Fahrbericht
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Exklusiv: Case IH Quadtrac 715: Zieht gut aus
Exklusiv: Case IH Quadtrac 715: Zieht gut aus
Bislang hat sich der rote Riese mehr oder weniger in der Deckung halten können. Jetzt rollt er auf die Lichtung: Der Quadtrac 715 mit 778 PS setzt die Maßstäbe neu.
So manchem Bodenbearbeitungsgerät dieser Erde steht wohl die Furcht auf die Deichsel geschrieben: Der Quadtrac als Zugtier bekommt noch mehr Leistung. Diese Angst ist nicht unberechtigt, schließlich haben die Amerikaner nochmals 80 PS drauf bzw. unter die riesige Motorhaube gepackt.
Statt des Cursor 13 stemmt hier jetzt der Cursor 16 von FPT mit 15,9 l Hubraum und zwei Turboladern bis zu sage und schreibe 3 255 Nm Drehmoment auf die Kurbelwelle — 200 Nm mehr als beim bisherigen Top-Modell Quadtrac 645. Während die Geometrie des ersten Turboladers dabei fix ist, hat der zweite ein Wastegate, so dass sowohl ein großer Drehmomentanstieg als auch ein weiter Konstantleistungsbereich sichergestellt sein sollen. Die maximal 568 kW/778 PS sind dabei ohne Boost, also jederzeit verfügbar. Der riesige Ladeluftkühler tut sein Übriges, damit der Kraftstoff möglichst effizient in Zugleistung umgewandelt wird.
Der Quadtrac 715 hält die Abgasstufe V ein. Laut Gesetz ist der Grenzwert zum Ausstoß von Stickoxiden und Partikeln bei Motoren mit über 560 kW höher als bei der kleineren Leistungsklasse. Der 715er spritzt deshalb weniger AdBlue in den kleineren SCR-Katalysator und kommt zudem ohne Dieseloxidationskatalysator (DOC) und ohne Dieselpartikelfilter aus. Trotzdem ist der AdBlue-Tank stolze 322 l groß.
Noch mehr zucken Sparfüchse aber wohl zusammen, wenn der Quadtrac an der Dieselsäule steht. Mit verbreiterten seitlichen Satteltanks ballastieren sie das Ungetüm mit bis zu 1 968 l Diesel — 11 % mehr als beim Vorgänger.
Aber zurück zum Drehmoment: Das wird ins bekannte 16/2 Lastschaltgetriebe geleitet. Case IH ist vom Lastschalter in dieser Leistungsklasse überzeugt, die geringe Nachfrage nach den stufenlosen Modellen bestätigt diese These.
Bei über 3 000 Nm mussten die Ingenieure im Triebsatz aber noch mal Hand anlegen und haben die Antriebswelle und deren Lagerung verstärkt sowie Kupplungen vergrößert. Zusätzlich hat man die Schmierung angepasst, damit die permanente Zugkraft auch über Tausende Stunden übertragen werden kann.
Optional ist das Zugtier mit der 1 000er Zapfwelle ausrüstbar. Hierüber können permanent „nur“ 537 PS übertragen werden. Selbst vor einem Holzhacker, der niemals hinter einen Quadtrac gespannt werden wird, dürfte das ausreichen. Fährt der Quadtrac nur 1 km/h, soll die gesamte Motorleistung übertragen werden können. Für den Überladewagen im zweiten Leben der Boliden reicht das allemal.
Über die verstärkten Achsgehäuse, den verstärkten Endantrieb und dessen größere Lagerungen kommt das Drehmoment bei den vier Raupenlaufwerken an. Dessen Stabilisierung ist bereits am größeren Mittenlager erkennbar. Zudem sind die Antriebsräder um 100 mm im Durchmesser gewachsen (1 008 anstatt 910 mm).
Mit größerem Umschlingungswinkel des Gummibandes greifen jetzt fünf statt vier Noppen in die Speichen des Antriebsrades. Damit ist das Raupendreieck auch nach oben gewachsen. Zusätzlich ist es im Bereich der Spanner um ca. 10 cm verlängert worden, was die Aufstands- und damit Verzahnungsfläche zum Acker vergrößert.
Die Bänder sind 30 Zoll (76 cm) bzw. 36 Zoll (90 cm) breit. Für Europa empfiehlt Case die 76-cm-Variante, damit ist der Quadtrac nicht breiter als 3 m. Übrigens: Mit den größeren Antriebsrädern und gleicher Getriebeübersetzung geht eine Übersetzung im Bereich von 8 bis 12 km/h verloren, außerdem ist der Quadtrac hier auf 37 km/h gedrosselt, während er in Amerika mit bis zu 42 km/h unterwegs ist.
Wir waren auf einem 10 000 ha Ackerbaubetrieb in Tschechien unterwegs. Mit der angehängten 12 m breiten Amazone Scheibenegge (Catros+ 12003-2TS) konnten wir den Boliden leider nicht komplett fordern. Selbst bei einer Arbeitstiefe von 15 cm und stockendem Bodenfluss, zog der Quadtrac einfach weiter. Bei 15 km/h in der Stunde und nur 1 400 Motortouren gab es weniger als 1 % Schlupf und man bearbeitet locker 15 ha in der Stunde.
Dass die Zugkraft beim Quadtrac dabei zum Mittelpunkt ins Knickgelenk geleitet wird, wurde von den Vorgängern genauso übernommen wie die Gewichtsverteilung von 56/44 % des mit halb vollem Tank über 30 t wiegenden Knicklenkers (mit Hubwerk, Zapfwelle und Frontballast). Das Hubwerk der Kat. IV ist für die volle Zugleistung ausgelegt und stemmt bis zu 10,1 t.
Hydraulisch bleibt es bei einer Leistung von 216 l/min. Optional ist auch im 715er eine Doppelpumpe mit 428 l/min verfügbar. Hier kann die Konkurrenz bereits mehr Hydraulikleistung liefern, wenngleich 428 l/min auch für große Airseeder reichen dürften. Es gibt bis zu acht Steuergeräte, die jetzt (endlich) auch mit den vom Optum bekannten Entlastungshebeln ausgerüstet sind. Pro Steuergerät sollen über 133 l/min Durchfluss möglich sein. Mit optionalen ¾-Zoll-Kupplungen auch 170 l/min.
Nach den sieben Stufen des schwenkbaren Aufstiegs erreicht man den Thron. Gebettet im roten Ledersessel, die Füße auf der Harley Bar, blickt man über die riesige, neu designte Haube. Neu in der Kabine ist der Headliner oben rechts, damit finden Klimaautomatik, Radio und Licht nun einen neuen aufgeräumten Platz, wie beim Magnum. Können Sie einen Puma bedienen, fahren Sie auch den Quadtrac problemlos. Die gesamte Bedienmaske vom AFS-Connect System ist vom Vorgängermodell 645 übernommen worden. Nur ein neues Soundsystem mit Subwoofer, wie auch die seitlichen Aluschienen mit RAM-System sind Veränderungen, die in der Praxis gut ankommen werden. Und wer bei schlechtem Wetter ackert, der freut sich über den neuen Frontwischer. Fehlen eigentlich nur noch seitliche Scheibenwischer für die nötige Rundumsicht sowie ein aktiver Kühlschrank und Fußrasten an der A-Säule, wenn man sich um 40° in Richtung Arbeitsgerät gedreht hat…
Gefallen haben uns dagegen die großzügigen Handläufe am Kabinendach, um jetzt rundum die Scheiben oder Spiegel sicher reinigen zu können. Am Handlauf erkennt man ebenfalls das neue LED-Beleuchtungspaket, das in Top-Ausstattung unfassbare 76 620 Lumen Licht liefern soll.
Per Onlineschnittstelle kann der Flottenmanager dem Fahrer Aufträge, Flächen oder Bedienhilfen zuweisen.
Das Kühlerpaket ist gewachsen, der Lüfter wird hydraulisch angetrieben.
Der Wendekreis ist unwesentlich größer geworden (15,20 m statt 14,60 m).
Als Zusatzballast gibt es alleinig eine 800 kg schwere Frontplatte.
Ein armdickes Stahlseil, das von vorne zum Knickgelenk geführt wird, dient der sicheren Bergung.
32 l Motoröl sind alle 600 Stunden zu wechseln.
Die Kabine ist mechanisch gefedert.
Es gibt eine Getriebeautomatik. Die Elektronik schaltet die Gänge selbst und wählt auch automatisch die Drehzahl bei einer vorgewählten Geschwindigkeit.
Das Wettrüsten um den stärksten Schlepper nimmt kein Ende. Hat der Xerion 12.650 die Messlatte oben angelegt, überspringt der Quadtrac 715 diese bereits deutlich. Da bleibt abzuwarten, was die grün-gelbe Konkurrenz auf die Beine bzw. Raupen stellt.
Zweifelsohne zieht der Quadtrac und sieht auch noch gut aus. 778 PS verteilt auf über 6,5 m² Aufstandsfläche ergeben maximale Zugkraft für schwerste Ackerarbeiten. Dabei wurden die Laufwerke mit größeren Antriebsrädern versehen und verlängert. Was der Quadtrac kostet, konnte man uns bei Case IH noch nicht sagen, aber er wird sicher nicht weit von der Millionen-Grenze entfernt sein. Die Stückzahl bleibt gering, die Faszination groß.