Fahrbericht

John Deere 8R 410 eAutoPowr: Jetzt wird es spannend

Vorgestellt hat John Deere das neue eAutoPowr schon zur Agritechnica 2019. Jetzt fahren die ersten stufenlosen Getriebe mit Elektrokomponente in der Praxis.

Äußerlich kann man den Hirsch mit dem neuen eAutoPowr genauso wenig identifizieren, wie die elektrische Triebachse am Joskin Tanker. (Bildquelle: Karsten, Wilmer)

Da das bekannte stufenlose AutoPowr-Getriebe aus Waterloo nicht für so hohe Leistungen ausgelegt ist, gab es das Topmodell 8R/RT/RX 410 (443 PS Maximalleistung) bislang nur mit dem Lastschaltgetriebe e23.
Weil viele Kunden aber gerade bei dem größten 8R ein stufenloses Getriebe wünschen, mussten sich die Amerikaner etwas einfallen lassen. Dabei sahen sie die Lösung für die Zukunft nicht darin, einfach die Hydraulikkomponenten der Leistungsverzweigung in dem vorhandenen Triebsatz zu verstärken.

Mit Strom statt Hydraulik

Im eAutoPowr-Getriebe wurden deshalb die Hydraulikpumpe und der Hydraulikmotor durch einen elektrischen Generator und einen baugleichen Elektromotor ersetzt. So erzeugt der vom Dieselmotor angetriebene Generator den Strom für den Elektromotor. Dieser wiederum treibt das Sonnenrad des Summierungs-Planetensatzes an, während das Hohlrad vom mechanischen Teil des Getriebes angetrieben wird.
Dieses hat jetzt vier automatisch wechselnde Übersetzungen (John Deere spricht von „Modi“), die zusammen mit der elektrischen Komponente für einen stufenlosen Antrieb über den Geschwindig­keitsbereich von 0 bis 40 bzw. 50 km/h sorgen. Außerdem ist das eAutoPowr bei reiner Zugarbeit auch für Leistungen bis 443 PS freigegeben. Hinzu kommt der Boost, der allerdings die Maximalleistung bei Transport- oder Zapfwellenarbeiten lediglich um 15 PS erhöht.

Einfacher Aufbau

Ein weiteres Argument der Ingenieure, die Hydraulik gegen die dreiphasigen, permanent-erregten Synchron-Motoren zu tauschen, ist der geringere Anteil an beweglichen Teilen. Das senkt die Wartungskosten und soll die Zuverlässigkeit erhöhen. Lediglich das Gewicht ist höher: Das neue Getriebe — das übrigens im Gehäuse des e23 untergebracht ist — bringt rund 250 kg mehr auf die Waage als das e23.
Aber zurück zur Zuverlässigkeit: Das eAutoPowr hat eine automatisierte Sensorik für Leckagen und Schmierdrücke. So kann es Probleme erkennen und per Expert Alerts z. B. an den Händler melden, bevor der Triebsatz wirklich ausfällt. Die beiden bürstenlosen E-Maschinen sind aber nicht nur baugleich, sondern auch einfach aufgebaut: Ein Rotor dreht sich in zwei Kugellagern innerhalb des Stators — im Mittel mit 2.400 bis 4.500 Umdrehungen pro Minute, maximal mit bis zu 10.000 U/min.

Und der Wirkungsgrad?

Nach Angaben von John Deere hat das eAutoPowr etwa die gleiche Effizienz wie die bekannte hydro-mechanische Variante. Was der Elektromotor allerdings leisten kann, will der Hersteller nicht verraten.
Jedenfalls wird der 8R bis 5 km/h rein elektrisch bewegt, erst darüber kommt der mechanische Anteil ins Spiel. Das vierstufige Getriebe sorgt dann dafür, dass bei 1.900 Motorumdrehungen die Kraftübertragung bei ca. 7, 14, 23 und auch 45 km/h zu 100 % mechanisch erfolgt. Trotzdem empfiehlt John Deere aufgrund des nach eigenen Angaben etwa 7 % besseren Wirkungsgrades nach wie vor das e23-Lastschaltgetriebe, wenn der Traktor für reine Zugarbeiten eingesetzt werden soll.

Unter 5 km/h rein elektrisch

Eine Besonderheit des eAutoPowr ist die Laufruhe. Man hört in der Kabine praktisch keine Getriebegeräusche. Lediglich das Schalten des Fahrtrichtungswechsels ist deutlich wahrnehmbar. Dann ändert nämlich der E-Motor nicht nur seine Drehrichtung, sondern der mechanische Antrieb des Hohlrades wird entkoppelt.
Gleichzeitig wird eine Kupplung vom E-Motor zum Hohlrad geschlossen und es geht bis 5 km/h auch rückwärts rein-elektrisch, bevor der mechanische Antrieb wieder ins Spiel kommt — und rückwärts maximal 30 km/h ermöglicht. Vorwärts fährt der 8R mit eAutoPowr übrigens bis zu 50 km/h bei weniger als 1.400 Touren.

100 kW extern nutzbar

Was die Zapfwellen-Ausstattung angeht, bietet der 8R 410 auch mit dem neuen eAutoPowr-Getriebe die rein mechanisch geschalteten Drehzahlen 1.000 und 1.000E. Im wahrsten Sinne des Wortes „spannender“ ist hier die Möglichkeit, für einen Aufpreis von 21.450 Euro bis zu 100 kW bei 480 Volt über Steckdosen im Heck für externe Verbraucher nutzen zu können.
Dazu hat John Deere gemeinsam mit Joskin einen Radantrieb für zwei der drei Achsen eines Güllewagens entwickelt. Dabei handelt es sich um die gleiche E-Maschine, die im Getriebe als Generator und Motor verbaut ist — allerdings mit einer Untersetzung und einer aufwändigen Öl-Kühlung. Außerdem gibt es einen Winkelsensor zwischen Traktor und Güllewagen im Bereich der Deichsel. Damit wird der Klappmesser-Effekt verhindert, wenn der Anhänger den Traktor, z. B. in einer Kurve, schieben würde.
Einmal aktiviert arbeitet das System dank einer ausgeklügelten Software komplett automatisch: In drei Stufen (ab 4, 7 oder 10 % Radschlupf) schaltet sich der hintere Radantrieb zu. Wird der Einschlagwinkel zwischen Traktor und Anhänger zu groß, regelt der externe Antrieb herunter.
Aktuell ist der mit Joskin entwickelte Radantrieb noch die einzige Möglichkeit, extern Strom zu nutzen. Denkbar sind aber viele Anwendungen, angefangen von Mähwerken bis hin zur Kreiselegge. Laut John Deere ist man hier für Lösungen aller Hersteller offen. Ein Betrieb als stationäres Notstromaggregat ist laut John Deere allerdings nicht vorgesehen.

Fazit

Im neuen stufenlosen eAutoPowr von John Deere sind die hydraulischen Komponenten durch Elektrik ersetzt. Das Getriebe läuft leiser und soll wartungsärmer sein. Außerdem besteht optional die Möglichkeit, bis zu 100 kW elektrischen Strom extern zu nutzen — aktuell aber nur für den Radantrieb an passend ausgerüsteten Joskin Güllewagen.
Das neue Getriebe ist künftig sowohl für den 8R/RT/RX 410 als auch den 370er erhältlich und kostet im Vergleich zum Lastschalt­getriebe e23 satte 22.586 Euro Aufpreis. Hinzu kommen weitere 21.450 Euro, wenn man auch die Steckdose im Heck haben möchte. Wir sind im wahrsten Sinne des Wortes gespannt, wie die Entwicklung weitergeht.

Integrierte Reifendruck-Regelung

Der 8R 410 war auch mit der neuen, John Deere-eigenen Reifendruckregelanlage ausgestattet. Dazu hat der Schlepper einen Doppelkolben-­Kompressor mit Riemenantrieb und 720 cm3 Hubraum. Der wird über eine elektrische Kupplung geschaltet und sorgt zusammen mit den 12 mm Leitungen für eine effektive Füllmenge von 610 l/min bei Nenndrehzahl. Bei der größten Reifenkombination VF900/60 R 42 hinten und VF650/60 R 34 vorne dauert die Erhöhung des Drucks um 1 bar laut John Deere knapp acht Minuten. Noch schneller geht es beim Ablassen: Mit 1.000 l/min ist der Druck laut Hersteller in weniger als 5 Minuten um 1 bar gesenkt.
Es handelt sich bei dem System um eine Ein-Leiter-Anlage, die dank spezieller Ventile an den Rädern nicht permanent unter Druck steht. Stattdessen werden die Ventile per Druckimpuls von einem Steuergerät geöffnet bzw. geschlossen. Das funktioniert vereinfacht gesagt wie bei einer Kugelschreibermine, die per Daumendruck rein- und rausgedrückt wird. Die Software kann dabei jeden Reifen oder jede Achse einzeln ansteuern und die Ventile auch nur kurz öffnen, um z. B. den aktuellen Reifen­innendruck abzufragen.
Die Bedienung des Systems erfolgt einfach per Knopfdruck über einen vorkonfigurierten Schnellzugriff (Straße/Feld) oder individuell auf der Bedienseite im Terminal. Dabei kann auch eine Geschwindigkeit eingestellt werden, bei deren Überschreiten eine Meldung den Fahrer an das Befüllen der Reifen erinnert.

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