Der Letzte
Aus profi 12/1991
Die letzte Entwicklung von Schlüter stellte sich 1991 dem profi-Schleppertest. Der EuroTrac 1900 LS war bis Mitte 1993 im Schlüter-Programm zu finden und wurde vom 2000 LS abgelöst. Der baugleiche Nachfolger hatte 10 PS mehr und wurde bis zur Produktionseinstellung im Jahr 1995 gefertigt.
Die Firma Schlüter kündigte den neuen Trac vor gut zwei Jahren als "legitimen Nachfolger" des MB-tracs an. Seitdem Deutz und Daimler den Ausstieg aus dem Trac-Markt erklärt haben, ist der Eurotrac tatsächlich der einzige weit und breit sichtbare Traktor, der mit genügend Motorleistung in der Lage ist, schwere Arbeitsgeräte in Schub- oder Zugfahrt und in bis zu vier Anbauräumen anzutreiben.
Das Grundkonzept des Eurotrac ist zweifelsohne pfiffiger als beim IN-trac oder MB-trac: die Kabine liegt schwingungsarm in der Schleppermitte, vorne befindet sich ein zusätzlicher Aufbauraum, der schmal ist und so eine größere Wendigkeit ermöglichen kann, mit dem hydraulisch verstellbaren Ballastgewicht können Anbaugeräte stets optimal austariert werden.
Der MAN-Unterflurmotor D 0826 LUE 51 ist ein Sechszylinder, der im Eurotrac unter der Kabine liegt und mit 2 200 Umdrehungen arbeitet. Weil sonst nicht genug Platz wäre, ist der Motor in 70° Schräglage eingebaut - problemlos und von MAN so freigegeben. 140 kW/190 PS holt das wassergekühlte Dieselaggregat bei einem recht hohen Mitteldruck (11,1 daN/cm2 Kolbenoberfläche) aus 6 871 cm3 Hubraum. Dabei helfen ein Turbolader und eine Ladeluftkühlung. An der Zapfwelle gibt Schlüter eine Nennleistung von 126 kW/171 PS an. Die DLG-Prüfstelle hat den Schlepper an den Zapfwelle für profi gemessen:
Die höchste Zapfwellenleistung erzielte der Eurotrac 1900 mit 125,7 kW bei 2100 Motorumdrehungen, bei Motornenndrehzahl lag die Leistung an der Zapfwelle noch bei 125,5 kW/171 PS - gute Werte. Das maximale Drehmoment von 755 Nm erreichte der Motor bei 1 400 Umdrehungen, daraus errechnet sich ein Drehmomentanstieg von 38,5 % bei einem Drehzahlabfall von 36,4 % - sehr gute Werte. In der Praxis beim Pflügen mit einem sechsscharigen Rautendrehpflug war der Motor denn auch kaum "totzukriegen“.
Selbst aus Drehzahltälern bis herunter zu 1 200 Umdrehungen erholte sich der Eurotrac wieder, sobald man ihm Gelegenheit dazu gab.
Der gemessene Kraftstoffverbrauch betrug nur 236 g/kWh (gemessen unter Last bei Nenndrehzahl und bezogen auf die Zapfwellenleistung) und war damit sehr günstig.
Das Getriebe des Eurotrac hat dagegen viele ungewöhnliche und einige recht unpraktische Details aufzuweisen. Die Grundausstattung, wie sie im Prospekt steht, ist gut: 24 Vorwärts- und 10 Rückwärtsgänge, zweistufige Lastschaltung, 11 Geschwindigkeiten im Hauptarbeitsbereich von 4 bis 12 km/h, 40 km/h. Aber es ist (leider) das gleiche "alte" ZF-Getriebe, wie es sich auch in anderen Schleppern findet.
Wer die Technik des Getriebes nicht kennt, hat zunächst einige Probleme mit dem Gebrauch der Kupplung: sie reagiert mit Verzögerung, der Pedaldruck von gemessenen 120 N ist nicht gering und steigt auf 160 N, sobald die Lastschaltstufe in Stellung "Schnell" steht. Die Lastschaltstufe selbst ist mal eingeschaltet und mal nicht, zuweilen (beim Anfahren) schaltet der Eurotrac die Lastschaltstufe selbst ein oder aus, in Stufe "Langsam" hat das Getriebe keine Motorbremswirkung – ein kompliziertes Ding zumindest auf den ersten Blick.
Die Ursachen dafür finden sich im Getriebeaufbau. Der Eurotrac 1900 hat eine Gangschaltung mit sechs Gängen, davon sind die Gänge 1 und 2 unsynchronisiert (!). Die synchronisierte Gruppenschaltung hat eine Acker- und eine Transportgruppe, in der Rückwärtsgruppe ist der sechste Gang gesperrt. Die 12 Vorwärts- und 5 Rückwärtsgänge werden mit Hilfe der zweistufigen Lastschaltung (knapp 20 % Untersetzung) auf 24/10 verdoppelt. Und diese Lastschaltung besteht aus einem zweiten Kupplungspaket, das direkt hinter der Fahrkupplung liegt.
Beide Kupplungen sind trockene Scheibenkupplungen, die von einem Sensor am Fußpedal über einen Hydraulikzylinder betätigt werden. Die Hydraulik führt zu der beschriebenen Verzögerung beim Kuppeln.
Die Lastschaltstufe reduziert die Fahrgeschwindigkeit in Stufe "Langsam" um etwa 19 %. Angefahren wird stets in Stufe "Schnell", die Lastschaltstufe mit integriertem Freilauf läuft unbelastet mit. Erst wenn das Kupplungspedal etwa eine mittlere Position erreicht hat, gibt ein Sensor die zweite Kupplung frei, das Getriebe schaltet um auf die (vorher eingestellte) Lastschaltstufe "Langsam".
Eine Motorbremswirkung hat der Schlepper in dieser Stufe nicht. Wird die Drehzahl der Getriebe-Gruppenwellen bei Talfahrt zu hoch, schaltet eine automatische "Überholüberwachung" das Getriebe auf die Lastschaltstufe "Schnell", dann ist die Motorbremswirkung wieder da. Fährt man den Eurotrac 1900 mit Vollgas (oberhalb der Nenndrehzahl im "Schubbetrieb"), lässt sich die Lastschaltstufe "Langsam" nicht einschalten, dann leuchtet lediglich die Anzeige "Freilauf" im Armaturenbrett auf. Der Fahrer muss erst Gas wegnehmen und einmal die Kupplung treten, dann ist die Lastschaltung in Stufe "Langsam".
Diese Funktionen des Getriebes sind für das moderne Eurotrac-Konzept deutlich zu kompliziert und sehr gewöhnungsbedürftig. Wir haben das Getriebe folgendermaßen bewertet: Als Pluspunkte zählen die 11 Geschwindigkeiten im Hauptarbeitsbereich, der gut erreichbare Lastschaltknopf auf dem Gangschalthebel und die Möglichkeit, in der Transportgruppe von 2,7 bis 40 km/h ohne Gruppenwechsel hochzuschalten.
Minuspunkte sind die unsynchronisierten Gänge 1 und 2, das Fehlen einer Wendeschaltung (rückwärts liegen nur 5 Gänge im Hauptarbeitsbereich - zu wenig für Schubfahrt), die ungewohnte Bedienung der Fußkupplung und der Freilauf in der Lastschaltstufe. Das Schaltgestänge zum Getriebe vor allem für die Gangschaltung ist recht lang, entsprechend indirekt ist die Schaltung zu bedienen. Beim praktischen Einsatz gefiel uns die Lastschaltstufe gut, sie schaltet sich weich und sauber. Schlecht bedienbar ist dagegen (zumindest bei Ausstattung mit Drehsitz) das sehr steil stehende und kraftaufwendige Fußgaspedal, es verführt zum Arbeiten mit Handgas (nach Angaben von Schlüter inzwischen geändert).
Das Hubwerk des Eurotrac 1900 macht einen einfachen und soliden Eindruck: Der Heck-Kraftheber ist mit Walterscheid-Schnellkupplern und dem Walterscheid-Stabilisator ausgestattet, die Unterlenker-Regelung wird über eine EHR von Bosch gesteuert. Die Messwerte der DLG-Prüfstelle für das Heck-Hubwerk: bei 63 cm Hubbereich 4950 daN in unterer, 6660 daN in mittlerer und 7830 daN in oberer Position der Unterlenker (jeweils durchgehende Hubkräfte, also statische Messwerte minus 10 %).
Im Vergleich zu Wettbewerbern in dieser Leistungsklasse sind diese Werte noch gut. Das Heck-Hubwerk des Eurotrac 1900 bringt in unterer Position deutlich weniger und in oberer Position deutlich mehr als die Konkurrenz, die praxisnahe durchgehende Hubkraft liegt im unteren Bereich.
Wir haben auch das Fronthubwerk des Eurotrac 1900 von der DLG-Prüfstelle messen lassen. Der Kraftheber vorn, der sich dank des neuen Trac-Konzeptes übrigens vom Sitz aus ausgezeichnet einsehen lässt, erreichte seine maximale Hubkraft von 4720 daN (bei 58 cm Hubweg) in oberer Position der Unterlenker, die geringste Hubkraft lag mit 4250 daN im mittlerer Position. Eine durchgehende Hubkraft von 3825 daN (3900 kg) ist für einen 190-PS-Trac, der viel in Schubfahrt arbeitet, allerdings nicht zu viel.
Die Hydraulik des Eurotrac 1900 erhielt gute Noten für die Bedienung und Minuspunkte für die Leistungswerte. Gut gefiel uns die komplette Ausstattung mit 4 doppeltwirkenden Steuergeräten, von denen sich eins auf einfachwirkend umschalten lässt. Gut auch die Bedienung der Steuergeräte über einen Kreuzschalthebel mit zusätzlichen Elektrotastern zum Umschalten auf weitere Funktionen, beispielsweise der Bedienung des Fronthubwerks.
Wenig überzeugend waren dagegen die Hydraulik-Messwerte der DLG-Prüfstelle. Die maximale Ölfördermenge lag bei nur 57,3 l/min. Auch die maximale hydraulische Leistung lag mit 14,1 kW bei 53 l/min und 160 bar Druck deutlich unter dem Durchschnitt in dieser Klasse, ebenso die entnehmbare Ölmenge für externe Verbraucher mit nur 20 l stehend und 5 l fahrend (mit 65 statt 55 l Öl sind 30/15 l möglich). Für viele Arbeiten wird die Hydraulikleistung des Eurotrac sicher ausreichen, Reserven hat der Schlepper hier jedoch wenig.
Auch die Zapfwelle des Eurotrac überzeugte nicht so. Die Grundausstattung ist mit 540/1000 oder auf Wunsch 750/1000 ausreichend. Ob der normale 1-3/8-Zoll-Stummel für 140 kW/190 PS ausreicht, lässt sich noch diskutieren, zumal der Stummel trocken auswechselbar ist. Dass die Heckzapfwelle ihre Normdrehzahl von 1000 Umdrehungen jedoch nicht erreicht (technisch sind maximal 978 Umdrehungen pro Minute möglich), gefiel uns nicht.
Die Vorderachse des Eurotrac 1900 ist eine extraschwere Ausführung von ZF, leider nur mit automatischem Selbstsperrdifferential ZF -Locomatic und maximal 45 % Sperrwert. Wir hätten uns hier eine 100-%-Klauensperre gewünscht, um die volle Leistung des Schleppers auf alle vier Räder übertragen zu können.
Bei der Lenkung machen sich die gleichgroßen Räder natürlich nachteilig bemerkbar. Der Wendekreis des Eurotrac 1900 liegt bei 1,94 m Spur und mit der Bereifung 20.8 R 38 bei 14,35 m ohne Frontantrieb und 15,50 m mit Frontantrieb. Von den Vorteilen der Wespentaille des Eurotracs ist hier nichts zu spüren. Die kleineren Eurotrac 1300 und 1600 haben die modernere ZF -Achse 765, die mit 50° Lenkeinschlag und 5° Nachlaufwinkel eine bessere Wendigkeit versprechen.
Gut gefielen uns die Bremsen des Schleppers: hydraulisch betätigte Trommelbremsen hinten und Scheibenbremse vorn, pneumatische Handbremse. Die DLG-Prüfstelle hat für profi die Bremswirkung gemessen: die maximale Abbremsung betrug 75 % bei 45 daN Pedalkraft, die Vorderräder erreichten ihre Blokkiergrenze - gute Werte.
Die Schlüter-Kabine auf dem Eurotrac erhielt ebenfalls einige Pluspunkte. Sie hat Schiebetüren und ist geräumig. Der Einstieg ist breit und bietet viel Platz, die Sicht nach vorn, hinten und zu den Seiten ist prima.
Auch hier waren es wieder die Kleinigkeiten, die noch fehlten: die erste Trittstufe ist recht hoch, und Handgriffe helfen beim Einsteigen nur spärlich. Die Schiebetüren öffnen sich nur ungern und schließen nicht so staubdicht, wie es der Prospekt verspricht. Die Zahl der Lüftungsöffnungen ist begrenzt. Zwei Spiegel für die Schubfahrt fehlten. Gerade der Eurotrac als Zweiwegeschlepper mit einem sehr guten Drehsitz (Wunsch) sollte hier besser ausgestattet sein. Auch die Lautstärke ist zu hoch: 83,5 dB(A) hat die DLG-Prüfstelle unter Last bei geschlossener Kabine am Ohr des Fahrers gemessen, hier wären mindestens 3 dB(A) weniger besser.
Die Wartung und Pflege ist bei einem 190-PS-Schlepper, der im harten Praxiseinsatz professionell arbeiten soll, ein wichtiger Punkt. Hier überraschte uns der Eurotrac sehr positiv: trotz seines Unterflur-Motors lässt sich der Traktor überaus einfach pflegen, nahezu alle Wartungsarbeiten sind echt gut und einfach auszuführen.
Mit einem gemessenen Leergewicht von 8 520 kg kommt der Eurotrac 1900 LS auf ein Leistungsgewicht von 61 kg/kW. Der MB-trac 1800 bringt es im Vergleich dazu mit gut 1,6 t weniger auf nur 52 kg/kW, dieser Wert hätte uns für den Eurotrac auch besser gefallen.
Das Ballastgewicht im vorderen Anbauraum wiegt 1160 kg und kann durch innen einbaubare Zusatzgewichte auf maximal 1900 kg Gewicht zusätzlich beschwert werden. Es lässt sich per Knopfdruck vom Sitz aus nach vorn schieben und so als Gegengewicht für Anbaugeräte im Heck nutzen. Den Effekt haben wir auf der Waage ermittelt:
In Grundstellung hat der Eurotrac 49 % seines Gewichtes auf der Hinterachse und 51% auf der Vorderachse. Bei ganz ausgeschobenem Ballastgewicht liegen nur noch 46 % auf der Hinterachse, die Vorderachse trägt 54 %. Damit kann der Pflug oder das Rodeaggregat im Heck sehr gut austariert werden. Bei unserem Praxiseinsatz mit dem sechsscharigen Aufsattelpflug haben wir unter den vorgefundenen Bedingungen auch mit Hilfe des Radars keine Änderungen bei den Schlupf-Werten feststellen können, wenn das Ballastgewicht ganz aus- oder eingefahren wurde. Bemerkbar machte sich das ausgefahrene Gewicht jedoch beim Transport des ausgehobenen Pfluges, und sei es Subjektiv nur durch die bessere Lenkbarkeit.
Das bleibt festzuhalten: Im Vergleich zum Standardschlepper Schlüter Super 1900 LS ist der Eurotrac brutto gut 30000 Mark teurer. Dafür bietet der Eurotrac ein gutes Trac-Konzept mit einem echten Zweiwegeschlepper zum Maishäckseln in Schubfahrt, zur sechsreihigen absetzigen Zuckerrübenernte oder zur kombinierten Bodenbearbeitung.
Dennoch zeigt der profi-Schleppertest, was dem Eurotrac noch fehlt. Allerdings wird dieser Schlepper wohl noch einmal wesentlich teurer werden, wenn er mit einem modernen Getriebe, einer hochleistungsfähigen Hydraulik und einer 100-%-Klauensperre in der Vorderachse ausgestattet wird.
Deshalb wird man mit einigen Kompromissen beim Eurotrac auch zukünftig leben müssen. Wer einen Trac-Schlepper zwingend braucht und die vier Anbauräume nutzen kann, wird über die Anschaffung des Eurotrac nachdenken. Wer dagegen nur einen schweren Zugschlepper und für weniger Geld mehr Komfort sucht, findet sicher im Standardschlepper-Angebot von Schlüter und anderen Herstellern Alternativen.