Pro: Wir müssen darüber reden!
Warum redet die Branche kaum über das Thema Chip-Tuning? Klar: Jeder hat Angst aufzufliegen, weil sein Schlepper womöglich illegal unterwegs ist. Die Dunkelziffer der gechipten Traktoren ist hoch. Früher galt die berüchtigte viertel Drehung in Richtung Kühler an der Einspritzpumpe als harmlos. Die schwarze Wolke beim Beschleunigen war das Statussymbol stolzer Schlepperfahrer.
Heute kommen eben schwarze Bullis auf den Hof. Ich kenne nur Ausnahmefälle, in denen das Tuning auch einen kapitalen Schaden ergeben hat. Manche Hersteller machen es ganz offiziell: Hier kauft man sich für die Maiskampagne ein paar PS mehr, um die Ernte schneller einfahren zu können. Meiner Meinung nach der richtige Weg: Gehen wir offensiv mit diesem Thema um, denn bei einigen Schlepperbaureihen ist ein elektronisches Tuning nicht schädlich. Ich kann die Hersteller verstehen: gleiche Teile, gleicher Aufbau. Das ist einfacher für Ersatzteile und Werkstätten. Einfacher ist das auch, um maximalen Profit mit einer Baureihe zu erzielen.
Ich kann aber eben auch jene Schlepperbesitzer verstehen, die ihren kleinen Schlepper der Baureihe mit Hilfe der Software auf den mittleren oder großen der Baureihe aufboostern. Damit der Coronavergleich komplett ist: Sicher vor einer Infektion in Form eines Motor- oder Getriebeschadens ist man damit ebenso wenig wie beim Original.
Wir sollten in der Branche offener mit dem Thema umgehen, denn nur so werden schneller schwarze Schafe unter den Chiptunern bekannt. Achten Sie daher bei Ihrem Tuning auf einen seriösen Hersteller, der ausreichend Referenzen vorweisen kann, und das Tuning mit der mitgebrachten Motorbremse auch Schwarz auf Weiß beweisen kann. Und ja: Nicht jeder Schlepper ist für die Mehrleistung ausgelegt. Und ein ganz dickes JA: Gibt es nach der Leistungserhöhung keine neue Abnahme über den TÜV, verliert Ihr Schlepper die Zulassung und damit den Versicherungsschutz. Mobile Tuningboxen schalten Sie auf dem Acker zu, und auf der Straße ab. Für jeden Topf scheint es einen passenden Deckel zu geben.
Kann denn Leistung Sünde sein?
Tobias Bensing
Fragen Sie spezifisch nach, was der Tuner macht! Wie verändert sich der Druck im Brennraum, wie sieht es mit der thermischen Belastung des Motors aus, und wie viel Drehmoment steht nachher wirklich an der Kurbelwelle an. Beachtet man diese Parameter, ist das Risiko eines späteren Motorschadens zumindest minimiert. Dass solche Tuner wissen, wovon sie sprechen, beweisen entsprechende Garantien für das jeweilige Schleppermodell auch nach dem Tuning. Seriöse Leistungssteigerung ist rein technisch gesehen keine Sünde.
Chip-Tuning kann noch viel mehr als Leistung erhöhen
Aber Chip-Tuning ist viel mehr: Die heutigen Schlepper werden von zahlreichen Steuerboxen überwacht und geregelt. Wie schnell reagiert das Gaspedal? Wie reagieren die Joysticks auf entsprechende Bewegungen? Wie schnell soll der Schlepper die Fahrtrichtung wechseln? Alles, was elektronisch angesteuert wird, kann auch beeinflusst und damit getunt werden. Professionelle Anbieter reparieren Steuerboxen, schicken neue Joysticks oder reparieren Folientaster. Auch das ist für mich Chip-Tuning und beweist, dass es immer eine (günstigerer) Lösung gibt, als die (überteuerten) Ersatzteilpreise der Hersteller zu zahlen.
Die Dosis macht das Gift. Ein paar PS mehr oder das angepasste Drehzahlverhalten und der neue Joystick machen den getunten Chip nicht zur Sünde.
Contra: Ärger vorprogrammiert!
Undichte Ladeluftkühler und geplatzte Zylinderkopfdichtungen, defekte Turbolader, durchgebrannte Kupplungsbeläge oder ständige Fehlermeldungen der Einspritzanlage im Terminal: Oft währt die Freude über mehr Leistung und weniger Verbrauch nach einem Motor-Tuning nur kurz.
Sicher gibt es auch Beispiele, wo die „Aufrüstung“ gelungen ist — egal, ob in Abstimmung mit dem Händler oder im Alleingang. Die Maschinen laufen bereits viele Stunden problemlos und die Praktiker können vom Tuning nur Gutes berichten.
Die Gefahr fährt immer mit
Doch leider sind unter den „Tunern“ nach wie vor auch viele Glücksritter unterwegs, die nur das schnelle Geld verdienen möchten. Und machen wir keinen Hehl daraus: Illegales Tuning ist auch bei Schleppern und Landmaschinen kein Kavaliersdelikt!
Die Tuner weisen auf ihren Internetseiten und in den Verkaufsunterlagen darauf hin, dass man beim Einsatz die Betriebserlaubnis verliert, was durchaus weitreichende Folgen z. B. in Bezug auf den Versicherungsschutz haben kann.
Die Anbieter der Tuning-Systeme sind damit vielleicht aus dem Schneider, doch Sie als Halter und auch als Fahrer natürlich noch lange nicht. Verantwortungsbewusste Betriebsleiter haben folglich weder Lust, sich in einer rechtlichen Grauzone zu bewegen, noch möchten sie das gute Verhältnis zum Händler beziehungsweise Hersteller aufs Spiel setzten.
Dafür akzeptiert man eventuell einen etwas höheren Verbrauch oder eben auch einen Mehrpreis für das leistungsstärkere Modell. Aber zumindest hier kann man beim Kauf mit etwas Verhandlungsgeschick vielleicht doch noch den ein oder anderen Rabatt rausholen.
Das Risiko ist es keinesfalls wert!“
Hubert Wilmer
Gleiches wie für die Leistungserhöhung gilt auch für Manipulationen an der Abgasnachbehandlung. Natürlich ist es bei einem explodierenden AdBlue-Preis, aber erst recht bei (teuren) Problemen mit der Technik verlockend, die Anlage komplett stillzulegen.
Tatsächlich erfüllt das aber nicht nur den Tatbestand der Steuerhinterziehung, sondern kann auch bei einem späteren Wiederverkauf des gebrauchten Schleppers Probleme machen.
Ein Umstand, der bei einer Leistungserhöhung genauso zum Tragen kommt. Wer möchte schon einen Gebrauchtschlepper kaufen, der in seinem ersten Leben über Gebühr beansprucht wurde?
Womit wir schon beim Themenkomplex Garantie, Gewährleistung und Kulanz wären. Klar ist, wenn eine (Neu-)Maschine einmal getunt wurde, wird es hier schwierig. Sollte der Hersteller — dank der heute umfassenden Sensorik in den Maschinen — Hinweise auf eine Manipulation finden, kann man sich die Hoffnung auf eine Kostenübernahme im Schadenfall schnell abschminken.
Summa summarum lässt sich also festhalten: Auch wenn ein Motor-Tuning verlockende Möglichkeiten bietet, bei genauer Betrachtung überwiegen ohne Frage die Gefahren und Risiken. Mit dem Thema Garantieverlust im Schadenfall kann man vielleicht noch leben, spätestens beim Erlöschen der Betriebserlaubnis hört meiner Meinung nach aber der Spaß auf — insbesondere, wenn man als Betriebsleiter auch noch die Verantwortung für seine Mitarbeiter hat.