Schneller Trac
Aus profi 5/1991
Der neue HMV-Trac von JCB sollte mit seiner gefederten Hinterachse und 70 km/h nicht nur komfortabel sein, sondern auch Kosten und bei Transportarbeiten Zeit sparen. Als Fastrac wird das Konzept bis heute in überschaubaren Stückzahlen eingesetzt.
JCB nennt den neuen Trac HMV (High Mobility Vehicle, hochbewegliches Fahrzeug). Und der Name ist Programm: der englische Trac-Schlepper ist mit einer gefederten Achse auch im Heck und serienmäßiger Druckluftbremse technisch besonders für längere Transportfahrten ausgelegt.
Von Anfang an (profi zeigte den ersten Prototyp im Juli 1990) sorgte der HMV-Trac für Gesprächsstoff: Kann dieser neue Schlepper den MB-trac ersetzen? Als der HMV-Trac im Dezember 1990 auf der Smithfield-Show in London stand, interessierten sich auch verschiedene europäische Schlepperhersteller für das neue Fahrzeug. Zeitweise waren sogar Vertriebslizenzen mit deutschen Herstellern im Gespräch, dann wäre der HMV in grün oder rot auf den deutschen Markt gekommen.
Was ist an diesem Schlepper so besonders?
Zunächst einmal die Bauform. Der HMV-Trac von JCB ist neben dem Schlüter Eurotrac derzeit der einzige Trac-Schlepper mit Zukunft, der original aus dem Trac-Konzept entstand. Deshalb hat der HMV-Trac auch im Detail Trac-Besonderheiten zu bieten.
Gefederte Achsen hat der neue Schlepper sowohl vorne als auch hinten. Die Vorderräder werden über herkömmliche Spiralfedern mit Stoßdämpfern ähnlich wie beim MB-trac gefedert. Die Hinterachse ist mit einem hydropneumatischen Federungssystem versehen, dass sich - über Öldruckspeicher, Gasdruckfedern und Steuerventile - selbsttätig der Achsbelastung anpasst. Mit etwa 6 Sekunden Verzögerung und bis zu 200 bar Druck korrigiert das System automatisch Laständerungen an der Hinterachse.
Gleichgroße Räder ohne Voreilung sind auch am HMV-Trac selbstverständlich. In der 70-km/h-Version werden wahlweise die Größen 445/70 R 24 oder 495/70 R 24 angeboten. "Normale" Schlepperreifen der Größe 16.9 R 30 lassen sich ebenso an den englischen Trac montieren. Allerdings ist dann die Geschwindigkeit auf 30 km/h begrenzt.
Die trac-typische Gewichtsverteilung (vom mehr Leergewicht als hinten) findet sich auch beim HMV-Trac: Die Vorderachse trägt 53 %, die Hinterachse 47 % der insgesamt 5500 kg Leergewicht. Zum Vergleich: Der MB-trac hat in dieser Leistungsklasse 55 % seines Gewichtes vorne und 45 % hinten, ist insgesamt mit 6 300 kg jedoch 800 kg schwerer als der HMV-Trac.
Der Aufbauraum im Heck hat nach Angaben von JCB eine Nutzlast von 2 500 kg. Hier ist der MB-trac in dieser Leistungsklasse mit insgesamt 3 600 kg Nutzlast besser. Allerdings liegt das zulässige Gesamtgewicht des HMV-Tracs noch nicht fest: bei 10 000 kg Gesamtgewicht wie beim MB-trac hätte der HMV-Trac dank seines geringeren Gewichtes 4 500 kg Nutzlast zu bieten.
Die mittige Kabine hat eine gewölbte Frontscheibe und Seitenscheiben, die sich - wie beim Lkw und beim MB-trac - herunterkurbeln lassen. Mittige Sitzposition und getöntes Glas gehören zur Grundausstattung; bis zu zwei Beifahrersitze, Klimaanlage und Karbonfilter lassen sich auf Wunsch einbauen.
Soweit die trac-typischen und mit dem MB-trac vergleichbaren Merkmale des HMV-Trac. Eine Besonderheit des englischen Schleppers ist sein Hubwerk:
Damit die Schwingungen des Pfluges bei Transportfahrten verschwinden, wurde das Dreipunktgestänge nicht am Fahrzeugrahmen, sondern direkt an der Hinterachse angelenkt. Das Gewicht und eventuelle Schwingungen von Anbaugeräten werden so direkt auf die Achse und die Hinterräder übertragen, die Fahrzeugfederung bleibt davon verschont.
Die übrige technische Ausstattung des Trac-Schleppers ist gut, bietet allerdings wenig Neuheiten:
Der wassergekühlte Sechszylinder-Motor kommt von Perkins. Er wird in zwei Leistungsstufen angeboten: Entweder mit 87 kW (117 PS) als Saugmotor oder mit 104 kW (140 PS) als Turbomotor. In beiden Fällen hat der Motor eine Nenndrehzahl von 2 600 Umdrehungen. Zum Vergleich: MF verwendet dieselbe Perkins-Typenreihe 1006 in den Schleppern der Baureihe 3100. Hier leisten die 1006er als Saugmotor 79 oder 84 kW bzw. als Turbomotor 93 kW und haben eine Nenndrehzahl von nur 2200 Umdrehungen.
Das Getriebe des HMV-Trac baut JCB selbst. Es besteht aus einer Gangschaltung mit 6 Gängen und aus einer Gruppenschaltung mit 3 Vorwärts- und einer Rückwärtsgruppe. 18 und 6 Gänge hat der Schlepper auf diese Weise. Im Hauptarbeitsbereich von 4 bis 12 km/h stehen 7 Geschwindigkeiten zur Verfügung, die allerdings nicht übermäßig gut abgestuft sind: Die Gangsprünge reichen von 0,3 bis 2,4 km/h. Das Getriebe ist voll synchronisiert, eine Lastschaltung bietet JCB nicht an. Die Endgeschwindigkeit liegt bei satten 72,7 km/h.
4,5 oder 5,5 t hebt das Hubwerk im Heck des HMV-Trac nach Angaben des Herstellers. Gesteuert wird es über die EHR von Bosch. Der Frontkraftheber kann 3000 kg heben.
Mit einer Förderleistung von maximal 60 l/min kann sich die Hydraulikpumpe durchaus mit Wettbewerbern messen. Der maximale Betriebsdruck liegt bei 210 bar. Die Zapfwelle im Heck erreicht die Normdrehzahl 540 bei 1900 Motorumdrehungen (73 % der Nenndrehzahl) und die 1000er Drehzahl bei 2428 Motorumdrehungen (93 %). Die Frontzapfwelle ist nur mit der 1000er Drehzahl lieferbar.
Der Frontantrieb wird im HMV-Trac elektrohydraulisch geschaltet. Der Einschlagwinkel der Vorderräder liegt - bedingt durch die Bauweise des Trac-Schleppers - bei nur 35°. Bei kleinster Bereifung benötigt der Schlepper deshalb gut 14 m zum Wenden. In der Frontachse befindet sich ein Selbstsperrdifferential, in der Hinterachse eine elektrohydraulische Differentialsperre.
Das bleibt festzuhalten: Der HMV-Trac von JCB ist vor allem deshalb so interessant, weil es ein "reinrassiger" Trac-Schlepper ist. Im Vergleich zum MB-trac und zum Schlüter Eurotrac hat er drei Besonderheiten zu bieten: Er ist gut 70 km/h schnell, die Hinterachse ist hydropneumatisch gefedert, das Dreipunktgestänge ist direkt an der Hinterachse angelenkt und verhindert so das Übertragen von Schwingungen auf das Fahrgestell.
In England sollen in diesem Jahr 100 HMV-Trac-Schlepper gebaut werden. Der Preis liegt noch nicht fest, Zahlen von 90 000 bis 135000 Mark sind im Gespräch. JCB möchte mit dem HMV-Trac auch in den deutschen Markt, um Unimog und Eurotrac Konkurrenz zu machen. Wieweit das gelingen wird, bleibt abzuwarten. Chancen hat der schnelle HMV-Trac durchaus.
Wer ist JCB?
Die englische Firma JCB entstand nach dem zweiten Weltkrieg als "Ableger" der Landmaschinenfabrik Bamford: 1946 gründete Joe Bamford JCB als Hersteller von Baumaschinen und Landmaschinen in der englischen Grafschaft Staffordshire. Bekannt wurde JCB in England und im Ausland mit seinen Teleskopladern für den Baumaschinenmarkt, für kommunale Einsätze und für die Landwirtschaft.
Mit dem Traktorenbau hat JCB keine Erfahrung, der HMV stellt eine Erweiterung des Produktionsprogrammes dar. 1986 begann die Entwicklung des neuen Trac-Schleppers, der erste Prototyp lief 1987. Seit 1988 arbeiten verschiedene Vorserienmaschinen im praktischen Einsatz, sie haben in England, in Frankreich und auch in Deutschland einige 1 000 Stunden geleistet.