Die Firma Auer Feinmechanik aus Tarsdorf in Österreich ist spezialisiert auf Sonderanfertigungen, insbesondere für den Motorsport. Als Anfang der 2020er-Jahre Klauenpfleger den Firmenchef baten, eine Schneidscheibe zu entwickeln, die auf die Klauen von Kühen auf der Alm und in Anbindehaltung abgestimmt ist, ließ dieser sich nicht zweimal bitten. Doch beließ es der Maschinenbauer nicht bei einem Schneidwerkzeug: Neben Scheiben für Weidetiere und Tiere in Anbindehaltung umfasst heute das „Kuhmeister“-Angebot auch Schneidscheiben für im Laufstall gehaltene Kühe.
Für unseren großen Vergleichstest von dreizehn Klauenpflegescheiben (profi 12/2022) wählten wir die 217 Euro teure, modern aussehende Scheibe Kuh 98 Hydra aus. Diese kam — wie jede Scheibe im profi-Test — als erstes an Klauen geschlachteter Tiere zum Einsatz. Hier stellten unsere Tester etwas erschrocken fest, dass die Kuh 98 Hydra beinahe grundlos zum Hacken neigt — und sie folglich schwer zu beherrschen ist. Als einzige Scheibe im Test schloss so die Kuh 98 Hydra bei der Bewertung „Beherrschbarkeit“ mit einem Minus ab. Unsere Kritik fiel bei Auer auf fruchtbaren Boden. Mit dem Verweis, dass die Entwicklung inzwischen weitergegangen sei, schickte uns Auer postwendend zwei neu entwickelte Klauenschneidscheiben zu. Zusammen mit Klauenpfleger Antoine Janssen aus Luxemburg nahmen wir die Scheiben Bella und Kuhmeister Profi im Rahmen eines Nachtests gesondert unter die Lupe.
Die erste und im Durchmesser 114 mm große Testscheibe namens Bella ähnelt den Schneidscheiben Farmer von CowCare, der ProTrim von Kerbl und der S35 von Allredo: Insgesamt sechs Klingen, aufgeteilt auf drei Paare, nehmen hier das Horn der Klauen ab. Auf Höhe der Klingen sind die Ränder an drei Stellen offen, was die Ableitung der Hornspäne sowie den Blick auf die Klaue begünstigt.
Der Rand der aus Alu gedrehten Scheiben liegt etwas tiefer als die Scheibenmitte. Die äußere Klinge steht so etwas mehr über und erreicht dabei eine theoretische Schnitttiefe von 1,3 mm. Die dahinter angeordnete Klinge erzielt hingegen nur eine Schnitthöhe von 0,3 mm. Im Vergleich zum Wettbewerb ist die Scheibe damit sehr moderat eingestellt. Tatsächlich gefällt sie uns dadurch besonders gut, denn für den geübten Landwirt bleibt so der Abtrag von Horn gut beherrschbar. Ebenfalls positiv: Das im letzten Test beklagte Hacken blieb bei der Bella komplett aus.
Für professionelle Klauenpfleger dürfte die Bella-Scheibe dagegen weniger eine Empfehlung sein, da sie für diese Zielgruppe einen Tick zu wenig aggressiv arbeitet. Hinzu kommt, dass — wie im Übrigen bei allen baugleichen Scheiben vom Wettbewerb — die Messer auffällig früh stumpf werden. Diesbezüglich ist gut zu wissen, dass jede Klinge dreimal gedreht werden kann, bevor für knapp 20 Euro ein neuer Messersatz fällig ist.
Zum Lösen der Messer empfehlen wir die Anschaffung eines hochwertigen 20er Torx-Schraubendrehers. Der Messerwechsel geht damit wirklich gut und einfach. Auer selbst legt bei der Bella keinen Torx-Schlüssel bei. Gestört hat, dass die Schrauben fürs Fixieren der Klingen zu rosten anfangen. Laut Hersteller liegt dies am hochfesten Stahl der 6er Schrauben mit einer 12.9er Zugfestigkeit. Mit Blick auf die Gefahr sich lösender Klingen bei Schrauben mit niedriger Zugfestigkeit sieht Auer hier keine Alternative. Was hilft, ist ein Tropfen Öl beim Messerwechsel, so Auer.
Lob verdient hat die Rückseite der überaus rund laufenden Scheibe. Denn beim Fräsen blieb auf der Rückseite ein 14 mm hoher Sechskant zum Aufsetzen eines Maschinenschlüssels stehen. Auf diese Weise lässt sich die Scheibe vom Winkelschleifer nehmen, ohne in die Messer greifen zu müssen. Vor allem aber kommt die Scheibe durch den 14 mm hohen Sockel weiter nach außen, so dass unter normalen Umständen der serienmäßige Schutz des Winkelschleifers zur Vorbeugung von Verletzungen und Augenschäden verwendet werden kann.
Fazit
Die 171 Euro (alle Preise ohne Mehrwertsteuer) teure Klauenschneidscheibe Bella von Auer ist gut beherrschbar, sie hackt nicht und sie hinterlässt ein klares Schnittbild. Das Abtragen von Horn erfolgt weniger aggressiv als bei Scheiben vergleichbarer Bauart, so dass die Bella-Scheibe für den geübten Landwirt eine gute Empfehlung darstellt.
Kuhmeister Profi: Name ist Programm
Die Kuhmeister Profi ist die zweite Scheibe von Auer in unserem Nachtest. Mit 98,4 mm ist sie wesentlich kleiner als die Bella-Scheibe, und statt sechs Messerklingen hat die Kuhmeister Profi nur drei — mit zwei Schneiden je Messer. Der Preis eines Messersatzes beläuft sich auf zwölf Euro.
Die jeweils 15 mm langen Messer stehen ganze 1,5 mm über. Dieser Umstand erhöht die Gefahr von Verletzungen an der nebenstehenden Klaue, weshalb nur Klauenprofis mit der Kuhmeister Profi arbeiten sollten.
Und um es an dieser Stelle auch auf den Punkt zu bringen: Fürs Anlegen von Hohlkehlungen oder für ein Eintauchen in den Zwischenklauenspalt ist der Messerüberstand ebenfalls ungeeignet.
Die theoretische Schnitthöhe haben wir mit 1,4 mm gemessen. In Kombination mit tiefen Versenkungen vor den Klingen trägt die Kuhmeister Profi sehr gut ab. Für die Sohle eignet sich die Schneidscheibe somit gut, für die Pflege des Ballens ist sie nur mäßig geeignet. Und fürs Kürzen der Klauenspitze und der Afterklauen ist sie gänzlich ungeeignet.
Die Beherrschbarkeit der Kuhmeister Profi bewerten wir mit „durchschnittlich“. Denn Fehler beim Halten und Anstellen auf die Klaue verzeiht die Kuhmeister Profi nur selten — eher bestraft sie diese mit einem unverhofften Hacken ins Horn. Anders als die Kuh 98 Hydra ist die Kuhmeister Profi aber tatsächlich beherrschbar, wenn man sie zu nehmen weiß. Und das setzt idealerweise ein ausgiebiges Üben auf einem Stück Holz voraus. Bei dieser Gelegenheit lernt man dann auch, dass für die Kuhmeister Profi der Winkelschleifer in einem spitzen Winkel zur Klaue gehalten werden sollte und auf „13 Uhr“ zu schneiden ist.
Mit Blick auf Beherrschbarkeit und Abtragleistung gehört die 166 Euro teure Auer Klauenpflegescheibe Kuhmeister Profi tatsächlich nur in die Hände von Profis. Wer sie jedoch zu beherrschen weiß, dem steht ein gutes Werkzeug zur Verfügung.