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Güllenährstoffe in Echtzeit: NIRS-Messung in der Düngepraxis
Güllenährstoffe in Echtzeit: NIRS-Messung in der Düngepraxis
Mit der Nahinfrarotspektroskopie (NIRS) lassen sich die Inhaltsstoffe von Wirtschaftsdüngern für eine exakte und unkomplizierte Ausbringung ermitteln. Wir erklären, wo die Haken sind.
Ein Landwirt darf nicht frei entscheiden, wie viel Gülle er auf seine Flächen ausbringt. Es gilt, die flächenspezifischen Nährstoffvorgaben zu befolgen und alle Düngevorgänge zu dokumentieren. Um unter diesen Umständen maximale Ernteerträge erzielen zu können, müssen die verfügbaren Nährstoffe möglichst effizient, bedarfsgerecht und in der Regel gleichmäßig ausgebracht werden. So wird eine abwechselnde Über- und Unterdüngung vermieden.
Üblicherweise werden deshalb die Nährstoffgehalte der Gülle ermittelt, indem Proben genommen und im Labor analysiert oder Richtwerte verwendet werden. Jedoch können in beiden Fällen deutliche Abweichungen zu den tatsächlichen Werten auftreten.
Abhängig von der Gülleart, der Fütterung und der Homogenität können die Nährstoffgehalte extrem schwanken. Vor diesem Hintergrund ist eine exakte Ausbringung der organischen Dünger schwer realisierbar. Zeitgleich zieht eine nicht optimale Düngung Folgen nach sich — in Bezug auf den Ertrag und auf die Umwelt.
Hier könnte die Nahinfrarotspektroskopie (NIRS) eine deutliche Verbesserung herbeiführen. Denn NIRS-Systeme bestimmen die Güllenährstoffe während der üblichen Pumpvorgänge. Dazu wird ein Messkopf in die Förderleitungen integriert oder über eine mobile Station mit vorhandenen Rohren oder Schläuchen verbunden.
So lässt sich z. B. eine mobile NIRS-Station beim Befüllen eines Güllefasses zwischenschalten. Sie besteht aus der NIRS-Einheit, einem Durchflussmengenmesser sowie einem Bedienterminal. Sobald Gülle gefördert wird, ermittelt die Sensoreinheit die Gehalte an Stickstoff (N2), Ammonium (NH4), Phosphor (P2O5), Kalium (K2O) sowie die Trockensubstanz und gibt die Werte über das Terminal aus.
Zudem besteht die Möglichkeit, ein Ausbringziel für einen Nährstoff festzulegen — beispielsweise 60 kg Stickstoff pro ha. Misst nun die NIRS-Station einen Stickstoffgehalt von z. B. 4,6 kg N2 pro m³ Gülle, dann zeigt das Display, dass 13 m3 Gülle pro Hektar auszubringen sind.
Ein großer Vorteil ist, dass die NIRS-Nährstoffmessung durchgängig, live und aufwandlos erfolgt. So wird ein deutlich größerer Anteil der jeweils relevanten Gülle als bei einzelnen Proben berücksichtigt. Und der Aufwand für eine umständliche Probeentnahme entfällt. Außerdem liegen die Nährstoffgehalte direkt vor, so dass sie für eine sofortige Ausbringung oder einen überbetrieblichen Nährstoffaustausch verwendet werden können.
Darüber hinaus bietet die NIRS-Technik die Möglichkeit, den Güllestrom bei der Ausbringung auf Basis eines Nährstoffwertes zu regeln. In diesem Fall muss der NIRS-Sensorkopf in einem geraden Leitungsstück am Güllefass eingebaut sein. Die NIRS-Einheit liefert dann zusammen mit dem im Güllefass verbauten Durchflussmengenmesser kontinuierlich Messwerte zu den Inhaltsstoffen.
Abhängig von den Messwerten passt die Steuerungselektronik am Güllefass dann die Ausbringmenge an. Auch hierbei könnte der Fahrer vorher festlegen, wie viel Stickstoff das Güllefass pro Hektar ausbringen soll. Um beim vorherigen Beispiel zu bleiben, könnten es wiederum 60 kg Stickstoff pro Hektar sein. Daraufhin würde mit einem TIM-fähigen Gespann eine automatisierte Anpassung der Fahrgeschwindigkeit erfolgen. Oder alternativ übernimmt die Elektronik am Güllefass die Regelung des Güllestroms, indem sie die Pumpendrehzahl anpasst oder die Durchflussmenge über ein Drosselventil beeinflusst. Voraussetzung ist ein Güllefass mit elektronischer Mengenregelung oder ein Traktor mit TIM-Funktionalität. Beim Traktor-Implement-Management (TIM) kann das Gerät bestimmte Funktionen des Traktors wie die Fahrgeschwindigkeit steuern.
Während der Ausbringung dokumentiert das System mit GPS automatisch die verteilten Nährstoffmengen. Auch das Abarbeiten von Aufträgen mit Applikationskarten z. B. für eine teilschlagspezifische Verteilung der Gülle ist möglich.
Doch für eine Akzeptanz der NIRS-Technik in der Praxis müssen die gemessenen Nährstoffgehalte in einer ausreichenden Genauigkeit vorliegen. Ansonsten wird die Ausbringung niemals exakt sein.
Vor diesem Hintergrund hat die Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG) die Genauigkeit von verschiedenen NIRS-Systemen untersucht. Dabei wurde festgestellt, dass die Messgenauigkeit von der Gülleart sowie von den Nährstoffen und deren Gehalten abhängt. Deshalb werden Zertifizierungen einzeln für Stickstoff, Ammonium, Phosphor, Kalium und Trockensubstanz bei Rinder-, Schweine- und Mischgülle sowie bei Gärresten vergeben.
Die jeweilige Zertifizierung erfolgt, wenn drei von fünf Messungen eine maximale Abweichung von 25 % zu einem Referenzwert aufweisen und ansonsten keine Abweichung über 35 % auftritt. Gegenwärtig erreichen NIRS-Systeme für die meisten Inhaltsstoffe von Güllen und Gärresten eine Zertifikation. Dabei können beim Stickstoffgehalt in der Regel höhere Genauigkeiten erzielt werden als bei den anderen Inhaltsstoffen.
Zum Vergleich: Bei Laboranalysen können Schwankungen von circa 15 % auftreten. Jedoch sind die Abweichungen aus den vorangestellten Prozessschritten unbekannt. Dabei stellt die Probeentnahme ein große Fehlerquelle dar. Außerdem werden Veränderungen der Gülle bis zum Start der Ausbringung nicht erfasst.
Daher schätzt die DLG die Genauigkeit von Nährstoffgehalten, die mit zertifizierten NIRS-Systemen bei üblichen Güllearten und unter Praxisbedingungen ermittelt wurden, als gleichwertig ein. Jedoch ist zu berücksichtigen, dass bei ungewöhnlichen Güllearten größere Messfehler auftreten können, wenn sie von der üblichen Kalibrierung nicht abgedeckt werden.
Außerdem wird die NIRS-Technik nicht als wissenschaftliches Verfahren anerkannt. Und auch die Behörden einiger Bundesländer akzeptieren eine Dokumentation auf NIRS-Basis düngerechtlich nicht.
Aktuell werden NIRS-Mess-System für Gülleanwendungen unter anderem von Zunhammer, John Deere, Kotte, m-u-t, Kaweco, Dinamica Generale, Topcon und BSA angeboten. Für den Erwerb und den Anbau am Güllewagen fallen in der Regel Kosten von rund 35 000 Euro ohne MwSt. an. Die Betriebs- und Wartungskosten liegen geschätzt bei 1 000 bis 2 000 Euro pro Jahr. Vor einem Kauf ist unbedingt sicherzustellen, dass die Elektronik von Schlepper, Güllewagen und NIRS-System miteinander kommunizieren können.
So funktioniert die NIRS-Technik
Bei einer NIRS-Messung wird die vorbeifließende Gülle durch ein Fenster in der Rohrleitung mit nahinfrarotem Licht bestrahlt. Die unterschiedlichen Inhaltsstoffe der Gülle absorbieren und reflektieren das einfallende Licht teilweise. Die von den Gülleinhaltsstoffen abhängigen Reflexionen ergeben einen Fingerabdruck mit spezifischen Peaks. Ein Detektor wertet die Intensität der Reflexionen aus und vergleicht sie mit hinterlegten Daten aus den vom Hersteller entwickelten Kalibrierungen. Auf diese Weise können die Nährstoffgehalte der Gülle abgeschätzt werden.
NIRS-Systeme bestimmen die Nährstoffgehalte flüssiger Wirtschaftsdünger kontinuierlich und in Echtzeit — ohne Probennahme. Das hat Potenzial für eine exakte Ausbringung. Zudem fördert die schnelle, unkomplizierte NIRS-Messung den überbetrieblichen Nährstoffaustausch. Und die automatische Datenerfassung minimiert den Dokumentationsaufwand. Jedoch fehlt der Technik in einigen Bundesländern die düngerechtliche Anerkennung, obwohl die DLG die Messgenauigkeit bei üblichen Güllearten unter Praxisbedingungen als gleichwertig zur Labormethode einschätzt.
Modellvorhaben NIR-Sensoren für Gülle
Im vergangen Jahr startete das bundesweite Modell- und Demonstrationsvorhaben „Einsatz von NIR-Sensoren zur Quantifizierung der Nährstoffgehalte in flüssigen Wirtschaftsdüngern“. Das Vorhaben läuft noch bis Juni 2024 und wird vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft gefördert.
Ziel ist, mit praxisnahen Feldversuchen nachzuweisen, ob, unter welchen Umständen und in welchem Ausmaß der Einsatz der NIRS-Technik zur Ermittlung von Gülleinhaltsstoffen eine exaktere Ausbringung von Nährstoffen herbeiführen kann. Es werden dazu pflanzenbauliche Versuche durchgeführt, in denen eine streifenweise Variation der Ausbringung erfolgt und anschließend die unterschiedlichen Ernteerträge erfasst werden.
Das Modell- und Demonstrationsvorhaben wird von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen, dem Forschungs- und Entwicklungszentrum FH Kiel, dem Internationalen Pflanzenbauzentrum der DLG sowie dem Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum Rheinhessen-Nahe-Hunsrück in ihren jeweiligen Regionen geleitet. Demnächst sollen die ersten Ergebnisse veröffentlicht werden.