Fahrbericht
|
Fendt 728 Vario: Alter Name — neue Dimensionen
Fendt 728 Vario: Alter Name — neue Dimensionen
Die neue Generation des Fendt 700 Vario ist alles andere als nur ein Update. Nicht nur bei der Leistung stoßen die Marktoberdorfer in eine neue Dimension vor.
Mit fünf Modellen (Tabelle: „Die neuen 700er von Fendt“) geht die siebte Generation der Allgäuer Erfolgsserie (seit Jahren ist der 724 Vario der meistverkaufte Schlepper in Deutschland) an den Start. Los geht es mit dem 720 Vario (149 kW/203 PS), mit 206 kW/283 PS Nennleistung endet die Baureihe beim 728 Vario. Wobei leider nur beim Topmodell das Dynamic Performance noch bis zu 15 kW/20 PS nachlegt, sobald Nebenverbraucher (Kühlerlüfter etc.) aktiv sind.
Unter der im Stil der 900/1000er gestalteten Haube wartet die nächste Überraschung: Statt eines Deutz-Aggregates verrichtet hier künftig ein brandneuer, exklusiv für Fendt entwickelter Sechszylinder von AgcoPower seinen Dienst. Er hat mit 7,5 l etwas mehr Hubraum als der Motor im Valtra Q oder MF 8S (7,4 l), arbeitet auch mit dem Niedrigdrehzahlkonzept der Fendt-Großtraktoren (1 700 min-1 Nenndrehzahl) und hat z. B. ebenfalls einen geflanschten Druckluftkompressor.
Um so effektiv wie möglich unterwegs zu sein, hat der neue 700er außerdem das vom 1000 Vario bekannte Concentric Air System (CAS). Bei dem zusammen mit Voith entwickelten System sitzt die hydraulisch angetriebene Lüfterturbine vor den Kühlern und drückt die Luft durch die Kühlrippen. Hier ist zudem eine Reversierfunktion integriert, die manuell oder automatisch intervallgesteuert ausgelöst wird.
Und um die Abgasstufe V zu erfüllen, ist der Motor mit DOC, DPF sowie SCR-Kat und elektronisch geregeltem Wastegate-Turbo ausgestattet. Auf eine Abgasrückführung kann das Aggregat verzichten.
Nicht gefallen hat uns aber die Zugänglichkeit zum Motorluftfilter hinter dem werkzeuglos abnehmbaren Seitenteil. Dank der Vorabscheidung und Anzeige des Verschmutzungsgrades im Terminal soll eine Reinigung laut Fendt aber kaum erforderlich sein. Ob das auch für den Besuch an der Tanksäule gilt, muss sich ebenfalls noch zeigen: Selbst im Topmodell finden jedenfalls maximal 450 l Diesel (und 48 l AdBlue) Platz. Auch wenn Fendt im Vergleich zum „alten“ 700er einen geringeren Verbrauch erwartet, sind wir gespannt, wie lange der Dieselvorrat beim größten Modell, z. B. bei der schweren Bodenbearbeitung, reicht.
Vom Motor geht es in den, ebenfalls komplett neu entwickelten Antriebsstrang Vario Drive TA 190. Genau wie beim TA 400 im 900/1000 Vario gibt es keine manuelle Gruppenschaltung mehr. Und dank des variablen Allradantriebs fehlt auch dieser Knopf künftig auf der Bedienarmlehne — top!
Das Sahnehäubchen: Der 726/728 ist künftig optional mit 60 km/h (bei nur 1 450 Motorumdrehungen) zu haben, und der neue 700er kann mit bis zu 2,05 m hohen Hinterrädern sowie der voll integrierten Reifendruckverstellanlage Vario Grip bestellt werden. Dabei gibt es den wassergekühlten Doppelkolbenkompressor mit 800 l/min Luftleistung wahlweise auch ohne Vario Grip.
Fast zur Randnotiz werden da die Ausstattung mit vier Zapfwellendrehzahlen oder die Handbremsautomatik (schließt beim Verlassen des Sitzes, öffnet beim Losfahren). Die neue Vorderachse ermöglicht, nicht zuletzt dank der direkt oberhalb angeordneten Kühler, eine beeindruckende Wendigkeit. Zudem hat sie die von den großen Geschwistern bekannte Fahrwerksstabilisierung FSC, bei der oberhalb von 20 km/h der Ölausgleich zwischen den Federungszylindern gesperrt wird.
15 t zulässiges Gesamtgewicht
Wo wir gerade bei den Achsen sind: 15 t zulässiges Gesamtgewicht (14 t bei 60 km/h) und nur gut 9 t Leergewicht beim größten Modell ermöglichen laut Fendt rund 6 t Nutzlast. Zudem hat man die Wahl zwischen Flansch- und Verstellachsen. Außerdem ist der 700er jetzt — insbesondere für die Reihenkulturen in den USA — fit für nur 60 Zoll (1,52 m) Spurweite. Gleichzeitig hat man Wert auf eine möglichst große Bodenfreiheit gelegt: 57 cm gibt der Hersteller mit Hinterrädern der Größe 650/85 R 38 an.
Wirft man einen Blick auf das Heck, fallen einem die deshalb ein gutes Stück enger stehenden Kotflügel weniger ins Auge als die flach-dichtenden Ölanschlüsse. Fendt plädiert aufgrund der großen Vorteile wie weniger Lecköl, einfacherer Reinigung sowie besserem Öldurchfluss (schließlich gibt es auch den 700er jetzt mit einer 220-l/min-Axialkolbenpumpe) unbedingt für die wahlweise erhältlichen Kupplungen. Für den Übergang können auch Adapter für die herkömmlichen Stecker helfen. Ebenfalls in die Zukunft gerichtet ist die Möglichkeit, die Axialkolbenpumpe in dem Loadsensing-System nicht nur mit der bekannten Steuerleitung, sondern auch mit einem elektrischen Signal ansteuern zu können — wir sind gespannt.
Eine weitere Innovation gibt es beim Hubwerk: So wurde nicht nur die Hubkraft um etwa 1 t auf jetzt 11 t angehoben, sondern Fendt führt auch beim Heckhubwerk jetzt erstmals eine entlastende Regelung ein, um z. B. Gewicht vom Anbaugerät auf den Traktor zu übertragen — super! Auf den ersten Blick ebenfalls eine gute Idee ist die Entlastung des schweren hydraulischen Oberlenkers per Seilzug. Wir sind gespannt, ob sich diese wirklich sinnvolle Ausstattung auch im harten Praxisalltag bewährt.
Betrachtet man die Kabine von außen, ist im Vergleich zum Vorgängermodell — wenn man von den jetzt elektrisch teleskopierbaren Spiegeln sowie den „laufenden“ Blinklichtern in den neuen LED-Rückleuchten mal absieht — zunächst wenig Innovation zu erkennen. Trotzdem musste der komplette Unterbau wegen der engeren Spur-Option neu werden. Optional ist deshalb statt der pneumatischen Zweipunkt-Federung auch die von den Großtraktoren bekannte pneumatische Dreipunkt-Federung lieferbar.
Ebenfalls kommt dem Fahrer die Möglichkeit zugute, die Kabine ab Ende 2023 auch mit der Schutzklasse 4 samt kontrollierter Überdruckbelüftung und Aktivkohlefilter bestellen zu können. Der Filter selbst sitzt nach wie vor an der Kabinenrückwand.
In der Kabine finden sich Fendt-Fahrer flott zurecht. Es bleibt bei der FendtOne-Bedienphilosophie. Neu sind aber z. B. Sitz-Optionen, die Fendt zusammen mit Isri entwickelt hat: Neben der Leder-Ausstattung mit Belüftung und Massagefunktion gehört dazu eine Memory-Funktion für die elektrische Verstellung der Längenverstellung, der Rückenlehnen-Neigung, der Seitenwangen und der Lendenwirbelstütze — Hammer!
Der Anhänger-Bremsassistent (verfügbar ab viertem Quartal 2023) steuert die Druckluftbremse bei kritischem Schubverhalten des Anhängers automatisch an. Egal, ob beim Verzögern per Getriebe oder bei Bergabfahrt wird der Zug so gestreckt gehalten.
Die Optionen „rechte Tür“ und „aufstellbare Frontscheibe“ gibt es auch beim neuen 700er. Hinzu kommt rechts ein Wischer, hinten ein Sonnenrollo sowie eine aktive Box zum Kühlen oder Erwärmen.
Die Freisprecheinrichtung hat acht im Dach integrierte Mikrofone, und es gibt optional verschiedene Soundsysteme.
Die neue Frontladergeneration Cargo 6.100 hebt bis zu 4 t und bis zu 4,85 m hoch. Außerdem ist der Werkzeugwechsel jetzt in jeder Position möglich.
Es gibt die Power- und Profi-Variante jeweils auch als „+“-Version mit Basispaket zur Spurführung. Alle Varianten sind in Setting 1 oder Setting 2 — ohne oder mit Kreuzschalthebel (Power) bzw. mit Kreuzschalthebel oder 3L-Joystick (Profi) — zu haben.
Kommen wir zum unangenehmsten Teil: die Preise. Da die bisherigen 700er Modelle im Programm bleiben, lohnt sich ein Vergleich vom alten und neuen 724. Mit 288 650 Euro (alle Preise ohne MwSt.) für den neuen 724 Vario werden hier schon rund 15 500 Euro mehr aufgerufen als für den Vorgänger. Für den neuen, von uns eingesetzten 728 Vario in Vollausstattung stehen sage und schreibe 416 000 Euro in der Liste. Und damit nicht genug: Der neue Frontlader kommt noch mit mindestens 20 000 Euro hinzu.
Wer glaubte, große Fortschritte seien — zumindest bei der Hardware — nicht mehr möglich, wird beim neuen 700er Vario eines Besseren belehrt. Der Schlepper vereint viele Eigenschaften (stufenlos 60 km/h fahren, intelligente Allradautomatik, entlastendes Hubwerk etc.), die woanders vielleicht einzeln zu finden sind. Im Vergleich zur Gen6 (die im Programm bleibt) ist die Gen7 natürlich ein ordentliches Stück größer und auch schwerer. Damit liegt sie näher am 800er, dessen Tage somit gezählt sind.