Direktsaatmaschine Agrisem Boss 3 HD 18.75: Potenzial zur Führungskraft
Von einem Boss sind Führungsqualitäten zu erwarten. Im Test wurde deutlich: In einigen Disziplinen bringt die Maschine hervorragende Qualitäten mit, in anderen besteht noch Entwicklungsbedarf.
Die Maschine wird in Unterlenkern der Kat. III gekoppelt. Das etwas über der Norm liegende Spreizmaß hat Agrisem nach dem Test geändert. Angenehm ist ein Lenkeinschlag von über 90° mit Einfachbereifung auf dem Schlepper. Drei dw-Ventile sind für das Fahrwerk, den Scharaushub und den Transport erforderlich, ein ew-Ventil mit Rücklauf für das Gebläse. Alle vier Funktionen lassen sich gut zugänglich auf der Deichsel absperren. Die Haltbarkeit der Beschriftungsaufkleber ist verbesserungswürdig. Kuppeln muss man zudem den Isobus-Stecker und die Beleuchtungseinrichtung. Der Stützfuß unter der Deichsel punktet mit einer großen Aufstandsplatte.
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Die Maschine wird in Unterlenkern der Kat. III gekoppelt. Das etwas über der Norm liegende Spreizmaß hat Agrisem nach dem Test geändert. Angenehm ist ein Lenkeinschlag von über 90° mit Einfachbereifung auf dem Schlepper. Drei dw-Ventile sind für das Fahrwerk, den Scharaushub und den Transport erforderlich, ein ew-Ventil mit Rücklauf für das Gebläse. Alle vier Funktionen lassen sich gut zugänglich auf der Deichsel absperren. Die Haltbarkeit der Beschriftungsaufkleber ist verbesserungswürdig. Kuppeln muss man zudem den Isobus-Stecker und die Beleuchtungseinrichtung. Der Stützfuß unter der Deichsel punktet mit einer großen Aufstandsplatte.
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Die Scheibenschare mit 460 mm Durchmesser sind doppelt angewinkelt (30° in Fahrtrichtung, 15° geneigt), was für einen sicheren Einzug ohne hohe Schardrücke und für eine konstante Arbeitstiefe sorgt. Beides reduziert den Dieselverbrauch und verhindert Verdichtungen im Boden. Apropos Kraftstoff: Wir haben die 3-m-Boss problemlos mit einem 160-PS-Schlepper gezogen und nur 2 bis 3 l Diesel pro ha verbraucht — ein großer Systemvorteil.
Im Schatten der Säscheibe platziert ein stramm anliegender Säkeil das Saatgut im Boden. Eine Andruckrolle verschließt den Schlitz und führt den Säkeil präzise in der Tiefe. Drei Varianten stehen zur Wahl; wir kamen mit der Standardrolle auf mittleren bis schweren Böden gut zurecht.
Werkzeuglos kann man die Andruckrolle in fünf Winkelpositionen und 19 Saattiefen justieren. So konnten wir für Raps bis Ackerbohnen alle gewünschte Ablagetiefen problemlos erreichen. Weniger schön: An unserer Testmaschine waren nach der ersten Saison sechs Lager der Druckrollen defekt; laut Agrisem ein abgestelltes Zuliefererproblem. Passabel ist die Zugänglichkeit zu den Einzelreihen — selbst mittig gelingt die Tiefenverstellung gut.
Über ein neben der Säscheibe laufendes Führungsrad lässt sich zudem ein Tiefenanschlag an jeder Säscheibe einstellen. So kann man vor allem auf leichten Böden ein zu tiefes Einsinken vermeiden.
Die Einzelreihen werden in massiven Parallelogrammen geführt und wiegen unballastiert 97 kg. Sie werden hydraulisch ausgehoben bzw. abgesenkt und über einen gemeinsamen Ölkreis mit Schardruck — Agrisem nennt es Haltedruck — beaufschlagt. Diesen verstellt man über eine Handdrossel samt Manometer auf der Deichsel. Maximal haben wir 220 kg bei 40 bar gemessen, wobei man diesen Wert nach unseren Erfahrungen nie benötigt. Selbst mit niedrigeren Drücken ist der Einzug immer gegeben. Der Bodenkontur können die Schare 15 cm nach oben und unten folgen — das ist gut.
Die Sätiefe lässt sich reihenweise über einen Federknebel mit guter Skala verstellen.
(Bildquelle: Schildmann)
Angehoben gelingt die Tiefenverstellung selbst in der Mitte einigermaßen akzeptabel.
(Bildquelle: Schildmann)
Dosierung mit Tücken
Beide Dosiergeräte sind mit acht Zellenrädern bestückt, je vier für eine Förderstrecke. Abhängig von der Saatmenge und dem -kaliber muss man einzelne Zellen mit verschiedenen Inbus-Schrauben ein- oder rausdrehen. Bordwerkzeug gibt es dafür nicht. Insbesondere bei den kleinsten Dosierrädern ist die Betätigung unbequem — das geht besser.
Angetrieben werden die Zellenräder elektrisch mit Hilfe einer zwischengeschalteten Kette, die gerne entfallen dürfte. Schön wäre es, wenn sich dann auch die beidseitigen Rührwellen abschalten ließen. Immerhin: Der Zulauf auf jede Dosierradhälfte kann per Schieber deaktiviert werden. Zum Verstellen der Bodenklappen hätten wir uns mehr Komfort gewünscht. Eine Restmengenentleerung gibt es leider nicht.
Förderstrecken nach Wahl
Ab Werk ist die 3-m-Boss mit vier Förderstrecken bestückt, je zwei werden von einem Tanksegment mit Saatgut gespeist. Eine Strecke versorgt folglich den linken Verteilerkopf mit Saatgut, die andere den rechten. Andere Aufteilungen sind möglich. Wahlweise ist so eine Single- oder Double-Shot-Ablage von verschiedenen Komponenten möglich.
Der pneumatische Saatguttransport fordert recht hohe Gebläsedrehzahlen bis zu 4 500 U/min. Oberhalb vom Säkeil trennt ein Zyklonabscheider Saatgut und Überdruck. Kleines Manko: Die Förderdauer ist lang, was beim An- und Abschalten oder mit Section Control zu berücksichtigen ist.
Am Säkeil gibt es zwei Einläufe: einen für feines, einen für grobes Saatgut. Die Vorwahl erfolgt durch Umstecken der Saatschläuche — das ist aufwändig. Eine Schaltwippe oder ähnliches wäre bequemer.
Jeder Verteilerkopf wird ab Werk von beiden Dosiergeräten mit Saatgut versorgt.
(Bildquelle: Schildmann)
Jedes Dosiergerät versorgt zwei Förderstrecken mit Saatgut. Zum Umstellen von Fein- auf Normalsaatgut benötigt man Werkzeug.
(Bildquelle: Schildmann)
Problem: Große Mengen
Bei Aussaatmengen von über 250 kg/ha — z. B bei der Aussaat von Ackerbohnen — kommt es bei Nutzung von nur einem Dosiergerät schnell zu Verstopfungen. Für solche Fälle sind Siebflächen im Steigrohr zu öffnen, was aber keine Einsatzsicherheit ergab. Ein neuer Verteilerkopfdeckel soll helfen, wobei Folgen auf die Querverteilung noch ungewiss sind.
Zum Abdrehen muss man zunächst auf dem Isobus-Terminal das Produkt und die Saatmenge vorwählen, danach vordosieren und per Knopfdruck unter dem Tank starten. So weit, so gut. Kritik gibt es für die Abdrehwannen, die geparkt oben auf dem Laufsteg fehl am Platz sind. Auch die vorgesehenen Wannenhalter unter den Dosiergeräten für den Abdrehvorgang sind nicht praktikabel. Tipp: Mit 5-l-Eimern gelingt es wesentlich besser.
Nach dem Abdrehen darf man nicht vergessen, die Abdrehklappen zu schließen — hier fehlt eine Überwachung. Apropos vergessen: Eine Möglichkeit zum Aufhängen der Abdrehwaage gibt es leider auch nicht. Immerhin: In puncto Mengentreue hat die Boss mit Abweichung von maximal 1 % Führungsqualität bewiesen.
Deutlich besser hätte die Maschine bei unseren Querverteilungsmessungen performen können. Während die Variationskoeffizienten bei Weizen (5,59 %) und Gras (4,57 %) noch „ausreichend“ waren, lagen die Werte beim Raps mit 16,86 % weit außerhalb der Deklaration. Bei Raps haben wir bis zu 40 % Mindermengen an Einzelscharen gemessen!
Die beiden Saattanks der Testmaschine sind mit jeweils 1.100 l angegeben. Mitbekommen haben wir etwa 800 kg Weizen pro Tank — etwas knapp. Alternativ gibt es einen Doppeltank mit zwei mal 1.600 l. Abgedeckt wird mit einer soliden Rollplane. Die Überladehöhe von 2,43 m geht in Ordnung.
Problematisch mit 1,35 m Breite und 1,21 m Tiefe sind die Tankmaße. Damit ist eine Beladung per Traktorschaufel ausgeschlossen. Will man beide Tanks mit demselben Saatgut befüllen, laufen einige Körner über eingeschweißte Stege für die Abdeckplane vor den Tank — unpraktisch.
Ebenso unschön: Die weit unten und damit schlecht zugänglichen Siebe in den Tanks sind mit je vier Schrauben gesichert. Dass man erst darunter den unteren, höhenverstellbaren Füllstandssensor erreicht, ist sehr ungünstig. Der zweite festmontierte sitzt höher. Sichtfenster erlauben aber den Blick vom Schleppersitz auf das untere Drittel im Tank — eine praktische Hilfe.
Der Behälter ist über eine dreistufige Klappleiter und einen Ladesteg erreichbar. Die erste Stufe liegt mit 62 cm zu hoch, besonders wenn die Maschine z. B. zum Abdrehen angehoben ist. Die Verriegelung könnte leichtgängiger sein. Insgesamt muss Agrisem die Geometrie verändern, da die Maschine durch die eingeklappte Leiter auf der Straße mit 3,06 m zu breit ist.
Trotz Seiteneinschub ist die Maschine für den Straßentransport zu breit.
(Bildquelle: Schildmann)
Um den Ladesteg zu erreichen, muss man zunächst die hohe Stufe erklimmen.
(Bildquelle: Schildmann)
Der Doppeltank schafft viel Flexibilität. Die Planenführung sowie der Ausbau der tiefliegenden Siebe sollte Agrisem überarbeiten.
(Bildquelle: Schildmann)
Getragen wird die Boss von zwei Alliance-Reifen der Größe 710/50 R 26.5 (Aufpreis 2.155 Euro). Größere Pneus gibt es für diese Arbeitsbreite nicht. Serienmäßig sind Räder der Größe 500/45 R 22.5 montiert — das ist zu klein. Ausrichten lässt sich die Boss hinten mit Abstandhaltern auf den Fahrwerkszylindern und vorne über einen Oberlenker — das passt. Am Vorgewende hebt man nur die Unterlenker und Säschienen aus.
Erfahrungen im Feld
Typische Sägeschwindigkeiten liegen zwischen 7 und 9 km/h. Kurvenfahrten sollte man vermeiden. Eingesetzt haben wir die Boss zur Direkt- und Mulchsaat. Auf schweren Böden gelingt Mulchsaat ganz gut, auf Sandboden fehlt mitunter der Gegendruck.
Bei der Direktsaat, z. B. nach Getreide, Raps oder Bohnen ist das System in seinem Element. Hier arbeitet die Technik hervorragend. Frisch gemulchtes Körnermaisstroh fordert hingegen heraus: Hierfür muss der Saatkeil präzise eingestellt sein. Und selbst dann kam es zu Verstopfungen. Alternativ haben wir das Körnermaisstroh erst nach dem Säen gemulcht. Dann jedoch erreicht man aufgrund der vorherigen Überfahrt weitaus weniger Stoppeln. Was grundsätzlich gilt: Hairpinning (Saatgutablage auf Ernterückstände) gibt es bei der Maschine kaum. Am besten arbeitet das System bei Fahrten leicht schräg zur früheren Drillrichtung. Stichwort schräg: Wegen des gegenläufigen Untergriffs beider Scharreihen wird der Reihenabstand bei tiefer Saatgutablage immer kleiner, so entsteht der optische Eindruck einer Doppelreihe.
Der Elektromotor sitzt links, gegenüberliegend gibt es eine Kettenübersetzung.
(Bildquelle: Schildmann)
Ein Gebläse speist vier Förderstrecken mit Luft. Aerodynamisch nicht optimal.
(Bildquelle: Schildmann)
Weitere Details und Preise für die Agrisem Boss:
Leer wiegt die Boss 4.980 kg, 3.180 kg trägt die Achse. Auf der Straße können bis 40 km/h 2.520 kg zugeladen werden.
Die Isobus-Bedienung geht in Ordnung.
Ein Staufach für Zubehör wäre hilfreich.
Die Boss 3 HD 18.75 kostet in der Grundausstattung 63.725 Euro, für die Testausstattung stehen 67.800 Euro in der Liste.
Die Agrisem Boss 3 HD 18.75 ist eine lupenreine Direktsaatmaschine. Nach dem Säen sieht man kaum, wo sie gefahren ist. Ein interessanter Aspekt zum Wassersparen oder zur Keimhemmung von z. B. Ackerfuchsschwanz-Samen. Gut gefallen haben uns die Saatmengentreue, die stabile Konstruktion sowie der geringe Zugkraftbedarf.
Verbessern sollte Agrisem Details: abfallende Aufkleber, schlechte Abdrehwannen, das umständliche Umstecken der Saatschläuche am Säkeil, die Kettenantriebe an den Saatgutschleusen sowie die Aufstiegsleiter. Auch die Querverteilung und Transportbreite lassen Raum für Kritik. Unterm Strich bekommt man aber dennoch eine solide und teilweise mulchsaattaugliche Direktsaatmaschine, die preislich passt.
Praktikerurteil: Preis-Leistung ist top
Christian Commer aus dem rheinischen Bornheim-Sechtem ackert auf tiefgründigen, sandig-schluffigen Lehmböden mit 60 bis 100 Bodenpunkten: „Unsere 3-m-Boss von 2022 ist voll ausgestattet, mit drittem Tank für Granulate und 1.000-l-Flüssigdüngertank.“
Wichtig war dem Landwirt, der auch Land- und Baumaschinenmechaniker ist, unter anderem die Mulchsaat-Tauglichkeit: „Das funktioniert gut, wenn der Boden rückverfestigt ist.“ Ein Kaufgrund war der Reihenabstand von 18,75 cm mit der Möglichkeit auch auf 37,5 oder 75 cm säen zu können.
Technische Probleme hat Agrisem bisher immer abgestellt, berichtet er: „Dazu zählen undichte Zylinder oder defekte Schläuche der Flüssigdüngung.“ Angetan ist Commer vom Leistungsbedarf. „Wir haben schon mal unseren 211er Fendt davor gehängt, das geht. Regulär nutzen wir aber einen 724 Vario. Updaten könnte Agrisem die Isobus-Oberfläche.“ Positiv berichtet er von den Feldaufgängen — auch nach Körnermais oder im Planting-Green-Verfahren. Hairpinning sei hierbei kein allzugroßes Thema.