Lohner: Wegen der Digitalisierung habe ich zum ersten Mal einen Auftrag glatt vergessen. Die Vielzahl der Kommunikationskanäle lässt sich nicht mehr koordinieren.
Maring: Was meinst du damit?
Lohner: Ich telefoniere, faxe, kriege Sprachnachrichten und Mails. Der eine ruft über WhatsApp an, der andere per Telegram, und noch einer schickt mir Nachrichten über den Facebook-Messenger. Wie soll ich da den Überblick behalten?
Fahrer: Du hast noch unser Lohnunternehmersystem vergessen.
Bauer: Nun habe ich dein Problem verstanden. Außerdem gibt es Skype, Facebook und Twitter, von Instagram, Youtube, Tik Tok, Vimeo und weiteren unzähligen sozialen Plattformen ganz abgesehen.
Lohner: Ich behaupte von mir, ziemlich fortschrittlich zu sein, aber mein bester Kunde toppt alles. Er ist Architekt, betreibt ein Gestüt und eine Hobby-Landwirtschaft. Wenn wir uns mal treffen, beantwortet er gleichzeitig Mails und Nachrichten, während wir uns entspannt unterhalten.
Fahrer: Und selbst für Leute wie mich hat er immer eine Minute zum Quatschen.
Maring: Wie geht denn das?
Lohner: Sein Lieblingswerkzeug ist die Diktierfunktion seines Smartphones. Ob es das Navi, Google, Mails oder WhatsApp ist, er tippt nichts mehr ein, sondern spricht nur mit seinem Apparat.
Maring: Mir ist jetzt nicht klar, weshalb es dich stört?
Lohner: Vorgestern fragte er gegen 16 Uhr über WhatsApp an, ob wir ihm am Abend 40 Rundballen einwickeln können. Allerdings hatte er keine Angaben zum Standort gemacht und wann bei ihm Abend ist. Also habe ich versucht zurückzurufen.
Bauer: Wenn er so viel mit seinem Smartphone macht, wird er ja immer erreichbar sein.
Lohner: Eben nicht. Ich war mit einem Hydraulikschlauch unterwegs, um einen Mähdrescher flottzubekommen. Nachdem die Maschine lief, hatte er schon wieder zwei Nachrichten geschrieben, während mein Smartphone im Auto lag.
Maring: Ich dachte, er spricht nur und tippt nicht?
Lohner: Er produziert Textnachrichten per Sprache. Allerdings fehlten immer noch Ort und Zeit. Also rief ich wieder zurück, und wieder nahm er nicht ab.
Fahrer: Du hättest ihm eine Nachricht schicken können.
Lohner: Wie soll das gehen, wenn ich Auto fahre? Nachrichten während der Fahrt zu lesen ist schon kritisch. Und mir etwas vom Apparat vorlesen zu lassen finde ich abstrus. Antworten beim Autofahren fällt mir ebenfalls schwer.
Maring: Dann fährst du mal kurz rechts ran.
Lohner: Derweil steht eine 400 000 Euro teure Maschine auf dem Fleck, weil ein Teil fehlt, und frisst jede Minute fünf Euro. Und wozu besitze ich eine Freisprechanlage? Hinzu kam, dass ich auch noch ein paar andere Gespräche hatte.
Bauer: Kurz gesagt, der ganz normale Wahnsinn.
Lohner: Mein Job macht mir Spaß, mit Wahnsinn hat das nichts zu tun. Aber wenn ich neben Telefongesprächen auch noch Nachrichten auf allen möglichen Kanälen beantworten soll, hört der Spaß auf.
Bauer: Dann bleib doch im Büro. Um Ersatzteile durch die Gegend zu fahren, gibt es sicher noch andere Leute.
Lohner: Die gibt es eben nicht. Doch zurück zur digitalen Katastrophe. Mein Architekt hatte geblickt, dass sein Auftrag unvollständig war und hatte Ort und Zeit nachgereicht, natürlich wieder als Text über WhatsApp.
Maring: Dann war alles gut.
Lohner: Nichts war gut. Wie es so ist, hatte meine Frau noch weitere Aufträge für die Wickelmaschinen erfasst und diese den Jungs per Lohnunternehmerprogramm geschickt. Gleichzeitig kam die Nachricht, dass der nächste Mähdrescher stand, wahrscheinlich war der Dieselfilter dicht.
Fahrer: So ist es, wenn man eine günstige Gebrauchtmaschine kauft.
Lohner: In der Situation hatte ich keine Muße mehr, meine Nachrichten im Smartphone zu sichten. Hinzu kam, dass für 21 Uhr ein schweres Gewitter angesagt war.
Fahrer: Das dann auch kam und im Betrieb den Hauptrouter für Telefon und Internet lahmlegte. Gegen 23 Uhr waren alle Maschinen wieder zurück, wir tranken noch ein Bier und fuhren nach Hause.
Lohner: Wohlwissend, dass unser Router ein Sensibelchen ist, startete ich das Teil erst am nächsten Morgen neu. Keine Minute später klingelte das Telefon.
Maring: Dein Premiumkunde?
Lohner: So war es. Nun fiel mir ein, dass ich ihn vergessen hatte. Sein Mitarbeiter hatte 45 Ballen Heulage gepresst und die halbe Nacht auf unser Wickelgerät gewartet. Jetzt sei das ganze Futter verdorben und er hätte mehrere Tausend Euro Schaden.
Bauer: Harter Tobak.
Lohner: Nachdem er seinen Frust abgeladen hatte, habe ich mich aufrichtig entschuldigt und ihm den Grund meines Aussetzers erklärt. Er war völlig erstaunt darüber, dass ich auf seine WhatsApp-Nachrichten nicht auch mit einer Nachricht reagiert hatte.
Fahrer: Du hast aber doch zig Mal zurückgerufen.
Lohner: Er begründet seine Strategie damit, dass in Text umgewandelte Sprache kinderleicht sei. Mit seiner Frau, seinen Kindern und viele anderen würde er auch so kommunizieren. Und er würde immer eine Antwort bekommen.
Bauer: Was war nun mit dem Futter?
Lohner: Ich konnte meinen Spezi davon überzeugen, dass Heulage durchaus eine Nacht ohne Folie liegen kann und dass wir die Ballen einwickeln, sobald sie trocken geweht sind.
Maring: Dann war ja alles wieder gut. Für mich bleibt die Erkenntnis, dass wir trotz einer perfekten Vernetzung aneinander vorbeireden, wenn wir nicht vorher festlegen, über welchen Kanal wir miteinander sprechen.