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Schlüter: Neuer Trac, neue Zukunft?

Jahrzehntelang führend im Bau von Großschleppern, dann jahrelang fast von der Bildfläche verschwunden, jetzt mit Paukenschlägen wieder mitten im Geschäft: Die Firma Schlüter erlebte eine äußerst wechselvolle Geschichte und zeigt derzeit wieder einmal den großen Wettbewerbern, was eine kleine Mannschaft mit Mut und Tatendrang auf die Beine stellen kann, wenn der Chef mitspielt.

Große Räder, mittige Kabine, verschiebbares Frontgewicht - wohin steuert der Eurotrac von Schlüter? (Bildquelle: Redaktion profi)

Bis vor gut einem Jahr schien es, als sei die bayerische Schlepper- und Motorenfabrik Anton Schlüter in Freising aus dem Geschäft: Die ohnehin geringen Stückzahlen bei Großschleppern wurden mehr und mehr von den Wettbewerbern geliefert. Den bärenstarken Schlüter-Schleppern fehlte es an moderner Technik, das Unternehmen hatte keine Perspektiven für die Zukunft.
Wenn in der Branche über Schlüter diskutiert wurde, lag stets Wehmut in der Luft. Die großen Zeiten dieses Unternehmens schienen vorbei, und alle Welt wartete nur noch auf die Meldung, dass Firmenchef Dr. Anton Schlüter, der in diesen Tagen sein 75. Lebensjahr vollendete, seine Fabrik an die Kirche verkauft... Weit gefehlt. In aller Stille brütete die kleine, aber aktive Mannschaft um Dr. Schlüter und seinen Entwicklungs-Chef Oberingenieur S. Leutner ein völlig neues Trac-Konzept aus, das nicht nur den Markt für Trac-Schlepper umkrempeln soll, sondern auch das Unternehmen selbst seit gut einem Jahr in einem völlig neuen Licht erscheinen lässt: Wenn Schlüter schnell genug ist, kann der Eurotrac nicht nur auf Resonanz in der Praxis hoffen, sondern auch den insgesamt 250 Mitarbeitern in Freising ihre Arbeitsplätze für die Zukunft sichern helfen.
Mit diesem Coup würde Schlüter wieder einmal beweisen, was konservative Gemüter schon immer behaupteten: Ein Familienunternehmen kann - gut geführt - schlechte Zeiten besser überstehen und gute Ideen schneller realisieren als so mancher multinationale Konzern mit viel Geld. Denn die Firma Schlüter erlebte in den 90 Jahren ihrer Existenz eine überaus wechselvolle Geschichte, in der mehr als einmal nur der Ideenreichtum und die Beharrlichkeit ihrer Besitzer ein Überleben gegen die Konkurrenz im hart umkämpften Landtechnikmarkt ermöglichte.
Im Jahre 1899 wurde das Motorenwerk Schlüter in München gegründet. Gründer war Anton Schlüter, der Großvater des jetzigen Firmenchefs, ein geborener Westfale und gelernter Schlosser, der sich nach zehn Jahren Wanderschaft durch Deutschland in München niederließ und im Hinterhof eines Wohn- und Geschäftshauses eine Werkstatt eröffnete.
Zwölf Jahre später baute Anton Schlüter in Freising, dem Heimatort seiner Frau, eine Gießerei auf das Gelände einer stillgelegten Landmaschinenfabrik. 1914 kaufte er dann das Grundstück, auf dem jetzt noch die Schlüterwerke stehen, und baute dort bis 1917 die bayerische Motorenfabrik Anton Schlüter auf.
In den folgenden zwanzig Jahren gehörten Dieselmotoren und -aggregate zum Produktprogramm von Schlüter. Fahrbare Motoren für Dreschmaschinen, Notstromaggregate und Wasserpumpen wurden in den Balkan, nach Afrika und bis nach Südamerika exportiert.
Im Jahre 1937 entschloss Anton Schlüter senior (immer noch der Gründer der Firma) sich zum Bau von Schleppern. Ein Schlepper enthielt viel Guss (das kam der Gießerei zugute), die Schlüter-Dieselmotoren hatten einen guten Ruf, und die Verbindung mit der Landwirtschaft bestand ohnehin. Schlüter verwendete als einer der ersten Hersteller Dieselmotoren für Traktoren.
Im Alter von 82 Jahren übergab Anton Schlüter senior 1948 das Unternehmen an seinen ältesten Sohn, ein Jahr später verstarb der Gründer. Auch der jetzige Firmenchef Anton Schlüter stieg 1948 mit 33 Jahren in die Firma seines Großvaters ein. Als sein Vater nach nur zehnjähriger Leitung 1958 starb, übernahm Anton Schlüter das Unternehmen. Er leitet es seit nunmehr 32 Jahren bis zum heutigen Tag.
Die ersten Ideen des neuen Chefs galten 1958 den Großschleppern. Die größten europäischen Schlepper hatten gerade mal 50 PS, nur in den USA gab es schon Traktoren mit 100 und 120 PS Leistung - nach Schlüters Meinung eine Entwicklung, die auch in Deutschland stattfinden würde: "Zur Bodenbearbeitung im Juli/August wurden die Leute auf die Felder geschickt, und Weihnachten kamen sie dann wieder." Hier war ein Markt für größere Schlepper.
Er begann 1958 mit der Entwicklung von Großschleppern und konnte 1962 die ersten Schlüter-Schlepper mit 80 und 100 PS vorstellen. Es fehlte allerdings an Arbeitsgeräten und an Leuten, die sich für die großen Geschütze interessierten. Deshalb veranstaltete Schlüter im Mai 1964 den ersten Schlütertag in Freising - mit 100-PS-Schleppern und Geräten aus England und Frankreich. Mit Mühe und Not brachte er damals 60 Besucher auf die Beine, die Hälfte davon Professoren und Händler.
Doch das sollte sich schnell ändern. Die deutschen Landmaschinen-Hersteller bauten passende Pflüge und Bodenbearbeitungsgeräte für die bayerischen Großschlepper, und das Interesse der Praxis an den leistungsfähigen Traktoren wuchs. Der Schlütertag - anfangs zweimal jährlich, später nur einmal im Jahr wurde zu einer festen Einrichtung, die 20000 bis 25000 Besuchern den aktuellen Stand der Landtechnik vorführte. Und die Schlüter-Traktoren verkauften sich gut.
Schnell erkannten aber auch die Wettbewerber, dass mit den großen Schleppern Geld zu verdienen war. Wenn Schlüter mit 100-PS-Schleppern Erfolg hatte, entdeckte die Konkurrenz dieses Marktsegment für sich, und Schlüter musste auf 120 PS, auf 140 PS und auf 160 PS ausweichen. Dr. Schlüter über die sechziger und siebziger Jahre: "Ich bin mir oft vorgekommen wie ein Hase, der immer vor den großen Firmen davonläuft..."
Mitte der siebziger Jahre war dann eine Schallmauer erreicht. Das Segment bis 150 PS hatten alle Hersteller im Programm, und in der Leistungsklasse darüber bis 300 PS ist die Luft sehr dünn, für Schlüter wurde es schwierig.
Die Anregung, in dieser Zeit einen 500-PS-Großschlepper zu bauen, kam dann aus dem Osten. In Jugoslawien wollte man die Staatskombinate auf 50000 bis 100000 Hektar pro Betrieb ausdehnen und für jeweils 10000 Hektar Fläche zwei solche Großschlepper kaufen. Als der Schlüter-Schlepper mit 500 PS jedoch fertig war, fehlte das Geld im Osten, und aus diesem Geschäft wurde nichts.
Anton Schlüter musste sich ab 1975/76 nach anderen Marktnischen umsehen. Eine Idee waren technische Neuheiten, doch klappbare Kabinen und Schiebetüren allein waren für die Praxis nicht Anreiz genug. Und mit aufwendigeren Lösungen stieß Schlüter schnell an die Grenzen der eigenen Möglichkeiten, denn hier war er auf Lieferanten angewiesen. Und die waren als Großkonzerne oft genug nicht in der Lage, Schlüters Ideen so schnell in die Tat umzusetzen, wie es der agile Unternehmer brauchte: "Wir haben 1984 auf der DLG-Ausstellung die ersten Schlepper mit elektronisch gesteuertem Getriebe vorgestellt. Leider hat ZF als Getriebelieferant dann bis 1987 gebraucht, um unsere Getriebe in Serie zu bauen. Das war zu lange, denn inzwischen hatten wir beispielsweise in Schleswig-Holstein viele Geschäfte an die Konkurrenz verloren, weil wir mit unseren Neuheiten nicht rechtzeitig kommen konnten..."
Diese Abhängigkeit vom Lieferanten verringerte Schlüter, indem er das alte ZF -Getriebe mit einer eigenen Lastschaltung modernisierte. Damit konnten auch die Schlüter-Schlepper vor der Sämaschine arbeiten, ohne dass das Särad beim Schalten stehenblieb. "Wären wir damit schon 1985 gekommen, hätten wir dieses Marktsegment belegt!"
Mit "hätte" und "wäre" ist nun aber auch in der Landtechnik kein Blumentopf zu gewinnen. Das wusste auch Anton Schlüter, der mit seiner langen Erfahrung sicher zu den ganz alten Hasen im Geschäft gehört. Er beobachtete deshalb mit viel Interesse die Bemühungen um eine Landmaschinen-Union, die Mitte der...

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