Elektronik

Marktübersicht Kamerasysteme: Sehen macht sicher

Kamerasysteme sorgen für Sicherheit rund um die Maschine. Auch zur Prozessüberwachung lassen sie sich schlau einsetzen. Wir geben einen Überblick.

Immer mehr Frontanbaugeräte kommen ab Werk mit einem Kamerasystem. Wichtig ist die Eintragung in die Papiere des Zugfahrzeugs. (Bildquelle: Tovornik)

Bereits viele Kleinstwagen sind heute mit einer Rückfahrkamera ausgestattet — aber längst nicht jeder Traktor oder jedes Gespann. Dabei ist die Technik ausgereift, erschwinglich und der Einbau einfacher Lösungen nicht sehr kompliziert. Für Traktoren, Ernte- und Baumaschinen sind neben Rückfahrkameras außerdem verfügbar:
  • 360°-Kameras: Drei oder vier Kameras rund um die Maschine bilden das Umfeld komplett ab.
  • Querverkehrskameras: Ab einem Ab­- stand von 3,50 m zwischen Maschinenvorderkante und Lenkrad ist ein Einweiser oder ein Kamerasystem nötig. Die Systeme müssen in die Fahrzeugpapiere eingetragen werden.
  • Funkkameras: Sie lassen sich als klassische Rückfahrkamera fest montieren oder auch variabel mit Magnetfuß zur Prozess­überwachung einsetzen.

Günstig im Netz?

Bei den großen Online-Marktplätzen wie Amazon oder Ebay bringt eine Suche nach Rückfahrkameras eine große Zahl an Ergebnissen. Bereits ab etwa 100 Euro gibt es Sets aus Kamera, Kabeln und Monitor. Einige dieser Lösungen nennen auch die Landwirtschaft als Einsatzgebiet und versprechen mit IP 68 (staub- und wassergeschützt) eine ausreichende Schutzklasse. Viele Kameras aus dem Pkw-Bereich sind dagegen nur für den kurzen Einsatz während der Rückwärtsfahrt gedacht. Von einem Dauerbetrieb raten die Hersteller oft ab. Spezialisierte Anbieter gehen weiter und befassen sich zum Beispiel auch mit der Einbindung von Kamerabildern in Traktor-Terminals oder mit trennbaren Kabelverbindungen bei Kombinationen mit Anhängern und Anbaugeräten. Auch höhere Schutz­klassen, wie zum Beispiel IP 69K (Hochdruckreinigung möglich) werden angeboten. Dabei sind die Grundbausteine und Sets oft kaum teurer.

CCD-Sensoren aus der Mode

Die Kamera bildet den Grundbaustein für ein gutes Bild, ein wichtiges Bauteil ist dabei der Sensor. Oft finden sich Angaben zum Sensortyp schon in der Produktbezeichnung, spätestens aber in den tech­nischen Daten. Aktuell kommen vor allem CMOS-Sensoren zum Einsatz. Sie bilden das Bild direkt digital ab und sind den analogen CCD-Sensoren technisch überlegen.
Aber auch CCD-Sensoren werden oft bei günstigen Kameras noch angeboten. Nachteile gibt es bei sehr hellen Lichtverhältnissen: Hellere Flächen strahlen in dunklere über, das Bild wird undeutlich.
Auch die Bildrate, das heißt, die dargestellten Bilder pro Sekunde, ist geringer als bei CMOS-Sensoren. Vor allem bei der Prozess­überwachung mit schnellen Bewegungen ist eine hohe Bildrate für eine flüssige Darstellung nötig. Noch vor wenigen Jahren galten CCD-Sensoren als die bessere Wahl bei schwierigen, dunklen Lichtverhältnissen. Diesen Nachteil haben CMOS-Sensoren mittlerweile mehr als wettgemacht.
Die Auflösung der beiden Sensortypen wird unterschiedlich angegeben. Bei CCD-Sensoren findet sich meist die Angabe TVL (Television-Lines). Das frühere analoge Fernsehbild hat eine Auflösung von 625 TVL, CCD-Kameras liegen zwischen 600 und 1 000 TVL. Dagegen wird die Auflösung der CMOS-Technik in Bildpunkten (Pixeln) angegeben, z. B. 1.920 x 1.080. Je größer die Zahlen, desto höher die Auflösung. Eine höhere Auflösung bringt ein schärferes Bild. Der Monitor muss diese allerdings auch darstellen ­können.

Der richtige Winkel

Eine weitere wichtige technische Angabe bei der Auswahl der Kamera ist der Bildwinkel. Hier geben die Hersteller meist nur den Bildwinkel der Bilddiagonalen an. Genauer sind zwei Angaben zum horizontalen und vertikalen Bildwinkel. Der horizontale Winkel beschreibt dabei die seitliche Sicht der Kamera. Er ist in der Regel etwas kleiner als der diagonale Bildwinkel.
Für die richtige Wahl muss man den Zusammenhang zwischen Abstand und Größe des Objekts bzw. der Fläche, die dargestellt werden soll, berücksichtigen. Wollen Sie eine Rückfahrkamera hinten an einem Kipper auf Höhe des Kennzeichens anbringen, muss der Bildwinkel möglichst groß sein. Beispiel: Bei 100° horizontalem Bildwinkel wird ein 2,50 m breites Objekt hinter dem Kipper in gut 1 m Abstand komplett erfasst. Bei einem Winkel von 120° geht der nötige Abstand auf unter 75 cm zurück. Bei einem kleinen Winkel von 50° ist das Objekt erst in einem Abstand von knapp 2,70 m zur Kamera vollständig im Bild.

Großer Winkel = Verzerrung

Ein großer Winkel gibt also nach hinten einen guten Überblick. Nachteil: Das Bild wird verzerrt dargestellt. Das Abschätzen von Entfernungen, Geschwindigkeiten und der Größe von Objekten fällt dann schwerer. Ein Bildwinkel von 40 bis 70° ist ideal, wenn es auf möglichst wenig Verzerrungen und eine genaue Einschätzung des Bildes ankommt. Deshalb liegen beispielsweise die Kamerasysteme zur Über­wachung des Querverkehrs in diesem Bereich.
Die Monitorauswahl sollte zur Bildauflösung der Kamera passen. Denn liefert die Kamera Bilder mit 1.920 x 1.080 Pixeln und der Monitor kann nur 1.280 x 720 Pixel abbilden, werden die Bilder weniger detailreich dargestellt als möglich wäre.
Für den Einsatz in Schlepperkabinen haben sich Monitore mit 7-Zoll-Bildschirmdiagonale bewährt. Auflösungen ab 800 x 480 Pixel sind gängig. Für die Darstellung von mehreren Kamerabildern gleichzeitig sind höhere Auflösungen wie z. B. 1.024 x 600 Pixel, besser geeignet. Teils werden für diesen Zweck auch 10 Zoll große Monitore angeboten. Der Größenunterschied von 3 Zoll scheint gering, tatsächlich bietet ein 10-Zoll-Monitor mehr als die doppelte Fläche für die Darstellung der Kamerabilder.
Oft lassen sich auch vorhandene Traktor- oder Isobus-Terminals für das Anzeigen von Kamerabildern nutzen. Die System­anbieter haben dafür herstellerspezifische Adapterkabel im Angebot. Es wird kein Platz für einen weiteren Monitor benötigt.

Kabel: sicheres Bild

Nachträglich fest eingebaute Kameras werden meist vom 12-V- oder 24-V-Bordnetz versorgt und per Videokabel mit dem Monitor verbunden. Die Stromversorgung können Sie nahe der Kamera abgreifen oder zusammen mit dem Videosignal verlegen. Vorher sollten Sie überlegen, ob die Kamera dauerhaft versorgt oder geschaltet angeschlossen werden soll. Videosignal und Stromversorgung werden oft in einem Kabel zusammengeführt. Ein Schalter lässt sich dann nahe dem Monitor in der Kabine unterbringen. Einige Monitore verfügen direkt über die nötige Stromversorgung für die Kamera, so lassen sich beide Komponenten über den Schalter des Monitors bedienen.
Einen einheitlichen Standard für die Kabelverbindungen gibt es nicht. Gängig sind bei einfachen Systemen Chinch-Stecker für das Videosignal, hauptsächlich direkt am Monitor und an der Kamera. Sie sind aber für den professionellen Einsatz mit Feuchtigkeit und Staub nur bedingt geeignet. Viele Anbieter setzen alternativ auf Mini-DIN-Stecker, auch eigene Lösungen der Anbieter sind keine Ausnahme. Spezialisierte Hersteller und Händler bieten zusätzlich passende Verlängerungskabel an und können auch bei der Auswahl beraten.
Für die Anbindung von Kameras auf Anbaugeräten hat sich der ABS-Stecker etabliert. Dabei befindet sich jeweils eine Dose am Anbaugerät und am Traktor. Eine (Spiral-)Kabelverbindung überträgt das Bild. Achtung: Hier gilt es, das anbieterspezifische Kabel mit der ABS-Dose zu verbinden. Auch dafür werden unterschiedlichste vorkonfigurierte Kabelsätze angeboten.

Funk: nicht immer stabil

Die Bildübertragung per Funk bietet einige Vorteile:
  • Es muss kein Kabel für die Bildübertragung verlegt werden.
  • Das Bild kann auch auf einem anderen Fahrzeug empfangen werden, zum Beispiel vom Häcksler-Auswurfkrümmer auf dem Abfahrgespann.
Dabei gibt es aber auch Herausforderungen. Eine Funkverbindung ist nicht so zuverlässig wie ein Kabel. Für sicherheitsrelevante Einsätze, wie zum Beispiel den Einsatz als Querverkehrskamera, kommt die Technik nicht infrage. Im Einsatz muss man immer damit rechnen, dass das Bild ausfallen kann. Die Gefahr ist umso geringer, je weniger die Position von Sender und Empfänger zueinander variiert.
Grundsätzlich begünstigt eine Sichtverbindung zwischen beiden Komponenten den Empfang. Deshalb kann es sinnvoll sein, eine Standardkamera mit einem Funkmodul einzusetzen. Dieses Modul lässt sich mit einer kurzen Kabel­strecke an einer für die Übertragung günstigen Position montieren. Dagegen ist der Einbauort der Kamera meist weniger variabel.
Sehr flexibel wird eine Funkkamera in Verbindung mit einem Akku. Mittlerweile sind Kombinationen oder Akku-Ergänzungen für Funkkameras verfügbar. In Verbindung mit einem Magnetfuß lassen sie sich flexibel positionieren und auf unterschiedlichsten Anbaugeräten, Traktoren und Erntemaschinen einsetzen.
Wer noch mehr Übersicht möchte, nutzt mehrere Kameras, die ein Bild aus der Vogelperspektive ergeben. Die vom Pkw bekannte 360°-Technik kann auch bei Land- und Baumaschinen eingesetzt und nach­gerüstet werden. Wie der Einbau aussieht, haben wir Ihnen in profi 9/2016 an einem Beispiel gezeigt. Je nach Ausführung muss neben Kameras und Monitor noch eine Steuer­einheit untergebracht werden. Für den Selbsteinbau eignen sich diese Systeme nur bedingt, da für die Grundeinstellung zum Teil teures Zubehör nötig ist. Sie bieten aber eine sehr gute Übersicht.

Fazit

Zahlreiche Anbieter haben sich auf Kameras für die Landtechnik spezialisiert. Sie bieten robuste und praxisgerechte Lösungen, oft als vorkonfigurierte Sets. Die Steckersysteme sind nicht genormt. Beim Selbsteinbau gilt es, einmal die Konfiguration zu planen und gegebenenfalls mit dem Verkäufer durchzugehen. Funktechnik bietet Flexibilität, das Signal kann aber abbrechen. Mit einem Akku an der Funkkamera wird diese flexibel einsetzbar.

Den Querverkehr im Blick

Ab 3,50 m Vorbaumaß, dem Abstand zwi­schen Lenkrad und Vorderkante der Maschine oder des Anbaugeräts, ist im Straßenverkehr an unübersichtlichen Stellen ein Einweiser nötig. Eine Alternative sind Kamerasysteme zur Einsicht in den Querverkehr. Diese müssen in die Fahrzeugpapiere eingetragen werden.
Voraussetzung dafür sind geprüfte Komponenten. Die auch Teil A genannte Typ-Prüfung führt die DLG durch. Prüfinhalte sind z. B. die Monitor-Darstellung und die Signalverzögerung. In Teil B wird das System am Fahrzeug oder Anbaugerät geprüft, also die konkrete Einbausituation. Dies kann durch eine Prüfstelle (TÜV, Dekra) erfolgen. Danach ist die Eintragung in die Fahrzeugpapiere möglich.
Dabei macht es einen Unterschied, wo die Kameras angebracht sind. Erfolgt die Montage am Traktor, kann eine Eintragung mit verschiedenen Anbaugeräten erfolgen. Diese müssen allerdings genau aufgeführt werden. Daraus resultiert erneute Bürokratie, wenn ein Gerät hinzukommt oder getauscht wird. In Zukunft wäre auch die Angabe eines Bauraums nach vorne denkbar, der von den Kameras abgedeckt wird.
Sind die Kameras ab Werk am Anbaugerät montiert und in der Kombination nach Teil A geprüft, erfolgt auch die Prüfung und Eintragung nach Teil B für genau diese Kombination.

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