Lagerschäden am Mähdrescher frühzeitig erkennen: Sehen, hören, fühlen
Eine genaue Begutachtung der Lagerungen bei Erntemaschinen wie dem Mähdrescher ist wichtig für den störungsfreien Saisonstart und verhindert nervige Zwangspausen.
vor einem Tag
Schäden an sämtlichen Lagerungen sind oft schnell und kostengünstig zu beheben. Wichtig ist, dass man sie frühzeitig erkennt. Denn größere Folgeschäden durch Vibrationen, eingelaufene Lagerschalen oder Wellen bringen oft hohe Folgekosten mit sich. Sogar Brände lassen sich im besten Fall durch den frühzeitigen Tausch verhindern.
Wir waren bei den Erntespezialisten von Quinte Landtechnik in Lichtenau (NRW), die sich auf den Verkauf gebrauchter Mähdrescher sowie deren Wartung und Instandsetzung fokussieren. Markus Ernst, Werkstattmeister und Michael Katt, Mitinhaber bei Quinte, gaben uns einige Tipps.
Ursache von Lagerschäden
Ob und warum es zu einem Lagerschaden kommt, kann viele Gründe haben. Erfuhr das Lager eine entsprechende Wartung z. B. durch regelmäßiges Abschmieren, können manche Lager ein Maschinenleben standhalten (Wartung von Wälzlagern in profi 3/2020).
Zudem zeigt die Erfahrung der Werkstätten, dass bei gewissen Lagern vorsorgliche Wechselintervalle befolgt werden sollten: „Beispielsweise raten wir dazu, die Lager der Dreschrotoren bei Rotordreschen z. B. von Claas bei einer durchschnittlichen Druschleistung von 350 ha/Jahr alle vier Ernten zu tauschen“, erzählt Markus Ernst. Zudem wissen Fachwerkstätten wie Quinte, welche Lagerstellen bei den unterschiedlichen Mähdreschern anfällig sind und geprüft werden sollten. Hierzu zeigen wir Ihnen später noch einige Beispiele.
Grundsätzlich gibt es einige Dinge, mit denen sich die Gefahr von Schäden minimieren lassen: So ist beim Waschen Vorsicht geboten. Hält man den Strahl eines Hochdruckreinigers mit teils bis über 200 bar zu nah an ein Wälzlager, kann Wasser von außen zwischen die Wälzkörper dringen und Korrosion begünstigen. Ein sofortiges Abschmieren nach der Reinigung mit anschließendem „trocken laufen lassen“ ist sinnvoll. Derartige Korrosionsschäden erkennen Sie meist frühzeitig an vereinzelten Rostflecken auf dem Innen- und Außenring des Lagers.
Eine weitere Ursache für Lagerschäden können Stromschäden sein. Muss z. B. an der Dreschtrommel geschweißt werden, sollte man das Massekabel immer möglichst nahe an die zu reparierende Stelle setzen. Fließt der Strom hingegen durch ein Wälzlager, kann es zum Lichtbogen innerhalb des Lagers kommen. Diese erzeugen dann kleine Krater in den Laufbahnen der Wälzkörper, welche den Verschleiß bei weiterem Lauf erhöhen.
Spannungen vermeiden
Es kann vorkommen, dass neue Lager bereits nach kurzer Einsatzdauer ihren Dienst wieder quittieren. Meist liegen die Gründe in einer fehlerhaften Montage. Wurde das Lager z. B. unter großer Spannung eingebaut, erhöht sich der Rollwiderstand beispielsweise in axialer Richtung. Da Rillenkugellager nur bis zu 20 % der maximal einwirkenden Kraft axial aufnehmen können, kann eine falsche Belastung die Lebensdauer erheblich mindern.
Zudem können unvorsichtige Schläge auf Innen- oder Außenring beim Einbau zu Schäden an den Laufbahnen der Wälzkörper führen oder die Dichtung beschädigen. Später sind solche kleinen Einschläge der Grund für erhöhten Abrieb und somit vorzeitigen Verschleiß.
Die Experten raten, stets passende Montagewerkzeuge, wie Schlaghülsen zu nutzen und manuell den Freilauf nach dem Einbau durch Drehen der Welle zu prüfen. Kommt einem der Rollwiderstand zu hoch vor, kann ein Setzschlag auf den Kopf der Welle gegebenenfalls entspannen. Um Verspannungen beim Einbau grundsätzlich zu reduzieren, sollten Wellenstummel und Lagerschale vor der Montage gründlich gereinigt sowie bei Bedarf mit Drahtbürste und Schmirgelpapier von Rost befreit werden.
Optische Prüfung
Um vor allem beschädigte Wälzlager zu identifizieren, gilt es, die Maschine zunächst optisch im Stillstand zu prüfen: Sind Anlauffarben oder Lackabplatzer um die Lager herum zu sehen? Befinden sich die Dichtungen an Ort und Stelle? Gibt es Anzeichen von Korrosion? Sind alle Sicherungselemente wie Klemmringe oder Sprengringe an Ort und Stelle?
Während laufender Maschine sollte man bei sichtbaren Wälzlagern zudem auf ein Mitdrehen des Innen- oder Außenrings achten. Dieser Fehler kann zum einen von festgelaufenen Wälzkörpern infolge mangelnder Schmierung oder zum anderen von einer verschlissenen Lagerschale bzw. Welle stammen.
Ein Problem bei der optischen Begutachtung: Oft sind nicht alle Lager sichtbar. Ein Hilfsmittel kann in solch einem Fall z. B. ein einfaches Endoskop für das Handy sein, wie wir es z. B. in profi 11/2023 vorstellten. Zudem können entsprechende Lasertemperatur-Messgeräte oder Wärmebildkameras Abhilfe schaffen. Hierfür muss die Maschine allerdings eine Zeit laufen, um Unterschiede zu erkennen.
Zudem sollte man eine identische Lagerstelle als Referenz haben, um ungewöhnliche Wärmeentwicklungen zu erkennen. „Im Dauerbetrieb können Temperaturen schnelldrehender Wälzlager von über 70 °C — wie beim Strohhäcksler — normal sein“, weiß Markus Ernst. „Da ist es schwierig eine Aussage zu treffen.“
Vergessen Sie nicht, sämtliche Silentbuchsen anzusehen. Diese schwingungsdämpfenden Gummi-Metalllager führen z. B. Riemenspanner oder die Aufhängung von Getrieben. Sind Risse in den Gummiblöcken zu erkennen oder befindet sich der Innenring bereits außermittig des Gummiblocks, ist ein Tausch anzuraten.
Akustische Prüfung
Macht die Maschine irgendwelche untypischen Geräusche? Vor allem metallische, raue Laufgeräusche können auf Lagerschäden hindeuten.
Problem bei frühzeitiger Erkennung per Gehör sind die lauten Betriebsgeräusche von Landmaschinen. Meist wird ein Lagerschaden daher erst wahrgenommen, wenn es eigentlich schon zu spät ist und kein Weiterfahren möglich ist. Ein Hilfsmittel zur vorbeugenden akustischen Begutachtung ist z. B. das Stethoskop PCE-S 41, das wir in profi 3/2021 genauer vorgestellt haben. Mit diesem Hilfsmittel lassen sich mit etwas Übung bereits erste Anzeichen von z. B. einem Trockenlauf des Lagers per Gehör identifizieren.
Sind Sie sich bei einem Lager zudem nicht sicher, führt oft kein Weg daran vorbei, das Antriebsritzel oder den Riemen zu entnehmen und die ganze Welle einmal manuell zu drehen. Sind dann bereits bei geringen Drehzahlen metallische Laufgeräusche wahrzunehmen, ist dies ein Indiz für einen angehenden Ausfall.
Lagerspiel prüfen
Last but not least gilt es, das Lagerspiel zu prüfen. Als Hilfsmittel genügen meist Montiereisen in unterschiedlichen Größen. Grundsätzlich sollten Wälzlager kein merkliches Spiel aufweisen. Erkennt man, dass sich der Innenring leicht bewegt, ist das Lager zu tauschen.
Dasselbe gilt für nahezu alle Gleitlagerungen, wobei es hier Ausnahmen gibt: Beispielsweise sind manche Schüttlerhorden per Gleitlagerbock aus Hartholz auf den Kurbelwellen der Schüttler geführt. Hier sollten die Lagerungen ein leichtes Spiel haben, da sonst die Gefahr des Festlaufens groß ist. Derartige Lager lassen sich durch Distanzscheiben nachstellen.
Ein Montierhebel hilft bei der Kontrolle des Lagerspiels. Bei Wälzlagern sollte kein Spiel spürbar sein.
(Bildquelle: Bertling)
Vor allem einfachere und ältere Schüttlermaschinen haben noch Hartholzlager.
(Bildquelle: Bertling)
Weitere Hilfsmittel
Für die Wartung dauerhaft beanspruchter Industrieanlagen gibt es Messinstrumente, mit denen sich die Lager-Beschaffenheit bestimmen lässt. Eine Möglichkeit ist die Verwendung von Ultraschallgeräten bei Wälzlagern. Hierbei wird ein Fühler am Lager befestigt, der die Laufgeräusche aufzeichnet und mit Referenzwerten vergleicht. Als Leitlinie gilt hier die ISO-Regel, das eine Geräuschentwicklung über 8 dB über dem Schwellenwert auf mangelnde Schmierung hinweist, mehr als 16 dB auf eine Beschädigung und über 35 dB auf einen kritischen Ausfall.
Weitere Überwachungssysteme sind z. B. fest angebrachte Temperatursensoren, wie sie z. B. Kemper am C250 TLA ProfiCracker verwendet. So soll frühzeitig die Planung eines Lagertausches möglich sein.
Fazit
Vor allem im Mähdrescher gibt es eine Vielzahl drehender und schwingender Teile. Umso wichtiger ist die konsequente Begutachtung vor der Ernte. Mit den passenden Tipps genügen ein genauer Blick, ein gutes Gehör und ein Montierhebel für die Prüfung unterschiedlicher Lagerungen.