Endlich traut sich mal einer was: Mit Vorstellung des 8S (profi 11/2020) hat Massey Ferguson beim Design richtig Mut bewiesen. Die riesige Kabine mit der nach vorn geneigten Frontscheibe erinnert an Schlüter, während z. B. die Motorhaube oder die LED-Rückleuchten modernstes Styling bieten — top!
Zum Öffnen der Haube ist ein 8er Inbus nötig (der normalerweise am Schlüsselbund hängt). Dann kann man sich mit den „inneren“ Werten des Franzosen beschäftigen: Der 7,4-l-Sechszylinder von AgcoPower ist mit 184 kW/250 PS Nenn- und 195 kW/265 PS Maximalleistung angegeben. Hinzu kommen 15 kW/20 PS Boost, die bei Zapfwellen- und Hydraulikarbeiten (über 0,1 km/h) sowie ab 6 km/h sogar bei reiner Zugarbeit aktiv werden sollen. Doch dazu später…
Massey Ferguson 8S.265 Dyna-7: 250 PS an der Zapfwelle
Wie immer hat das DLG-Testzentrum nachgemessen: Ohne Boost kamen hinten am Stummel bei Nenndrehzahl 157,5 kW an, maximal waren es 170,7 kW bei 1 700 Touren — exakt der Wert, den MF löblicherweise als einziger Hersteller im Prospekt als Zapfwellenleistung angibt. Und damit nicht genug: Wird der Boost freigeschaltet, hat die DLG hinten am Stummel sogar 172,3 kW bei Nenndrehzahl sowie 184 kW bei Maximalleistung gemessen — sehr gut!
Da auch die Leistungscharakteristik passt, bleibt nur noch die Frage nach dem Dieselverbrauch. Mit 247 g/kWh (+ 23,1 g/kWh AdBlue) bei Nenndrehzahl sowie 234 g/kWh Diesel (+ 22,4 g/kWh AdBlue) bei Maximalleistung ist aber auch hier alles im grünen Bereich.
Das beweisen nicht zuletzt auch die praxisnahen Powermix-Messungen: Mit 259 g/kWh (+ 25 g/kWh AdBlue) ist der 8S fast 7 % sparsamer als das Mittel aller Test-Traktoren.
Da unser Testkandidat mit dem neuen „Dyna-7“-Schaltgetriebe ausgestattet war, waren wir gespannt auf die Zugleistung. Und siehe da, mit 139,2 kW bei Nenndrehzahl sowie 153,3 kW bei maximaler Motorleistung sind die Werte super, jedoch wurde der Boost — trotz fast 13 km/h bei der Messung — nicht wie versprochen aktiv.
Ein ordentlicher Trost ist der Dieselverbrauch von nur 259 g/kWh bei maximaler Zugleistung. Außerdem können wir dem 8S auch auf der Straße Sparsamkeit attestieren: Mit 388 g/kWh bei 50 km/h im Powermix-Transporttest abzuschneiden, ermöglicht unter anderem die lange Getriebeübersetzung (50 km/h bei nur 1600 Touren).
Statt des „Dyna-E“-Getriebes — hier soll auch der Gruppenwechsel ohne Lastunterbrechung möglich sein — stand uns für den Test leider „nur“ das „Dyna-7“-Getriebe zur Verfügung. Grundsätzlich bietet es aber — genau wie das Dyna-E — mit sieben Lastschaltstufen und vier Gruppen 28/28 Geschwindigkeitsstufen. Davon liegen auch elf im Hauptarbeitsbereich von 4 bis 12 km/h — allerdings über drei Gruppen verteilt!
Die Gangabstufung ist mit etwa 18 % schön gleichmäßig, aufgrund der großen Überlappung zwischen den Gruppen hat man allerdings keine Übersicht, welche Übersetzung die nächst schnellere ist. Und was die Bedienung der Automatik angeht, hat kein Fahrer auf Anhieb den Wechsel der Schaltbereiche sowie deren Anzeige im A-Holm-Display verstanden.
Ein Thema, dass auch Massey Ferguson erkannt und Besserung versprochen hat. Zumal viele Detail-Einstellungen wie Minimal- und Maximaldrehzahlen sowie die Anfahrgänge usw. ebenfalls gewählt werden müssen, da man nicht einfach die Schaltbereiche der Lastschaltstufen eingrenzen kann. So störte uns im Alltag z. B. auch, dass der Schlepper im Automatikmodus nirgends den tatsächlich eingelegten Gang anzeigt.
Fährt man im manuellen Modus (was ziemlich gut funktioniert), haben viele Fahrer ein Problem mit der Bezeichnung der Lastschaltstufen. Was mit A, B, C, D bei vier Stufen in anderen Modellen noch gut funktioniert, geht bei sieben Stufen kaum: Wer weiß schon, ob z. B. „G“ der sechste oder siebte Buchstabe im Alphabet ist? Und kommt das „F“ vor oder nach dem „G“? Ganz einfache Lösung: Die vier Gruppen mit A, B, C und D kennzeichnen und die Lastschaltung mit 1 bis 7 — das versteht jeder!
Wir wollen an dieser Stelle aber auch noch Lob loswerden: Dass es z. B. beim Schalten eine automatische Drehzahlreduzierung gibt, ist genauso ein Fortschritt, wie die Deaktivierung des Tempomaten per „Kick down“. Hinzu kommt die Ausstattung mit vier Zapfwellendrehzahlen (540/540E/1 000/ 1 000E). Die Eco-Übersetzungen schalten jetzt bei Überdrehzahl auch nicht mehr ab, und MF will auch den Dauer-Piepton noch wegprogrammieren, um z. B. die Nutzung der 540E mit 750 U/min zu ermöglichen.
Über 8,5 t Hubkraft
Beim stabilen Heckhubwerk hat das DLG-Testzentrum durchgehend fast 8 700 daN Hubkraft gemessen — top! Dazu passen die einfachen Unterlenker-Stabilisatoren nicht, optional sind aber auch Automatik-Streben lieferbar. Eine hydraulische Version gibt es dagegen ab Werk leider nicht.
Nicht verstanden haben wir, warum MF bei der Schnellbedienung des Hubwerks wieder mit einem Rastschalter arbeitet. Das wird bei zunehmend automatisierten Abläufen ebenso zum Problem, wie der rastende Hebel links unter dem Lenkrad, der die Nutzung der Wendeschaltung rechts auf dem Fahrhebel im Wechsel ausschließt.
Die Programmierung der Steuerventile hat uns gut gefallen, genau wie der getrennte Ölhaushalt, fast 230 l/min Fördermenge und die Möglichkeit, den Proportionalbereich auch bei aktiver Zeitsteuerung nutzen zu können. Dass allerdings der kleinen Kreuzhebel so positioniert ist, dass man beim Bedienen gerne mal eines der anderen Ventile bewegt, sollte MF ändern.
Genauso unverständlich ist die Gestaltung des Lagereglers vom Hubwerk: Waagerecht auf der Armlehne und nicht einmal 1 cm hoch hat das chromfarbene Teil vielleicht Potenzial für einen Design-Preis — praktikabel bedienen lässt es sich nicht. Stichwort Design-Preis: Die Form der Kabine hat sicher jede Auszeichnung verdient. Nicht nur das Platzangebot, sondern auch die Rundumsicht aus der Kommando-Zentrale ist außerordentlich.
Ebenso bemerkenswert ist die Entkopplung der durchgehenden Frontscheibe von Haube und Motorraum. Da wundert es nur, dass die DLG trotzdem noch eine Lautstärke von 73,3 dB(A) bei maximaler Zugleistung gemessen hat. Vor allem aber verursachten beim Testschlepper vermutlich die großen Kotflügel gepaart mit den riesigen Fensterflächen auf der Straße schon mal unangenehme Resonanzen.
Das gilt auch für das Zusammenspiel von Vorderachs- und Kabinenfederung: Die Vorderachse taucht beim Bremsen zwar nicht mehr ab, die störenden Nickbewegungen der Kabine lassen sich aber nur reduzieren, wenn man die Kabinenfederung im Terminal auf „hart“ stellt.
Apropos Terminal: Der Datatronic 5-Touch Screen misst 9 Zoll und hat eine klare Menüstruktur. Für mehrere Anzeigekacheln (z. B. für GPS, ISO-Bus und Schlepperfunktionen) ist er allerdings zu klein. Hier muss man entweder zwischen den Ansichten hin- und herwischen (was sehr gut funktioniert), oder zusätzlich z. B. das Fieldstar 5-Terminal nutzen. Deutlich verbessert hat Massey Ferguson die Luftführung in der Kabine, während die Störung der Klimaanlage laut Hersteller wohl nur ein Problem bei dem Testkandidaten war.
Ebenfalls beeindruckend ist der Scheibenwischer mit seinem 1,20 m langen, senkrecht stehenden und parallelgeführten Wischerblatt. Bewegt er sich auf der trockenen Scheibe, kann allerdings schnell die Sicherung durchbrennen.
Eine spezielle Einweisung braucht man für die neue Bedienung des Blinkers ohne Lenkwinkelsensor: Tippt man ihn nur an, schaltet er nach 100 m oder 45 s automatisch wieder aus — gute Idee, für lange Gespanne mit zwei Anhängern aber definitiv zu wenig. Rastet man den Hebel ein, blinkt er dauerhaft — auch logisch.
Dass man ihn bei einer Fehlbedienung aber frühestens nach dreimaligem Blinken wieder deaktivieren kann, will MF genauso ändern, wie die Strecke bzw. Zeit für die Abschaltung noch mal angepasst werden soll.
Mit Rädern bis maximal 2,05 m Höhe kann der 8S mit 10,3 t Leergewicht bestückt werden. Das könnten natürlich gerne auch 2,15 m hohe Pneus sein, zumal Massey Ferguson immerhin 16 t zulässiges Gesamtgewicht erlaubt. Somit kommt der Testkandidat dann auf stolze 5 670 kg Nutzlast, die dank der sehr guten Bremsverzögerung von 5,5 m/s2 auch problemlos wieder zum Stehen gebracht werden. Allerdings könnte die Dosierbarkeit der Bremse besser sein.
13,10 m Wendekreis (VF600/70 R 30 mit nur 1,97 m Spur) sind super. Gefallen hat uns auch das griffige Lenkrad sowie die Menüführung der GPS-Lenkung. Gar nicht gefallen hat uns dagegen die Rostbildung an den Felgen sowie an den Trittstufen rechts. Schließlich kostet der MF 8S.265 in kompletter Testausstattung — angefangen beim Fronthubwerk (6 400 Euro) über das Lenksystem (8 520 Euro) bis hin zur Reifendruckverstellanlage (15 235 Euro) — laut Preisliste über 284 000 Euro.
Das bleibt festzuhalten
Nur selten sind wir nach einem Test so hin- und hergerissen. In Sachen Aussehen und Messwerte muss der neue 8S von Massey Ferguson keinen Vergleich in dieser Liga scheuen. Auch der Wirkungsgrad vom neuen Getriebe passt, während die Bedienung noch vereinfacht werden kann.
Jedenfalls bekommt man für einen Listenpreis von immerhin gut 284 000 Euro ohne Mehrwertsteuer einen top-modernen Schlepper mit 250 PS an der Zapfwelle und siebenstufiger Lastschaltung.