Einsatzbericht: Enthornungsgerät Kerbl AirBuddex: „Es heilt viel besser“
Das neue Enthornungsgerät AirBuddex von Kerbl verspricht ein schonendes Enthornen. profi hatte die exklusive Gelegenheit, den gasbetriebenen Föhn einzusetzen.
Das Enthornen von Kälbern zählt nicht zu den Lieblingsbeschäftigungen eines Milchviehhalters. Doch bis genetisch hornlose Tiere Standard sind, führt bei Laufstallhaltung nichts an einem Veröden oder Entfernen der Hornanlagen vorbei.
Stellt sich die Frage: Mit welcher Technik — Kabel, Akku oder Gas — gelingt die Arbeit zum Wohle von Tier und Mensch am besten? Als Kerbl 2011 das mit Butan betriebene GasBuddex-Enthornungsgerät vorstellte, war bei unseren profi-Testern die Begeisterung groß („Heißes Gerät“, profi 9/2011). Denn bis dahin waren praxistaugliche Enthornungsgeräte ohne Kabel rar. Zudem begeistert das Gerät mit einer kurzen Aufheizphase von 30 Sekunden sowie mit für konventionelles Enthornen vorteilhaften Temperaturen von 550 bis 650 °C. Geübte Anwender benötigen so nur Sekunden pro Hornansatz.
Mit dem AirBuddex bringt Kerbl ein weiteres, mit Gas betriebenes Enthornungsgerät auf den Markt. Das Funktionsprinzip ist jedoch neu. Denn das AirBuddex ist ein Heißluftföhn, der Temperaturen im Bereich von 450 bis 500 °C erreicht. Für zehn Sekunden und mit leichtem Druck auf die Hornknospe aufgesetzt, verödet die heiße Luft die Hornanlage. Die dabei spröde gewordene Haut lässt sich so mit dem Fingernagel abschieben. Um sicherzugehen, dass die komplette Hornanlage entfernt ist, wird sofort im Anschluss ein zweites Mal verödet.
Ein mehrere Millimeter tiefes Eindringen in den Kopfbereich ist mit dieser Methode folglich nicht mehr notwendig. So betrachtet stellt das AirBuddex ein neues und sehr schonendes Verfahren dar.
Beim und nach dem Veröden der Hornhaut blutet es kaum. Nach dem vorsorglichen Aufbringen eines Wundsprays heilt die verödete Stelle zügig und komplikationsfrei ab, so die Erfahrung von Dr. Daniel Mehne vom Tiergesundheitsdienst (TGD) Bayern (siehe Kasten: „Super Wundheilung inklusive“).
Trotz der bislang ungekannten Vorteile des AirBuddex hielt sich bei unserem ersten Einsatz die Begeisterung zunächst in Grenzen. So verlangt das Ansetzen des Föhns je Tier allein 40 Sekunden Zeit. Fürs Ablösen der Hornhaut benötigten wir zunächst ebenfalls noch einmal diese Zeit.
Wie uns Dr. Mehne im Gespräch darüber versichert, benötigen Geübte fürs Entfernen einer Hornhaut keine Sekunde. Unterm Strich dauert so das Enthornen mit Heißluft vielleicht eine Minute länger als sonst.
An die veränderte Handhabung mussten wir uns ebenfalls gewöhnen. So legten wir zum Abstreifen der Hornhaut jedes Mal den Heißluftföhn zur Seite. Geübte schaffen das Ablösen der Hornhaut wohl auch mühelos ohne ein aufrechtes Abstellen im Koffer.
Laufställe bieten Färsen, Bullen und Kühen viel Raum zur Bewegung und zum Ausleben artgerechten Verhaltens. Die Kehrseite der Medaille ist eine größere Verletzungsgefahr — und zwar für die Tiere selbst, als auch für den Landwirt. Tatsächlich ereigneten sich vergangenes Jahr in Deutschland 646 meldepflichtige Rinderunfälle mit Horn-/Kopfbeteiligung (Quelle: SVLFG). In 13 Fällen waren die Verletzungen so stark, dass neue Ansprüche auf die Bezahlung einer Unfallrente aufliefen.
Tendenziell ist die Zahl der Unfälle rückläufig. So verunfallten 2017 noch 837 Personen, und 2019 ereignete sich leider auch ein tödlicher Unfall durch die Beteiligung eines Tierhorns/-kopfs.
Das Veröden der Hornknospen funktioniert am besten in der ersten und zweiten Lebenswoche. Das ist für viele Praktiker ein sehr früher Zeitpunkt. Für das frühe Veröden spricht die dann noch mäßig ausgeprägte Blutversorgung der Hornanlage. Heißt: Je früher verödet wird, desto besser sind die Chancen für ein erfolgreiches Enthornen. Für ein zeitiges Enthornen spricht auch der stark nachlassende maternale Schutzeffekt, beginnend ab der dritten Lebenswoche. In Kombination mit Stressfaktoren wie einem Umstallen in Großgruppen oder einem Umgewöhnen auf einen Tränkeautomaten wächst so mit einem Enthornen ab der dritten Woche das Risiko einer Erkrankung, z. B. an Durchfall.
Sollte ein frühes Enthornen nicht möglich sein, kann das AirBuddex bis zum 41. Lebenstag verwendet werden. Allerdings steigt durch das dann stärker ausgeprägte und besser mit Blut versorgte Horn das Risiko, dass nicht die komplette Hornanlage verödet wird — und so später dann doch noch ein Horn voller Größe wächst. Davon abgeleitet ist es überlegenswert, Kälber ab der vierten Woche weiter nach der klassischen Methode zu Enthornen.
Das mit einem Koffer ausgelieferte AirBuddex ist seit Mai 2022 für 201 Euro im Handel erhältlich. Der Preis einer 110-ml-Butan-Gaskartusche beläuft sich je nach Abnahmemenge auf rund 6,50 Euro (Preise ohne Mehrwertsteuer).
Die Reichweite eine Gaskartusche gibt Kerbl mit 120 Minuten an. Wir halten diese Angabe für großzügig bemessen. Denn wie bereits Erfahrungen mit dem GasBuddex zeigen, sinkt mit sich leerender Gaskartusche die Heizleistung des Brenners rapide ab — insbesondere wenn Außentemperaturen von unter 12 °C herrschen. Oft muss dann schon bei einer noch fast halb vollen Kartusche ein Wechsel erfolgen. Doch selbst wenn dadurch die Betriebsdauer einer Butankartusche auf 60 Minuten sinkt, enthornen geübte Anwender damit noch 50 Kälber und mehr — woraus sich Gas-Betriebskosten von 10 bis 15 Cent je Tier ergeben.
Übrigens: Kerbl selbst empfiehlt für einen störungsfreien Betrieb in der kalten Jahreszeit das Lagern und Entzünden des Brenners im Warmen, z. B. im Büro. Grund dafür ist die für Butan typisch hohe Verdampfungstemperatur von 0 °C. Zum Vergleich: Propan verdampft bereits bei minus 42 °C.
Laut Tierschutzgesetz darf das Enthornen bzw. Veröden der Hornanlage nur bei unter sechs Wochen alten Kälbern durchgeführt werden. Ab einem Alter von 42 Tagen ist das Enthornen nur nach tierärztlicher Indikation (z. B. Verletzung am Horn) erlaubt. Der Eingriff muss dann unter Betäubung erfolgen und ist vom Tierarzt durchzuführen.
Das Sedieren und das Verabreichen eines Schmerzmittels beim Veröden oder Entfernen einer Hornanlage ist nicht per Gesetz vorgeschrieben. Doch ist in den meisten Bundesländern das Verabreichen eines Sedativums sowie eines Schmerzmittels CC-relevant. Auch die meisten Molkereien verlangen heute von ihren Lieferanten die Verabreichung eines Schmerz- und Beruhigungsmittels.
Fazit
Mit dem gasbetriebenen Heißluftföhn AirBuddex bringt Kerbl ein neues Gerät sowie ein neues Verfahren zum Enthornen von Kälbern auf den Markt. Neu ist, dass das Gerät das Horn nur oberflächlich verödet, und dass dafür ein kabelloser Heißluftföhn zum Einsatz kommt. Die wirkliche Überraschung ist jedoch das ungemein schnelle Abheilen der Wunde.
Der Preis ist ein etwas höherer Zeitaufwand sowie eine veränderte Handhabung. Auch die Empfehlung zum Einsatz des Geräts in den ersten zwei Lebenswochen stößt nicht immer auf Gegenliebe. Doch das frühe Enthornen bringt weitere Vorteile mit sich, so dass im Grunde nichts gegen das frühe Enthornen spricht. Wir dürfen gespannt sein, wie schnell sich die neue Technik ohne Diktion des Gesetzgebers durchsetzen wird.
Dr. Daniel Mehne, Tiergesundheitsdienst (TGD) Bayern
Super Wundheilung inklusive
Die Entwicklung des Kerbl AirBuddex beruht auf der Idee und 20-jährigen Erfahrung von Tierpflegern des Bildungs- und Versuchszentrums für Rinderhaltung am Staatsgut Almesbach in Weiden (Oberfranken). Kerbl griff die Erfahrungen mit einem Heißluftföhn auf und entwickelte ab 2019 zusammen mit fünf Landwirten und zwei Tierärzten den gasbetriebenen AirBuddex.
Einer der Tierärzte ist Dr. Daniel Mehne vom Tiergesundheitsdienst (TGD) Bayern. Seit 2013 beschäftigt er sich im Sinne eines verbesserten Tierschutzes mit dem Enthornen von Kälbern unter praktischen Gesichtspunkten.profi sprach mit ihm über seine Erfahrungen mit dem AirBuddex: „Das Veröden der Hornanlage mit Heißluft ist ein neuer Ansatz — der bei Praktikern zunächst immer auf Skepsis stößt, da nicht die komplette Hornanlage entfernt wird. Aber: Die Methode funktioniert! Und sie ist fürs Tier und für den Menschen sehr schonend“ erläutert der Veterinär ohne Umschweife seinen Standpunkt. Dr. Mehne sagt vor allem die wesentlich schnellere Wundheilung gegenüber der konventionellen Methode zu — die ist quasi „inklusive“. Auch der Verzicht auf das tiefe Eindringen in die Hornlage sowie der geringe Blutverlust bezeichnet der Tierarzt als enormen Gewinn für Mensch und Tier.
„Wichtig ist, dass das Enthornen in den ersten zwei Lebenswochen erfolgt, spätestens in der dritten. Zu diesem Zeitpunkt lässt sich das Horn mit dem Nagel des rechten Daumens abkratzen, während man mit der linken Hand das auf Vollgas laufende Gerät hält“ erläutert er sein Vorgehen in der Praxis.
„Wichtig ist jedoch, dass die Hornhaut komplett entfernt wird. Um sicherzugehen, empfehle ich deshalb nach einem ersten Entfernen der Hornhaut den Vorgang zu wiederholen“, erklärt Dr. Mehne seine Erfahrung mit dem AirBuddex.
Die Schwierigkeiten der Praktiker, dass im jungen Alter der Kälber die Hornanlage kaum wahrzunehmen ist, versteht der Experte nur allzugut. Doch hat er einen guten Tipp parat: „Um auszuschließen, dass es sich nicht um ein genetisch hornloses Tier handelt, schere ich immer erst auf einer Seite die Hornanlage frei. Zeigt diese eine Fehlstelle im Haarkleid, ist die Anlage fürs Horn vorhanden — während bei einem hornlosen Tier der ganze Bereich behaart ist. Um den Unterschied zu erkennen, muss man kein Tierarzt sein“ führt er aus.
Auch um die Schwierigkeiten eines späten Enthornens mit dem neuen AirBuddex weiß er aus eigener Erfahrung zu berichten. „Bei zwei von 50 von mir enthornten Tieren wuchsen jeweils Hörner nach. In beiden Fällen handelte es sich um Tiere, die beim Eingriff schon fast sechs Wochen alt waren. Wer also einmal sehr spät mit dem Enthornen dran sein sollte, greift besser zur konventionellen Methode“.
Da das AirBuddex eine gewisse Übung verlangt, hier gleich ein zweiter Praktikertipp: „Ich injiziere immer nur drei Tieren gleichzeitig ein Beruhigungs- und Schmerzmittel. Im Anschluss schere ich die Hornanlage frei, danach veröde ich mit dem Heißluftföhn die Hornhaut. Das Ganze dauert bei drei Kälbern in etwa 15 Minuten. Das entspricht in etwa der Wirkdauer einer Sedierung.“