherigen Baureihe unverändert. Einige sinnvolle Zusatzausstattungen fehlen allerdings in dieser Liste: die EHR (Mehrpreis laut Liste 4 300 DM ohne Mehrwertsteuer), die Fronthydraulik (Mehrpreis 5 300 DM) und die Frontzapfwelle (1 600 DM) kosten extra.
Das bleibt festzuhalten: Das Leistungsverhalten des MB-trac 1800 intercooler lässt spüren, dass hier 132 kW/180 PS unter der Haube arbeiten. Der ladeluftgekühlte Motor ist unbelastet spritzig, unter Last zeigt der Schlepper sein Durchzugsvermögen - allerdings bei gut 40 % Drehzahlabfall. Die Zylinderdruckregelung bringt Vorteile beim Einsatz von Anbaugeräten, das günstige Leistungsgewicht von nur 48 kg/kW kommt vor dem Aufsattelpflug nicht so zur Geltung. Das Interesse der Praxis - vor allem von Lohnunternehmern und Großbetrieben in Ost und West - an dem MB-trac 1800 intercooler ist beachtlich. Schon jetzt hat die trac-technik Lieferfristen von 3 bis 4 Monaten. Ob das nun "echte" Käufer eines neuen 1800er Tracs sind oder der 1800 bei den Kunden nur an die Stelle des geplanten neuen 1600er MB-tracs tritt: Das neue Flaggschiff trifft auf eine rege Nachfrage.