Um jede Diskussion gleich zu beruhigen: Agco verkauft den Mähdrescher Ideal sowohl unter dem Fendt-Logo als auch mit dem Emblem von Massey Ferguson. Wir belassen es deshalb hier bei der Bezeichnung Agco Ideal.
Der Ideal ist ein Baukastensystem mit vier Modellen. Während der Ideal 7 mit einem Einzelrotor daher kommt, haben die größeren Maschinen einen Doppelrotor und unterscheiden sich in der Motorleistung sowie in der Größe der Sieb- und Abscheideflächen. Wir waren mit einem Ideal 9T unterwegs, wobei das T für die Trak Ride-Ausstattung mit dem Raupenlaufwerk steht.
Mähdrescher Agco Ideal 9T: Schneidwerk — Qual der Wahl
In dem Testbetrieb erntet neben dem Ideal 9T mit dem 35 Fuß Bandschneidwerk Geringhoff Truflex ein zweiter Ideal 8T mit dem 10,70 m Powerflow-Schneidwerk. Mehr zu den Vorsätzen erfahren Sie deshalb in einer späteren Ausgabe. Hier nur so viel: Der Transportwagen TAM Leguan 35 bekommt mit seiner 4-Rad-Bremse, der zusätzlichen Achsschenkellenkung hinten sowie der praktischen Transportverriegelungen nur gute Noten.
Gute Noten können wir auch für den Schneidwerksan-/abbau vergeben. Dank V-förmiger Führungen und kombiniertem Hydraulik-/Elektrokuppler ist das schnell erledigt. Leider war die Maschine des Betriebes nicht mit dem von Agco beworbenen „AutoDock“ zum automatischen Kuppeln von Gelenkwellen, Elektro- und Hydraulikverbindungen ausgestattet. Da das fast 12 000 Euro Aufpreis kostet, hätten wir es gerne mal ausprobiert.
Der Schrägförderer hat vier Ketten mit einer geschlossenen Walze vorne sowie eine serienmäßige mechanische Schnittwinkelverstellung (+/-6°), die für nur 1 470 Euro hydraulisch zu betätigen ist. Ebenfalls richtig gut gefallen — wenn auch kaum gebraucht — hat uns die hydraulische Reversiereinrichtung: Damit kann man das Material auch kontrolliert wieder einziehen und dem RotorFeeder zuführen. Diese 60 cm große, quer eingebaute Trommel mit 1,40 m Breite folgt hinter der (einfach zu leerenden) Mulde für die Steinabscheidung und beschickt die beiden Längs-Rotoren von unten.
Um bei einer Blockade der Zuführtrommel größere Schäden am Antrieb zu verhindern, gibt es hier eine Scherschraube. Die ist in der Ernte auch mal gebrochen, es war aber kein Pflücken notwendig — neue Schraube rein, weiter ging es. Die Zuführtrommel dreht übrigens mit 70 % der Rotordrehzahl und wird auch proportional mit dieser verstellt.
Rotoren mit Reversierung
Mit 4,84 m Länge und 60 cm Durchmesser haben die Rotoren beeindruckende Abmessungen. Serienmäßig ist beim Ideal 9 auch der zweistufige Antrieb mit manueller Umschaltung, der einen Drehzahlbereich von 280 bis 1 160 U/min ermöglicht. Und auch hier hat der Hersteller an eine hydraulische Reversierung gedacht, die wir aber nicht einmal gebraucht haben. Im Gegenteil: Es ist beeindruckend, wie viel Material durch den nur 1,40 m breiten Dreschkanal passt. Aber dazu kommen wir noch…
Aufgeteilt sind die Rotoren in vier Bereiche: Hinter dem gut 50 cm langen Zuführbereich über dem RotorFeeder mit je vier Flügeln folgt der gut 120 cm lange Druschbereich mit 2 x 4 Dreschleisten. Es folgt der 2,46 m lange Abscheide- und 62 cm lange Auswurfbereich. Hier sind die Rotoren mit helix-förmig angeordneten, 14 cm hohen und nach hinten geneigten Fingern bestückt.
Der Korbabstand wird hydraulisch verstellt, Stickstoffdämpfer federn einen ungleichmäßigen Gutfluss ab und sorgen für eine Not-Öffnung. Im Einsatz funktionierte das System super. Die Fahrer waren begeistert von der Laufruhe der Maschine.
IdealBalance nennt Agco seinen Hangausgleich. Dabei handelt es sich allerdings um nichts weiter als einen speziell geformten Rücklaufboden: Unter dem Druschbereich der Rotoren wird das Getreide durch eine konkave Form auf die mittleren 2/3 des Vorbereitungsbodens gefördert. Das Material aus dem dahinter liegenden Abscheidebereich wird dagegen über einen konvexen Rückführboden nach links und rechts außen auf den Siebkasten geführt.
Wenn Sie also tatsächlich mit Hanglagen zu tun haben, empfiehlt sich in jedem Fall der optional verfügbare Fahrwerksausgleich Para-Level. Der kostet zwar 12 350 Euro extra, hier wird der Mähdrescher aber über die Achsportale bei bis zu 14 % Neigung gerade gestellt. Und dank der schmalen Bauweise geht das beim Ideal 9 sogar noch mit Rädern der Größe 800/70 R 38 bei weniger als 3,50 m Außenbreite.
…für hohe Leistungen
Für die Überkehr hat der Ideal eine eigene Nachdrescheinrichtung, bevor das Material zurück auf den Vorbereitungsboden gelangt. Es gibt Sensoren für die Überkehrmenge und auch den Kornanteil. Leider wird der aber nicht im Terminal angezeigt, sondern nur intern für die Einstellautomatik IdealHarvest genutzt.
Genau wie die Laufruhe, überzeugte auch die Leistung des Ideal 9. In einem massigen Weizenbestand (Korn-/Stroh-Verhältnis von 1:1,27!) der Sorte Pionier mit knapp 9 t/ha Korn-Ertrag konnten wir bei Schwadablage Korndurchsätze von bis zu 60 t/h bei unter 1 % Verlust fahren (Kornfeuchte 16,6 %; Strohfeuchte 18,5 %). Bei dem Korn-/Stroh-Verhältnis reden wir somit von einem Gesamtdurchsatz von fast 140 t/h!
Genauso beeindruckte uns die Kornqualität: Nur 0,1 % Bruchkorn und 0,2 % Besatz sprechen eine eindeutige Sprache. Ebenso schonend geht der Ideal offensichtlich mit dem Stroh um. Der Anteil an Langstroh war noch hoch. Bestätigt werden die hohen Druschleistungen auch von Messungen des DLG-Testzentrums aus dem Jahr 2020. Hier kratzte der Ideal 9T beim Korndurchsatz bei 1 % Verlust sogar an der 90 t/h-Marke. Dabei handelte es sich allerdings um deutlich einfachere Druschbedingungen mit viel weniger Stroh, das komplett abgereift war.
Bei einem hohen Korndurchsatz braucht es auch einen großen Bunker. Immerhin 17,1 m3 gibt Agco an. Bei dem gemessenen Hektolitergewicht von 76 kg/hl reden wir dann über 13 t Weizen. Damit haben wir eine Entladezeit von 80 Sekunden gestoppt, was sage und schreibe 214 l/s sind — top!
Alleinstellungsmerkmal ist auch die verstellbare Überladegeschwindigkeit. Dazu werden die Abdeckungen über den Querförderschnecken im Tank in fünf Stufen verstellt. Immer wenn die Entleerung stoppt, werden die Bleche zudem geschlossen, um anschließend den Anlauf zu erleichtern.
Was noch fehlte, war eine schwenkbare Auslauftülle. Außerdem dürfte die Überladehöhe größer als die gemessenen 4,40 m sein. Ohnehin waren wir auch mit der 9,20 m langen Schnecke nicht glücklich: Man muss immer mit einem Rad über das nächste Schwad fahren. Die 10,60-m-Version ist da auch keine Lösung. Zumindest bei so massigen Beständen ist es kaum möglich, mittig über das Schwad zu fahren, ohne dass sich das Stroh aufschiebt. Alle diese Themen hat auch Agco erkannt und will künftig alternative Rohrlängen, mehr Überladehöhe und eine schwenkbare Auslauftülle anbieten.
Fein häckseln und verteilen
Kein Problem mit den Schwaden hat man, wenn man den Häcksler aktiviert (für gut 2 000 Euro Aufpreis auch aus der Kabine). Die heute serienmäßige ShortCut-Variante hat 112 Messer in acht Reihen, 55 Gegenmesser und dreht mit 3 600 Touren. Zusätzlich gibt es die optionalen, hydraulisch angetriebenen Breitverteiler. Die Schwierigkeit, dass dieses System in der Maschinenmitte zu wenig Stroh ablegte, hat Agco durch die Umrüstung auf den ActiveSpread SwingFlow vor der Ernte ziemlich in den Griff bekommen. Gefallen hat uns auch die Möglichkeit, den Siebabgang ins Schwad, zu den Seiten oder in den Häcksler blasen zu können.
Auch wenn Agco für die aktive Strohverteilung einen geringen Leistungsbedarf angibt, ohne Power dreht sich auch beim Ideal nichts. Dazu schuftet oben hinter dem Korntank ein MAN-Sechszylinder mit 15,2 l Hubraum. Der erfüllt die Abgasstufe V (mit SCR, DOC, DPF und EGR) und hat 564 PS Nennleistung bzw. 624 PS mit Boost beim Überladen. Fällt die Drehzahl auf 1 750 Touren, liegen laut Agco 647 PS an der Kurbelwelle an — damit kamen wir gut klar!
Der Brennstoff kommt aus dem mit 1 250 l schon ordentlich dimensionierten Dieseltank, den es sogar mit 1 500 l gibt. Wenn man — wie wir — nur 15 bis 18 l/ha Diesel verbraucht, reicht das für bis zu 100 Hektar ohne Stopp. Auch die tägliche Wartung ist kaum der Rede wert: Der Kühler muss dank Umkehrlüfter so gut wie nicht gereinigt werden, und nicht zuletzt dank des riesigen Verteilergetriebes oben am Motor gibt es nur eine Kette, 13 Keilriemen und gerade mal sechs Nippel, die alle 50 h zu schmieren sind.
Riesen-Raupe
Die Raupenlaufwerke beeindrucken mit ihren 2 m Höhe und fast 2 m Länge. Zusammen mit den Hinterrädern der Größe 620/70 R 26 ergeben die 76,5 cm Bänder so eine Aufstandsfläche von fast 3 m2! Die kann man allerdings auch gut gebrauchen, schließlich bringt der Ideal 9T in der Testausstattung mit Schneidwerk über 27,5 t auf die Waage. Ist der Bunker dann noch voll, fällt sogar die 40-t-Marke.
Da braucht es natürlich auch einen starken Hydrostaten, der einen in der niedrigen Stufe (bis max. 15 km/h) auch nicht im Stich lässt. Anders ist das leider im Straßengang: 40 km/h und die automotive Drehzahlsteuerung sind prima, aber an richtig steilen Straßenabschnitten müssen Sie tatsächlich runterschalten (was Agco mit einer Hillside-Version künftig ändern will).
Pluspunkte gibt es wiederum für den gut dosierbaren Fahrhebel: Mit den Tempomaten sowie dem Anbau-Modus hat man die Maschine jederzeit gut im Griff.
Ganz standesgemäß führt eine elektrisch schwenk- und klappbare Leiter zur Kommandozentrale des Ideal. Was den Komfort und Platz angeht, gibt es hier wenig zu meckern, und maximal 77 dB(A) bei der Arbeit gehen auch klar.
Kritik gibt es für die mangelhafte Freisprecheinrichtung (obwohl das Soundsystem über 1 000 Euro extra kostet!), was Agco aber schon bald ändern will. Und auch wenn von den 20 Arbeitsscheinwerfern rundum nur acht mit LED sind, ist die Beleuchtung okay — zumal es unter den Verkleidungen auch Service-Licht gibt.
Was die Bedienarmlehne angeht, lässt sich die Verwandtschaft zum Fendt Variocenter nicht leugnen. Sowohl der 10,4 Zoll große Touch-Bildschirm als auch der Direktzugriff per Taster auf etliche Einstellungen wie Rotor- und Gebläsedrehzahl, Korbabstände oder auch die Sieböffnungen sind gut. Da Agco aber kein System zum (optischen) Erfassen der Bestandskante hat, ist ein GPS-System Pflicht. Das bietet der Ideal serienmäßig, sogar mit der Möglichkeit mit Kontoursegmenten sowie automatischer Teilbreitenschaltung zu arbeiten.
Mähdrescher Agco Ideal 9T: IdealDrive und IdealHarvest
Wir haben bei dem Ideal 9T übrigens einen Wendekreis von exakt 20 m gemessen. Das ist sicher kein Rekord, aber bei über 10 m Schnittbreite in Ordnung. Optional gibt es auch die Joystick-Lenkung IdealDrive für alle Ideal mit Raupenfahrwerk. Für die bessere Sicht muss man allerdings immerhin 9 740 Euro Aufpreis investieren.
Serienmäßig ist dagegen HarvestPlus, der erste Schritt zu einer automatischen Vorfahrtregelung, gesteuert über die Schichtdicke im Schrägförderer, die Verluste sowie die Überkehrmenge.
Noch einen Schritt weiter geht das IdealHarvest: Neben den Sensoren für die Kornfeuchte und Erntemenge sowie einer Kamera zur Bestimmung der Kornqualität gibt es dazu Klopfsensoren, die über die gesamte Drusch- und Abscheidefläche verteilt sind. Diese können sowohl den Massestrom insgesamt als auch den Kornanteil im Detail auf einem separaten Tablet in der Kabine visualisieren.
Wenn man die knapp 10 000 Euro Aufpreis dafür investiert, bietet die Maschine aktuell allerdings nur eine Gebläsedrehzahlautomatik. Zur nächsten Saison will Agco dann endlich auch die voll-automatische Maschineneinstellung entsprechend den intuitiven Vorgaben über ein Dreieck (z. B. weniger Bruchkorn, weniger Besatz oder weniger Verluste) anbieten.
Ist die Klappe der Steinfangmulde beim Dreschwerkstart noch offen, schlägt ein Sensor Alarm — super.
Zu Anfang des Tests ging das Reversieren nicht mehr, es wurde ein Ventilblock getauscht. Außerdem wurde die Abdichtung des Siebkastens im Rahmen eines Werksumbaus modifiziert.
Die Telemetrie zur drahtlosen Datenübertragung ist die ersten fünf Jahre kostenlos. Dann sind 199 Euro/Jahr fällig.
Mähdrescher für über 810 000 Euro
Der Ideal 9 kostet in der Grundausstattung ohne Schneidwerk laut Liste 581 490 Euro (alle Preise ohne MwSt.). In der Version mit Raupen sind es 54 870 Euro mehr. Hinzu kommen noch die 40 km/h (5 200 Euro) mit Allradantrieb (22 340 Euro) sowie LED-Arbeitslicht (3 800 Euro) und Komfortsitz (2 680 Euro).
Außerdem noch die IdealHarvest-Anzeige (9 640 Euro) und der ShortCut-Häcksler mit Umstellung aus der Kabine (2 050 Euro) und aktivem Breitverteiler (9 390 Euro). Zusammen mit dem 10,70 m breiten Geringhoff- Bandschneidwerk Truflex 35 (96 470 Euro) samt zweiachsigem Transportanhänger mit 40-km/h-Zulassung sowie gelenkter Hinterachse (21 540 Euro) sind es dann summa summarum 810 160 Euro.
Fazit
Mit dem Ideal hat Agco einen komplett neuen Großmähdrescher entwickelt, bei dem sich nicht nur die technischen Daten sehen lassen können. Auch die Druschleistung sowie die Kornqualität des Doppelrotor-Dreschwerkes sind gut bis sehr gut. Gleiches gilt für die Bunkerkapazität und die Überladeleistung. Hinzu kommen praktische Details — von der verstellbaren Entladeleistung bis hin zur elektrisch klappbaren Leiter. Begeistert sind die Fahrer auch vom Komfort und der Laufruhe der Maschine.
Nicht überzeugt haben Dinge wie die Durchzugskraft des Hydrostaten auf der Straße, die Überladehöhe oder auch Details wie die Freisprecheinrichtung. Alles Punkte, die Agco nach eigenen Angaben schon auf der Liste hat und zur kommenden Saison beseitigen will. Bereits abgestellt sind die Kritikpunkte Undichtigkeiten am Siebkasten oder ungleichmäßige Häckselstrohverteilung.
Wenn künftig auch die Einstellautomatik richtig funktioniert, kann „die schwarze Macht“ sicher in der ersten Liga der Großmähdrescher mitspielen. Mit einem Listenpreis von über 810 000 Euro in Testausstattung samt Geringhoff-Bandschneidwerk tut sie das schließlich beim Preis schon jetzt.