Fahrbericht | Exklusiv: John Deere 9RX 830 im Fahrbericht
Exklusiv: John Deere 9RX 830 - Das gaaanz große Besteck
Der neue John Deere 9RX sorgt jetzt auch auf europäischen Flächen für Furore. Wir haben das Topmodell 9RX 830 gefahren — und sind überzeugt, dass er seine Käufer finden wird.
Mit der Vorstellung des neuen 9RX ist John Deere ohne Frage ein Paukenschlag gelungen. Der große Raupen-Knicklenker wurde nicht nur von Grund auf neu konstruiert (in Block- statt Rahmenbauweise), sondern er stößt auch in neue Leistungsdimensionen vor. War bislang der 9RX 640 mit 691 PS Maximalleistung das Flaggschiff aus Waterloo, legt der neue 9RX 830 noch mal exakt 222 PS obendrauf – Hammer!
Dass diese Power Platz braucht, wird einem eindrucksvoll klar, wenn man vor der gewaltigen Motorhaube steht. Zu unserer Überraschung lässt diese sich aber im Vergleich zur Haube des bekannten 9RX ganz bequem öffnen. Darunter kommen dann die gut zugänglichen Kühler zum Vorschein. Die muss man aber vermutlich nur selten reinigen, da der neue 9RX einen hydraulisch angetriebenen Lüfter hat, der optional durch Änderung der Drehrichtung die Kühler auch ausblasen kann.
Die Wartung ist bewusst einfach. So sind alle Wartungspunkte des 9RX vom Boden aus zu kontrollieren, es gibt Schauröhrchen für die Füllstände von Kühlwasser, Diesel, Getriebe- und Hydrauliköl. Auch der Motorluftfilter ist vom Boden aus zu erreichen, und das Motoröl kontrolliert man einfach per Peilstab hinter einer Klappe. Während hier ein 500-h-Wechselintervall gilt, ist das Hydrauliköl mit eigenem Haushalt nur alle 4 000 Stunden zu tauschen.
4.234 Nm Drehmoment, 2.000 l Diesel
Doch zurück zum Motor: Hinter dem Kühlerpaket sitzt der John Deere-eigene JD18 — ein Sechszylinder mit 18 l Hubraum, den wir schon aus den 9000er Feldhäckslern kennen. Dieses Kraftpaket ist mit 830 PS bei 1900 U/min Nenndrehzahl angegeben. Maximal sind es sogar 913 PS bei 1700 Touren. Und das höchste Drehmoment von gewaltigen 4 234 Nm stemmt der Motor bei 1400 min-1 auf die Kurbelwelle — neue Dimensionen!
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Für so eine Leistung wird ein entsprechender Dieselvorrat gebraucht. Deshalb kann der Bolide stolze 2 000 l in seinem Tank bunkern, der wegen der gleichmäßigeren Gewichtsverteilung mittig unter der Kabine statt auf dem Hinterwagen angeordnet ist. Allerdings sitzt in Deutschland im Tankstutzen ein Steigrohr, dass die Zapfpistole bei 1 500 l abstellt — mehr darf man hier ohne Gefahrgutschein nicht auf der Straße transportieren. Andererseits kommt der neue 9RX auch ohne AdBlue und Partikelfilter aus (es gibt nur eine gekühlte Abgasrückführung), da über 560 kW/760 PS weniger strenge Grenzwerte gelten.
Schaltgetriebe, 636 l/min Öl
Um die hohe Motorleistung zu den Fahrwerken zu bringen, hat John Deere ein komplett neues 21/11-Lastschaltgetriebe konstruiert. Das hat vom Aufbau her weniger mit dem 18/6 im bekannten 9R zu tun als mit dem e23 aus dem 8R. Auch hier gibt es verschiedene Schaltmodi und 40 km/h Höchstgeschwindigkeit. Hinzu kommt eine optionale Zapfwelle, die rund 250 kW übertragen kann, um z. B. einen Überladewagen anzutreiben.
Ein Hubwerk ist aber auch auf Wunsch für den neuen 9RX nicht verfügbar. Dafür ist das Zugpendel im Heck aber umso größer: Stolze 70 mm Durchmesser hat der Bolzen des Kat. V-Zugpendels — damit lässt es sich pullen. Aber dazu gleich.
Erst werfen wir noch einen Blick auf die Hydraulik. Serie ist eine Axialkolbenpumpe mit 212 l/min Förderleistung, optional gehen bis zu drei Pumpen mit 636 l/min Gesamtförderleistung. Damit werden dann bis zu sechs dw-Ventile sowie zwei getrennte Loadsensing-Anlagen versorgt. Da wundert es nicht, dass man optional noch 40 PS Hydraulikboost ordern kann!
Größere Raupen
Die Hauptaufgabe des neuen 9RX wird die schwere und schwerste Zugarbeit sein. Um dabei die Motorleistung überhaupt auf den Boden bringen zu können, hat John Deere auch größere Raupenlaufwerke konstruiert. Dabei hat das Treibrad 120 cm Durchmesser (100 cm beim kleineren 9RX) und sorgt mit 110° Umschlingungswinkel für den formschlüssigen Antrieb der 76 cm breiten Bänder. Damit bleibt der 9RX bei 2,24 m Spurweite exakt unter 3 m Außenbreite.
Das Leergewicht gibt John Deere mit 32,8 t an. Vorne und hinten ballastiert waren wir mit gut 35,5 t Einsatzgewicht unterwegs. Zusammen mit einem 9 m breiten Köckerling Vector im Schlepptau konnte der 9RX 830 auf Gut Rixdorf in Schleswig-Holstein zeigen, was in ihm steckt. Und tatsächlich erreichte der Knicklenker bei gut 30 cm Arbeitstiefe in der Ebene bis zu 12 km/h. Das entspricht einer Flächenleistung von fast 11 ha/h! Das relativiert auch den Dieselverbrauch von 165 l/h wieder: 15 l/ha passen in die Welt. Bei der Geschwindigkeit hatte der Schlepper auch keinerlei Probleme, die mehr als 900 PS Motorleistung bei weniger als 3 % Schlupf in Zugleistung zu verwandeln.
Spannender wird das unter 10 km/h — dann wird die Zugkraft so groß, dass auch der Schlupf schnell auf über 6 % anstieg. Hier würde das maximale (aber in Deutschland nicht zulässige) „Kampfgewicht“ von bis zu 42,2 t noch ein wenig helfen. Aber je nach Bodenbeschaffenheit sind die Grenzen der Physik früher oder später erreicht.
Voll gefederte Kabine, Isobus von morgen
Die Grenzen der Physik ein wenig zu verschieben, versucht John Deere offensichtlich bei der Kabine. Sie hat nicht nur eine um 20 % vergrößerte Glasfläche, da fast die gesamte rechte Konsole verschwunden ist. Auch die Grundfläche ist noch mal um 15 % gewachsen sein.
Hinzu kommt eine speziell entwickelte Vier-Punkt-Kabinenfederung mit isoliertem Unterrahmen, die den Fahrer von den Vibrationen der ungefederten Fahrwerke fernhalten soll. Das gelang bei „unserer“ Vorserien-Maschine noch nicht, soll aber zur Serie besser werden. Genauso, wie man noch an der Finalisierung der Getriebe-Software arbeitet. Derzeit schaltete die Box im Automatikmodus bei Lastwechseln noch gerne mehrfach hin und her.
Was die Bedienarmlehne mit den G5 Plus- Terminals, dem Lenksystem usw. angeht, gibt es bereits jetzt nichts mehr zu meckern. Premiere feiert im 9RX auch ein neues „Implement Ethernet“, quasi die nächste Generation Isobus. Statt einer Datenübertragungsrate von nur 150 kB/s gibt John Deere die Geschwindigkeit des neuen Systems mit 1 GB/s an.
Wir fassen zusammen
Mit dem großen 9RX stößt John Deere die Tür in eine neue Leistungsdimension auf — fast 1 000 PS und über 4 200 Nm sind gigantisch! Gleichzeitig gelang es den Amerikanern, mit 3 m Breite und 40 t Gewicht die Dimensionen der deutschen Verkehrsvorschriften nicht zu sprengen.
Trotzdem sind hier die Grenzen des Machbaren bald erreicht. So darf man den 9RX bei uns weder volltanken noch auf der Straße ein Gerät transportieren. Genau wie der Listenpreis von fast 1 Mio. Euro wird beides die entsprechenden Betriebe nicht davon abhalten, das gaaanz große Besteck auch einzusetzen.
Am Rande notiert
– Der 9RX 830 hat zwei 7,5 PS starke Anlasser. Exakt 15 PS hatte auch der Lanz D 4506, der mal in Mannheim gebaut wurde.
– Es gibt ein spezielles Werkzeug, um den mittig getrennten 9RX zur Reparatur mit einem Akkuschrauber auseinanderfahren zu können.
– Wie beim X9-Mähdrescher ist eine Fast-Fill-Ausstattung mit Anschluss und Pumpe lieferbar. Damit lassen sich 570 l/min Diesel nachtanken.
– Da der 9RX ballastiert fast 40 t wiegt, muss in Deutschland ein leichterer Schlepper das Gerät zum Acker bringen. Entsprechend gibt es eine hydraulische, aber keine Druckluftbremse.