Maring: Man munkelt, dass Alberts Azubi in der Maschinenhalle Amok gefahren ist.
Bauer: Blödsinn, das Mähwerk war eh angezählt, schade ist es um die Lackierung des Düngerstreuers. Vor allem bin ich froh, dass der Junge sich nicht umgebracht hat, nur weil die Programmierer einer EHR scheinbar noch nie selbst auf einem Schlepper gesessen haben.
Fahrer: Was ist passiert?
Bauer: Der Auszubildende sollte das Mähwerk an unseren Pflegeschlepper anbauen. Der hat eine etwas spezielle Bedienung der EHR. Von zu Hause kennt er nur die Premium-Fabrikate, die wohl logischer zu bedienen sind.
Lohner: Dazu kann ich gleich etwas sagen, erzähle du zuerst deine Geschichte.
Bauer: Mein Auszubildender fuhr rückwärts an das hochgeklappte Mähwerk und hatte die Unterlenker schon mal perfekt positioniert. Er hatte aber das Procedere zum Entriegeln der EHR noch nicht durchgeführt. Dazu betätigt man den Hebel für den Schnellaushub mehrmals. Selbst ich habe dabei nach 15 Jahren keine Systematik erkannt, aber es funktioniert irgendwie.
Maring: Hört sich ja abenteuerlich an.
Bauer: Obwohl die Unterlenker unten waren, stand das Drehrad für die Position auf oben. Zum Aktivieren der EHR gehört auch ein kurzes Betätigen der Hubfunktion. Weil sich die Unterlenker aber bereits unter den Fangkugeln befanden und sich unvermittelt anhoben, haben diese das hochgeklappte Mähwerk nach hinten auf den Düngerstreuer geworfen.
Maring: Das darf doch nicht wahr sein. Die jungen Leute sind doch meist sehr technikaffin. Scheinbar haben die Entwickler der Traktor-EHR echten Bockmist programmiert.
Bauer: Sie haben insofern gute Arbeit gemacht, als dass das Hubwerk bis heute einwandfrei funktioniert. Aber weshalb wir nach dem Starten des Traktors immer zuerst am Schnellaushub herumfummeln sollen, habe ich nicht begriffen.
Fahrer: Weil es so ist. Was glaubt ihr, was sich die Elektroniker alles einfallen lassen, um Fahrhebel und Terminals für Laien unbedienbar zu machen?
Maring: Besitzt ihr keine Bedienungsanleitungen?
Bauer: Nachdem wir das Chaos in der Maschinenhalle aufgeräumt hatten, nahmen wir uns das Handbuch für den Traktor vor. Und siehe da, dort ist das Aktivieren des Hubwerks präzise beschrieben. Nirgends steht aber, dass der Drehregler bei abgesenkten Unterlenkern unbedingt auch auf Senken stehen sollte!
Lohner: So ist es mit den Bedienungsanleitungen. In dieser Runde kann ich mich ja outen. Neulich ist es mir als altem Hasen nicht gelungen, einen Vorführschlepper an eine Drillkombination zu koppeln.
Maring: Sicher war wieder die EHR schuld.
Lohner: Genauso war es.
Maring: War kein Handbuch dabei?
Lohner: Oh doch, 500 Seiten, mit Inhaltsverzeichnis, Stichwortverzeichnis und super Bildern. Nirgendwo stand aber geschrieben, dass die externe Hubwerkbedienung nur dann funktioniert, wenn die Handbremse angezogen ist.
Bauer: Handbremse? Die Traktoren dieses Fabrikats gehen doch automatisch in die Parkposition, wenn man anhält. Wer nicht aufpasst und noch im Rollen in den Leerlauf schaltet, klebt an der Frontscheibe.
Lohner: Trotzdem gibt es noch einen kleinen Handbremshebel, und der möchte betätigt werden, damit die externe Hubwerkbedienung funktioniert und so einer wie ich eine Maschine anbauen kann.
Maring: Wie hast du das herausgefunden?
Lohner: Indem ich den Werkstattmeister aus der Pause geklingelt habe. Er hat einen Moment überlegt und gab mir den Tipp mit der Handbremse. Er hat aber auch bestätigt, dass es dazu keinen Hinweis in der Bedienungsanleitung gibt.
Bauer: Solche Leute braucht es. Vor kurzem hat mein Schwager eine gebrauchte Spritze gekauft. Gemeinsam haben wir einen Radsensor für den Bordcomputer am Achstrichter seines Traktors montiert. Ein Adapterkabel für die Signalsteckdose war ihm zu teuer.
Maring: Was hat das mit unserem Thema zu tun?
Bauer: Wir fuhren anschließend zur Firma Lohner und ihrer wunderbaren 100-Meter-Kalibrierstrecke. Soweit alles gut. Ich hatte die passenden Seiten in der Anleitung gefunden und dachte, der Fall sei in zwei Minuten erledigt.
Lohner: Die Vorführung auf unserem Hof, an der zwei erwachsene Männer in einer überfüllten Traktorkabine teilnahmen und sich gegenseitig beschimpften, war recht unterhaltsam. Gefühlt seid ihr den ganzen Nachmittag auf und ab gefahren.
Bauer: Es war nicht machbar, den neuen Kalibrierwert zu speichern. Bis Claus Fahrer mit der Handy-Nummer eines Spezialisten kam, der für den Händler des Spritzenfabrikates arbeitet.
Maring: Wusste der, was Sache ist?
Bauer: Aber hallo. Ich hatte ein ganz schlechtes Gewissen, weil ich noch nie eine Maschine in seinem Laden gekauft hatte. Dennoch hat er uns die Bedienung des 20 Jahre alten Bordcomputers perfekt erklärt. Der wusste genau, wie oft welche Taste zu drücken ist und welcher Text dann im Display erscheint. Erst seine Hinweise gaben den kryptischen Schilderungen im Handbuch einen Sinn.
Fahrer: Wenn ich einen Schluss aus euren Erlebnissen ziehen darf, dann brauchen wir in der Landtechnik unbedingt wieder mehr natürliche statt künstlicher Intelligenz.