Turbolader überholen mit den Turbodoktoren: Atemnot
Geht der Turbolader kaputt, ist der Austausch teuer. Günstiger ist in vielen Fällen die professionelle Instandsetzung durch Firmen wie die Turbodoktoren.
Nur 3 % der eingesandten Turbolader haben einen technischen oder wirtschaftlichen Totalschaden“, berichtet uns Corvin Hampe, Geschäftsführer und Gründer der Turbodoktoren aus Harsefeld, westlich von Hamburg.
Zusammen mit seinem Team setzt er im Monat bis zu 900 Turbolader instand. Diese stammen aus Pkw-, Nutzfahrzeug-, Land- und Baumaschinen- sowie aus Industriemotoren.
Funktion und Arten von Turboladern
Bei allen Turboladern wird der Abgasstrom dazu genutzt, ein Turbinenrad mit bis zu 200 000 U/min anzutreiben. Über eine Welle ist das Turbinenrad mit dem Verdichterrad verbunden. Dieses saugt Luft an und drückt sie durch ein schneckenförmiges Verdichtergehäuse, dessen Durchmesser sich zum Auslass hin verjüngt, in den Ansaugtrakt. Der Sauerstoffanteil in der Ansaugluft wird so erhöht, wodurch mehr Kraftstoffteilchen je Liter Luft eingespritzt werden können und die Verbrennung effizienter wird.
Die einfachste Variante sind ungeregelte Turbolader, deren Drehgeschwindigkeit abhängig vom Abgasstrom und somit von der Motordrehzahl ist. Bei geregelten Ladern gibt es zum einen die Waste Gate-Turbolader. Diese besitzen entweder direkt am Turbinengehäuse des Turboladers (intern) oder am Abgaskrümmer (extern) eine Klappe, die den Abgasstrom zur Turbine steuert. Diese Art des Laders wird häufig bei Benzinmotoren eingesetzt.
Bei Dieselmotoren findet man meist sogenannte VTG-Lader. Das Kürzel steht für variable Turbinengeometrie. Einfach erklärt, wird der Abgasstrom ringsum zum Turbinenrad über kleine, einstellbare Flügel gelenkt. Allgemein haben geregelte Turbolader den Vorteil, dass diese vor allem bei niedrigen Drehzahlen aufgrund der Regulierung der Abgaszuführung schneller drehen können und so das „Turboloch“ im unteren Drehzahlbereich minimieren. Sie schaffen es, bei niedrigeren Motordrehzahlen mehr Luft zu verdichten als ungeregelte.
Turbolader: Was geht kaputt und welche Ursachen gibt es?
Bei regelmäßigem Ölwechsel und guter Pflege sind Turbolader generell robust. Damit sie den hohen Drehzahlen standhalten, werden die Wellen der meisten Turbolader durch ölgeschmierte Gleitlager geführt. Dies erfolgt in radialer Richtung durch Lagerbuchsen sowie auch in axialer Richtung durch eine Lagerscheibe. Wird der Turbolader ordentlich geschmiert, sollte die Welle bestenfalls nur durch einen Ölfilm Kontakt zu den Lagern haben.
Zwar besitzen die meisten Turbolader gute Notlaufeigenschaften, z. B. wenn man den Motor zu schnell nach großer Belastung ausstellt und die Schmierung vorzeitig abbricht, eine auf Dauer mangelhafte Schmierung führt allerdings zu Lagerschäden.
Ertasten kann man derartige Schäden z. B. an spürbarem axialem Spiel des Turbinenrades. Radiales Spiel kann im Stillstand normal sein, da kein Ölfilm zwischen Lagerbuchsen und Welle gebildet wird. Gründe für eine mangelnde Schmierung können eine verstopfte Zu- oder Rücklaufleitung sein, die z. B. durch Rückstände im Öl entsteht. Auch ein zu dick- oder zu dünnflüssiges Motoröl kann Schäden am Turbolader anrichten.
Weitere Defekte betreffen häufig die Kolbenringe zwischen Turbinenrad und Gleitlager. Bei zu heißen Abgasströmen unter Dauerlast kann es passieren, dass geringe Mengen an austretendem Öl am Kolbenring verkoken, was wiederum Undichtigkeiten fördert und den Schmierfilm im Gleitlager beeinflusst. Außerdem kann ein mangelhafter Ölabscheider dazu führen, dass Öl in den Ansaugtrakt gelangt.
Ölverwirbelungen am Lüfterrad haben dann zur Folge, dass dieses taumelt und im schlimmsten Fall die Lagerungen zerstört und mit dem Gehäuse kollidiert. Ähnlich sieht es turbinenseitig bei zu vielen Feststoffen im Abgastrakt aus, die zum Beispiel durch eine unsaubere Verbrennung entstehen.
Unterm Strich bleibt festzuhalten, dass Turboladerschäden in vielen Fällen von motorseitigen Problemen oder einen Wartungsmangel hervorgerufen werden. „Es ist wichtig, dass man vor dem Einbau schaut, wodurch der Schaden verursacht wurde. Ansonsten kann es passieren, dass er erneut auftritt“, berichtet Hampe. Aus diesem Grund erhält jeder Kunde einen Schadensbericht sowie die fehlerhaften Teile zusätzlich zum instandgesetzten Lader zurück.
Der Preis einer Instandsetzung variiert nach Größe des Laders und nach der Teileverfügbarkeit. Bei Pkw-Ladern fallen in den meisten Fällen nicht mehr als 450 Euro (alle Preise mit Mehrwertsteuer) an. Bei etwas größeren Ladern aus Landmaschinen- und Nutzfahrzeugmotoren können es schon mal 600 bis 1 000 Euro sein. Bedenkt man jedoch, dass ein neuer großer Turbolader bis zu 6 000 Euro kosten kann, ist die Instandsetzung deutlich günstiger.
Der nächste Schritt ist die Begutachtung der beanspruchten Teile. In diesem Beispiel gibt es Einschläge am Turbinenrad sowie Einlaufspuren in den Lagerbuchsen und auf der Turboladerwelle. Ebenfalls sind Verkokungen am Sitz der Kolbenringe hinter dem Turbinenrad zu erkennen — dies zeugt von dauerhafter Belastung des Motors und hohen Abgastemperaturen.
(Bildquelle: Bertling)
Außerdem wird das Steuergerät der VTG überprüft, das in diesem Fall ohne Funktion ist. Nach dem Öffnen wird klar, warum: Es gibt leichte Schmorspuren auf der Platine. Je nach Teileverfügbarkeit wird nur die Platine oder das gesamte Steuergerät ersetzt. Manche VTG werden durch pneumatische Verstellmechanismen in Abhängigkeit von der Motordrehzahl betätigt.
(Bildquelle: Bertling)
Reinigen der Teile
Zunächst werden alle Teile entweder manuell in einer Teilewaschanlage gesäubert oder in einem Säure-Ultraschallbecken vom Schmutz befreit. Auf keinen Fall dürfen Aluminium-Teile den Weg ins Säurebecken finden. Ansonsten bleibt nicht viel von den Komponenten übrig.
(Bildquelle: Bertling)
Es folgt der Strahlvorgang per Glasperlen oder Stahlstrahlmittel. Viele Teile werden in einer automatischen Strahlanlage behandelt. Besonders empfindliche Teile, wie das Turbinen- oder Verdichterrad strahlt der Mitarbeiter per Hand und mit weniger Druck.
(Bildquelle: Bertling)
Abschließend werden alle Teile noch mal gewaschen, um sie restlos vom Strahlgut zu befreien. Das Reinigungsmittel enthält zudem einen Rostschutz, der einen dünnen Film auf den nahezu neu aussehenden Teilen bildet. Dieser hält je nach Mittel zwischen zwei Wochen und bis zu 24 Monaten. Vor allem bei Großaufträgen oder eingelagerten Turboladern kann es nach der Instandsetzung bis zum erneuten Einbau länger dauern.
(Bildquelle: Bertling)
Zusammenbau und Wuchtarbeiten
Der Monteur beginnt mit dem Einlegen der Lagerhülsen und Kolbenringe sowie dem Einstecken der Turboladerwelle inklusive Verdichterrad in das Lagergehäuse. Es folgt die Lagerscheibe für die Axialführung in Richtung des Turbinenrades. Die Halteplatte wird anschließend penibel mit dem vorgegebenen Drehmoment angezogen und das Turbinenrad montiert.
(Bildquelle: Bertling)
Im Folgenden wird die Welle Inklusive Turbinen- und Verdichterrad gewuchtet. Hierzu spannt der Mitarbeiter das Lagergehäuse in die spezielle Wuchtbank ein und schließt die Ölversorgung an. Bei bis zu 80 000 U/min erkennt das Gerät, an welcher Stelle auf dem Steg vor dem Turbinenrad Material abgetragen werden muss, um innerhalb der vom Hersteller angegebenen Wuchttoleranz (grüne Linie) zu liegen. Hier liegt die Unwucht deutlich unter dem Grenzwert.
(Bildquelle: Bertling)
Nach dem Wuchten erfolgt die Montage des Turbinen- und Verdichtergehäuses sowie aller weiteren Bauteile. Sind beispielsweise eine Gewindebohrung ausgerissen oder Risse in den Stahl- oder Aluminium-Gussgehäusen zu erkennen, können die Turbodoktoren bis zu einem gewissen Grad Fräs- und Schweißarbeiten durchführen, um das Bauteil zu retten.
(Bildquelle: Bertling)
Endprüfung und Einstellungen
Um die VTG einzustellen und den Turbolader auf Undichtigkeiten zu untersuchen, muss er sich einem Abschlusstest auf einem speziellen Prüfstand — einer sogenannten Strömungsbank — unterziehen. Natürlich wird zuvor die Ölversorgung angeschlossen.
(Bildquelle: Bertling)
Die VTG wird in drei Bereichen bei minimaler, mittlerer und maximaler Durchflussrate eingestellt. Diese sind vom Hersteller vorgegeben (grüner Bereich auf der Strömungsanzeige). Das Einstellen des Gestänges erfolgt per Gewinde oder über kleine Langlöcher im Gestänge. Danach erhält der Kunde das Bauteil inklusive Prüfprotokoll und zweijähriger Garantie zurück.
(Bildquelle: Bertling)