Patentstreit: Ladungssicherung an Ballenwagen: Endlich Klarheit
Einige Landtechnikhersteller und Landwirte wurden in den vergangenen Jahren wegen vermeintlicher Patentverletzungen zur Kasse gebeten. Zu Recht? — Neue Entwicklungen sorgen für Klarheit.
Kauft man als Landwirt oder Lohnunternehmer eine Maschine von einem Hersteller, wiegt man sich in rechtlicher Sicherheit. Manchmal lehrt einen die Praxis aber anderes: Nachdem ein Landwirt (Name der Redaktion bekannt) einen Ballentransportwagen mit einem System zur hydraulischen Ladungssicherung von der Peter Kröger GmbH (Kröger agroliner) erworben hatte, wurde er kurz darauf wegen einer angeblichen Patentverletzung abgemahnt. Auch Kröger selbst, andere Landtechnik-Hersteller, sowie Händler und Landwirte erhielten ähnliche Abmahnungen — obwohl sich die Konstruktionen durchaus unterschieden. Mit diesen Abmahnungen gingen verschiedene Forderungen einher: die Verletzungen zu unterlassen, die Fahrzeuge zu vernichten und Ausgleichszahlungen zu leisten.
Sofern eine tatsächliche Patentverletzung vorgelegen hätte, wäre dies durchaus rechtens und im Sinne des Patentschutzes. Immerhin gewährt ein Patent seinem Inhaber ein zeitlich und territorial begrenztes Privileg für die Erfindung. Anderen ist es somit verboten, die Erfindung ohne Zustimmung des Patentinhabers zu benutzen. Sollte es dennoch zu einer unberechtigten Benutzung kommen, kann der Patentinhaber gerichtlich dagegen vorgehen und insbesondere eine Unterlassung sowie Schadensersatz fordern.
Und Achtung: Patente sind nicht nur von Herstellern einzuhalten, sondern auch von allen weiteren Handelsstufen. Auch als Landwirt oder Lohnunternehmer darf man patentrechtlich geschützte Dinge weder einfach nachbauen noch betrieblich nutzen. Ausgenommen sind Dinge für den privaten Gebrauch.
Zudem gibt es einen weiteren Fallstrick: Bei einer Patentverletzung im landtechnischen Kontext können sowohl der Landtechnik-Hersteller, der Händler als auch der landwirtschaftliche Kunde hierfür belangt werden. Mit dieser Möglichkeit schützt der Gesetzgeber die Patentinhaber beispielsweise gegen Plagiate. Üblich sind solche patentrechtlichen Streitigkeiten in der Landtechnik aber eigentlich nicht. Doch Ausnahmen bestätigten die Regel, wie ein konkreter Streitfall zwischen Georg Krassort und den Firmen Conow Anhängerbau GmbH & Co. KG und der Peter Kröger GmbH zeigt.
Im Jahr 2007 wurde ein Gebrauchsmuster für einen Transportwagen mit Ladungssicherung durch die Privatperson Georg Krassort angemeldet. Das Patentamt hat das Gebrauchsmuster daraufhin eingetragen. Wie bei Gebrauchsmustern üblich, wurde hierbei nicht weiter geprüft, ob es sich überhaupt um eine neue und damit schützensfähige Erfindung handelt.
Knapp ein Jahr nach der Gebrauchsmusteranmeldung folgte die Anmeldung eines Europäischen Patents zu dieser Technik. Den Unterschied zwischen einem Gebrauchsmuster und einem europäischen Patent haben wir für Sie im Kasten „Unterschied: Gebrauchsmuster und Patent“ unten auf dieser Seite zusammengefasst.
Zehn Jahre später, im Jahr 2017 und nachdem das Gebrauchsmuster bereits abgelaufen war, reichte Georg Krassort rückwirkend wegen angeblicher Gebrauchsmusterverletzung eine Klage gegen Conow ein. Conow beschritt daraufhin einen üblichen Weg und zweifelte beim Patentamt das Gebrauchsmuster an. Aus ihrer Sicht lag zum Zeitpunkt der Anmeldung keine schützenswerte Erfindung vor. Conow sah darin eine Chance, das Gebrauchsmuster rückwirkend gerichtlich aberkennen zu lassen. Schließlich landete der Streit vor dem Bundespatentgericht, das als oberste Instanz über Gebrauchsmuster urteilt.
Währenddessen kam es zu neuen Entwicklungen: Georg Krassort übertrug das europäische Patent auf die neu gegründete Green Farming GmbH, in der Krassort bis 2017 als Geschäftsführer fungierte. Unter dieser Firmierung folgten im Frühjahr 2019 verschiedene Abmahnungen — auch Kröger und Conow waren betroffen. Folglich positionierten sich die beiden Fahrzeugbauer gemeinsam gegen die Anschuldigungen.
Patente und Gebrauchsmuster schützen neue technische Erfindungen, die gewerblich anwendbar sind. Sie berechtigen in einem örtlich und zeitlich begrenzten Rahmen allein den Inhaber, die Erfindung zu nutzen. Der Gebrauchsmusterschutz wird oft als kleines Patent bezeichnet. Grundlegende Anforderungen an die Neuheit und Erfindungshöhe bei einem Patent und Gebrauchsmuster sind ähnlich.
Der wesentliche Unterschied besteht in der Laufzeit: Ein Gebrauchsmusterschutz wird für maximal zehn Jahre gewährt, wogegen Patente bis zu 20 Jahre lang gültig sein können. Ein weiterer Unterschied besteht darin, dass bei einer Gebrauchsmusteranmeldung keine Prüfung erfolgt, ob die beanspruchte Erfindung neu und inhaltlich zutreffend ist.
Bei einem Patent wird die Schutzfähigkeit dagegen vor der Erteilung durch das Patentamt umfangreich geprüft. Aufgrund der intensiven Prüfung sind Patente weitaus rechtssicherer als Gebrauchsmuster. Im Gegenzug ist die Eintragung eines Gebrauchsmusters für den Anmelder preiswerter und kurzweiliger als die Erteilung eines Patents mit einem entsprechenden Prüfvorgang.
Wie der hier beschriebene Fall zeigt, schließen sich Gebrauchsmuster und Patent nicht aus. Oft stellt ein Gebrauchsmuster die Grundlage für eine spätere Patentanmeldung dar.
Vorteil: Das für die Prüfung der Neuheit und Erfindungshöhe maßgebliche Datum kann anschließend aus der Gebrauchsmusteranmeldung in die nachfolgende Patentanmeldung übernommen werden.
Aktive Beweissicherung
Zusammen mit Patentanwalt Dr. Bernd Hallerbach aus Münster und dem im Bereich des Patentrechts spezialisierten Rechtsanwalt Dr. Markus Lenßen von der Rechtsanwaltskanzlei Rospatt Osten Pross aus Düsseldorf wurden Beweise gegen die Erfindung zusammengetragen.
Unter anderem konnte dabei ein Ballentransportwagen sichergestellt werden, der durch Krassort bereits einige Jahre vor der Anmeldung des Gebrauchsmusters in den Markt gebracht wurde. Dieser sichergestellte Ballentransportwagen entsprach in allen Einzelheiten dem Patent und Gebrauchsmuster.
Mit diesem Ass im Ärmel sahen sich die beiden Parteien siegessicher. Denn ausschließlich Neues und Erfinderisches kann mit einem Gebrauchsmuster oder Patent abgesichert werden. Ist der Stand der Technik der Öffentlichkeit bereits vorher bekannt, lässt er sich nicht mehr schützen.
Auf dieser Grundlage hat das Bundespatentgericht im vergangenen Juli entschieden, dass das Gebrauchsmuster von Anfang an unwirksam war. Seitdem ist das Gebrauchsmuster nun so zu behandeln, als hätte der Schutz nie existiert. Auch das Verfahren gegen Conow (wegen der Gebrauchsmusterverletzung) wurde anschließend vom zuständigen Gericht abgewiesen.
Auf das Patent wirkt sich das Urteil zum Gebrauchsmuster nur indirekt aus. Rechtsanwalt Dr. Lenßen erklärt den Sachverhalt so: „Zwar müssen Gebrauchsmuster und Patent unabhängig angefochten werden, allerdings zählen in beiden Verfahren die gleichen Beweise.“
Zu einem Prozess gegen das Patent ist es in diesem Fall allerdings (noch) nicht gekommen, erklärt der Fachmann: „Seitdem Krassort bzw. die Green Farming GmbH von den Beweisen gegen die Erfindung weiß, wurden keine weiteren Ansprüche gestellt. Eine Nichtigkeitsklage gegen das Patent haben sich Conow und Kröger daher vorerst gespart, um weitere Kosten zu vermeiden.“
Ungewissheit ade
Damit besteht Klarheit: Die Vorwürfe waren unberechtigt. Für Kunden, Hersteller und Inverkehrbringer gilt: Klemmsysteme zur Ladungssicherung von Ballen sind im Hinblick auf die betroffenen Schutzrechte nicht mehr angreifbar. Sollten Sie womöglich schon Zahlungen im Rahmen einer Abmahnung geleistet haben, sollten Sie diese unbedingt zurückfordern. Allgemeine Tipps für solche Fälle gibt Rechtsanwalt Dr. Lenßen im Kasten „Rechtstipp vom Experten“.
Rechtstipp vom Experten:
So sollten Sie im Falle einer Abmahnung handeln
Sofern Sie (auch unbewusst) das Recht Dritter verletzen, droht eine Abmahnung. Eine solche kann sich zum Beispiel auf Produkte, Werbung oder Ihre Betriebshomepage beziehen. Oft gehen mit diesen Abmahnungen finanzielle Forderungen einher, die Sie auf keinen Fall unbedacht akzeptieren sollten.
Auch sollten Sie nicht vorschnell eine Unterlassungserklärung unterschreiben. Fristen in der Abmahnung dagegen sollten ernst genommen werden. Suchen Sie daher rechtzeitig den Weg zu einem Anwalt und lassen Sie sich dort beraten. Denn oft lassen sich die Vorwürfe in der Abmahnung entkräften oder zumindest die finanziellen Forderungen abmildern.