Mit MF-Teilen
Aus profi 5/1993
Seinerzeit war die Zusammenarbeit von Steyr und Massey Ferguson ein Fortschritt, mit der Übernahme durch CNH (Steyr) bzw. Agco (MF) wäre das heute wohl undenkbar.
Warum etwas neu entwickeln, was als passende Serie schon auf dem Markt ist? Man kaufe die notwendigen Teile und konstruiere daraus einen neuen Schlepper. - Die Firma Steyr richtete sich nach diesem Prinzip bei der neuen schweren Baureihe 9000, die die bisherige 8000er Serie ersetzt.
Nach Verhandlungen mit Massey Ferguson in Frankreich beschloss Steyr, aus der MF-Baureihe 3600 das Heck, die Kabine ohne Dach und die Vorderachse zu übernehmen. Dabei ging es den Steyr-Konstrukteuren vor allem um das Getriebe mit der vierstufigen Lastschaltung.
Vorteilhaft war aber auch, dass MF schon länger mit dem finnischen Valmet-Konzern zusammenarbeitet. Denn auch Steyr pflegt (schon seit 1985) eine Zusammenarbeit mit Valmet, entsprechend wenig Probleme bereitete die Übernahme wichtiger Baugruppen. Dank der Zusammenarbeit mit Valmet hat Steyr beispielsweise den Valmet-Motor zu einem Steyr-Motor weiterentwickelt. Weil in den beiden großen MF-Modellen 3670 und 3690 bereits ein Valmet-Motor D620 arbeitet, passt der daraus entwickelte Steyr-Valmet-Motor WD 620.81 nahtlos vor das MF-Getriebe.
Außerdem entstand bei der Zusammenarbeit mit Valmet auch die Motorhaube für die Valmet-Serie Mega. Diese Haube konnte Steyr ohne Probleme für die neue Baureihe 9000 einsetzen. Es fehlte nur noch ein Kabinendach, und die neue Steyr-Serie, war geboren.
Der neue Steyr 9170 unterscheidet sich dennoch deutlich vom MF 3670. Das trifft vor allem für den Motor zu: Der neue Steyr-Valmet-Motor arbeitet nach dem HPCE-Prinzip von Steyr. Diese Abkürzung heißt „high performance, controlled emission“, wörtlich übersetzt bedeutet das „hohe Leistung, geregelte Abgase“.
Hier wurde die Verbrennung dieses Motors optimiert durch eine verbesserte Führung des Kraftstoff-Luft-Gemisches in eine speziell geformte Wirbelkammer. Dadurch verringert sich der Ausstoß von Ruß, Kohlenmonoxid und Kohlenwasserstoffen. Der Motor im Steyr 9170 erhielt diese Eigenschaften durch neue Zylinderbuchsen und Ansaugventile, durch einen neuen Zylinderkopf und ein Hochdruck-Kraftstoffsystem.
Wichtiger für den Praktiker ist die Laufruhe des Motors und sein Drehmomentverhalten. Nach Angaben von Steyr sind die Leistungswerte des Motors deutlich besser als beim Original-Valmet-Motor. Steyr gibt für den 9170 eine Constantpower-Charakteristik an mit einem Drehmomentanstieg von 30 % bei 32 % Drehzahlabfall und 116 % Anfahrmoment. Das sind gute Werte: Der Valmet-Motor im MF 3670 hatte im profi-Schleppertest (Ausgabe 1/93) 28 % Drehmomentanstieg bei 42 % Drehzahlabfall (gemessen an der Zapfwelle).
Wegen des höheren Drehmomentanstiegs montiert Steyr in alle drei neuen Typen der Baureihe 9000 eine doppelte Plattenkupplung (bei MF nur in den beiden schwereren Modellen zu finden).
Die vierstufige Lastschaltung, die bei MF Dynashift heißt, nennt sich bei Steyr Turbo Power 4. Beim Steyr 9170 findet sich der Bedienungshebel dafür allerdings nicht links unter dem Lenkrad, vielmehr sind für die Lastschaltung Druckknöpfe auf dem Gangschalthebel zu bedienen. Damit lässt sich der 9170 durch die komplette Transportgruppe schalten, ohne dass die rechte Hand vom Gangschalthebel genommen werden muss. Der Nachteil im Vergleich zur MF-Lösung ist, dass die rechte Hand für die Lastschaltung benötigt wird und nicht für die Bedienung von Hubwerk und Hydraulik frei ist.
Aus diesem Grund brachte Steyr auf dem Wendeschalthebel weitere Druckknöpfe an, über die sich zwei doppeltwirkende Hydraulikzylinder bedienen lassen, hier wird auch das Ausheben und Absenken des Hubwerkes ausgelöst. Das fanden wir recht praktisch. Der Fahrer kann auf diese Weise den Pflug anheben, wenden und den Pflug wieder absenken, ohne dass die Hand vom Wendeschalthebel genommen werden muss. Das hat wiederum der MF nicht zu bieten ...
Wer im Steyr 9170 die Funktionen auf dem Wendeschalthebel nicht nutzen will, kann sie einfach ausschalten, indem er den roten Druckknopf auf der rechten Seitenkonsole betätigt. Denn in der Seitenkonsole sind die gleichen Funktionen ein zweites Mal zu finden.
Das elektronische Hubwerk des Steyr 9170 ist ebenso wie beim MF von Bosch, die Bedienung und die Anzahl der Funktionen sind allerdings unterschiedlich:
Der 9170 ist ausrüstbar mit einem Fahrer-Informationssystem von LH agro. Dieses Fahrer-Informationssystem bietet unter anderem die zurückgelegte Fahrtstrecke, Zeitdauer, insgesamt bearbeitete Fläche und Zapfwellendrehzahl als unabhängig gemessene Informationen an. Das bedeutet, dass die Messungen auch bei ausgehobenem Hubwerk am Vorgewende weiterlaufen. Die Datatronic bei MF schaltet sich während der Wendezeit ab, sie bietet darüber hinaus auch eine Schlupfregelung. Die Autotronic-Regelungen von MF mit dem automatischen Ein- und Ausschalten des Frontantriebes und der Differentialsperre sowie der Zapfwelle hat der Steyr 9170 allerdings auch.
Steyr montiert in den 9170 eine Hydraulikpumpe mit einer Leistung von 53 l/min. MF bietet hingegen den 3670 mit einer Doppelpumpe und 106 l/min Förderleistung an. Diese Doppelpumpe ist zunächst für den Steyr 9170 nicht lieferbar.
Schließlich hat Steyr auch an der Kabine einige Veränderungen vorgenommen: Der 9170 hat vier Arbeitsscheinwerfer vorne und hinten im Kabinendach, die äußeren Scheinwerfer lassen sich um 900 schwenken. Serienmäßig ist der Schlepper mit Klimaanlage ausgestattet. Und das Unterteil der Kabinentüren erhielt ein zusätzliches kleines Fenster.
Im Übrigen ist die Kabine identisch mit der von MF. Damit hat Steyr einzelne Nachteile wie die sehr glatten Pedale, das etwas schwergängige Kupplungspedal und das nicht besonders gut erreichbare Gaspedal nicht beseitigt. Dafür gibt Steyr durch den ruhigeren Motor ein niedrigeres Geräuschniveau an: Mit 72 dB(A) nach Angaben von Steyr gehört der Steyr 9170 zu der neuen Generation der Schlepper mit besonders leisen Arbeitsplätzen. Das spürt man auch bei der Arbeit. Auch die Sicht ist dank der abgeschrägten Motorhaube besser als beim MF.
Profi Daten-Kompass
Steyr 9170
Motor: Valmet-Steyr WD 620.81, 6 Zylinder mit 6600 cm3 Hubraum und Turbolader, wasser-gekühlt. Nennleistung 125 kW/170 PS bei 2200 min-1. 30 % Drehmomentanstieg bei 32 % Drehzahlabfall.
Getriebe: 32/32 Gänge, zwei synchronisierte Gruppen, vier synchronisierte Gänge, vier Lastschaltstufen, separate synchronisierte Wendeschaltung. 40 km/h (30 km/h auf Wunsch, Kriechgetriebe anstelle von vierstufiger Lastschaltung mit 30 km/h lieferbar).
Hubwerk: Heckkraftheber Kategorie II/III mit Unterlenkerregelung und EHR. Auf Wunsch Frontkraftheber Kategorie II
Hydraulik: Betriebsdruck 185 bar, maximale Förderleistung 53 l/min.
Achsen und Fahrwerk: Hinter- und Vorderachse mit elektrohydraulischer Klauendifferentialsperre, Vorderachse mit elektro-hydraulisch geschaltetem Frontantrieb, 50° Lenkeinschlag.
Bereifung vorn 18.4 R 26
Bereifung hinten 20.8 R 38
Preis: Listenpreis in Grundausstattung ohne MWSt. 143 400 DM
Das bleibt festzuhalten: Für Großbetriebe und Lohnunternehmer ist die neue Steyr-Serie 9000 eine interessante Alternative. Auf dem Papier bietet der Schlepper eine bessere Motorcharakteristik und einen niedrigeren Geräuschpegel als der MF. Obendrein hat der Schlepper auf dem Wendeschalthebel Drucktasten für die elektronische Bedienung von Hubwerk und Hydraulik zu bieten.
Andererseits vermisst man beim Steyr 9170 im Vergleich zum MF 3670 einige Funktionen der Datatronic, bei manchen Arbeiten hätten wir auch lieber die Wendeschaltung mit der linken Hand unterhalb des Lenkrades betätigt. Der 9170 bietet hier als Ersatz das Fahrer-Informationssystem von LH agro und die Hydraulik-Bedienung auf dem Gangschalthebel.