Motorentechnik
Aus profi 2/1992
Common-Rail, doppelte Turbolader und gestiegene Abgasvorschriften: Den Mitteldruck von damals als Richtwert für heutige Motoren zu nutzen, ist schwierig. Die Effizienz hat sich in jedem Fall erhöht, denn mittlerweile sind Mitteldrücke von über 18 bar möglich — und die Motoren halten trotzdem.
Wer sich mit Schleppermotoren schon mal beschäftigt hat, kennt die wichtigsten Leistungsdaten: Der Drehmomentanstieg eines modernen Motors sollte beispielsweise nicht unter 15 % liegen, und der Kraftstoffverbrauch sollte bei maximaler Motorleistung 240 g/kWh nicht übersteigen. Im Vergleich zu diesen Kriterien ist der Mitteldruck als Beurteilungsmerkmal wenig bekannt. Dabei lässt sich mit seiner Hilfe gut bestimmen, wie es um die Ausnutzung des Motors bestellt ist: liegt der Motor an seiner Leistungsgrenze, oder hat er noch Reserven?
Der Mitteldruck (offiziell heißt er effektiver Mitteldruck, weil er sich auf die effektive Leistung des Motors bezieht) gibt Auskunft über die spezifische Leistung eines Dieselmotors unabhängig von seinem Hubraum. Mitteldruck ist der theoretische durchschnittliche Druck, der auf jeden Quadratzentimeter Kolbenfläche während der vier Takte (Ansaugen, Verdichten, Verbrennen, Ausstoßen) wirkt. Dieser Wert ist allerdings nur ein Bruchteil des maximal auftretenden Druckes im Brennraum.
Berechnet wird der Mitteldruck in bar nach folgender Formel:
Nennleistung (kW)
----------x 1200
Hubraum (l) x Nenndrehzahl
Dabei entscheiden der Hubraum und die Drehzahl über die Luftmenge, die dem Motor zur Verfügung steht: Je größer der Hubraum und je höher die Drehzahl, desto mehr Luft kann der Kolben beim Saugtakt ansaugen. Mit der Nennleistung nimmt die Kraftstoffmenge zu, die pro Zeiteinheit in den Brennraum eingespritzt wird.
Bei gleichem Hubraum und gleicher Drehzahl lässt sich die Leistung erhöhen, wenn mehr Kraftstoff eingespritzt wird. Allerdings nur in Grenzen: Reicht die Luftmenge im Zylinder nicht mehr aus, um die zusätzliche Kraftstoffmenge zu verbrennen, beginnt der Schlepper zu rauchen, und der spezifische Kraftstoffverbrauch steigt an.
Mit Hilfe des Turboladers kann die Luftmenge im Brennraum erhöht werden, so dass eine größere Kraftstoffmenge verbrannt werden kann. Hierbei nutzt der Turbolader einen Teil der Abgasenergie - die bei Saugmotoren ungenutzt bleibt – zur Verdichtung der Verbrennungsluft. Damit nimmt der Wirkungsgrad des Motors zu, und der Kraftstoffverbrauch sinkt.
Der Turbolader wird schon seit vielen Jahren in Großmotoren angewendet. Bei den " kleinen" Motoren hat die Aufladung erst in den vergangenen 15 Jahren höhere Mitteldrücke ermöglicht. Denn erst der Turbolader eröffnete den Konstrukteuren die Möglichkeit, bei gleichem Hubraum mehr Leistung aus dem Motor zu holen und die gewünschte Motorleistung kostengünstiger zu erzielen.
Beispielsweise haben die Fendt-Typen 305,306,308,309 und 310 alle den gleichen Vierzylinder-Motor von MWM mit 4 154 cm3 Hubraum. Die Motorleistung dieser fünf Schlepper variiert jedoch von 52 kW/70 PS bis 74 kW/l00 PS. Das erreichten die Konstrukteure mit Hilfe der Aufladung, geänderter Einspritzmengen und unterschiedlicher Drehzahl:
Typ Bauart Drehzahl
305 Saug 2175 52 kW
306 Saug 2200 55 kW
308 Turbo 2250 63 kW
309 Turbo 2350 68 kW
310 Turbo 2350 74Kw
Der Mitteldruck gibt nun Auskunft über die Ausnutzung des Motors und seine spezifische Leistung unabhängig vom Hubraum. Bei Saugmotoren heutiger Bauart sollte der Mitteldruck bei Nenndrehzahl zwischen 6,0 und 7,5 bar liegen, aufgeladene Motoren sollten bei Nenndrehzahl einen Mitteldruck zwischen 7,5 und 10 bar haben. Motoren mit Turbolader und Ladeluftkühlung können einen Mitteldruck bis ca. 13 bar ausweisen (siehe Tabelle).
Übersteigt der Mitteldruck diese Werte deutlich, liegt die spezifische Leistung an ihrer oberen Grenze. Ist der Mitteldruck umgekehrt deutlich niedriger, liegt die spezifische Leistung an ihrer unteren Grenze. Der spezifische Kraftstoffverbrauch nimmt zu, der Motor wird etwas unwirtschaftlicher.
Die Konstrukteure müssen auch den Mitteldruck unter Last im Auge behalten: Bei sinkender Drehzahl steigt der Mitteldruck an. Die Grenzwerte sind dann zwar höher, weil der Verbrennungsvorgang bei niedrigerer Drehzahl mehr Zeit hat. Wenn jedoch der Mitteldruck zu hoch wird, beginnt der Schlepper schwarz zu rauchen. Bei maximalem Drehmoment des Motors darf der Mitteldruck bei Saugmotoren bis ca. 8,5 bar betragen, bei aufgeladenen Motoren bis 15 bar, und Motoren mit Turbolader und Ladeluftkühlung können bis 18 bar erreichen. Dazu ein Beispiel:
Ein Saugmotor mit Konstantleistungs-Charakteristik (gleiche PS-Leistung trotz sinkender Drehzahl) hat 4 000 cm3 Hubraum und liefert seine 58 kW Nennleistung bei 2 400 Motorumdrehungen, der Mitteldruck liegt hier bei 7,2 bar. Dieser Motor leistet unter Last bei 2 000 Umdrehungen ebenfalls noch 58 kW, dann liegt der Mitteldruck jedoch bei 8,7 bar.
Der Konstrukteur kann dieses Problem lösen, indem er den Drehmomentanstieg verringert und die Motorleistung bei 2 000 Umdrehungen auf 50 kW senkt. Dann sinkt auch der Mitteldruck auf 7,5 bar und liegt damit wieder unterhalb der Grenze.
Jedoch sollte die Motorleistung bei Nenndrehzahl hier nicht unter 48 kW sinken. Bei z.B. 46 kW fördert dieser Saugmotor zu viel Luft für die eingespritzte Kraftstoffmenge: Der Mitteldruck liegt bei 5,8 bar. Dann nimmt der spezifische Kraftstoffverbrauch zu, der Motor wird etwas unwirtschaftlicher.
Fazit: Der Mitteldruck ist ein Rechenwert, der die konstruktive Ausnutzung eines Schleppermotors angibt. Bei hohen Werten ist die spezifische Leistung des Motors ausgereizt, der Schlepper liegt an seiner Rauchgrenze. Bei zu niedrigen Werten wird die Leistungsfähigkeit des Schleppers nicht ausgenutzt.