Ackerbau ohne Glyphosat: Sechstes Jahr ohne Totalherbizid
Die Domäne Beberbeck in der Nähe von Kassel verzichtet seit 2018 auf Glyphosat. Wie der Betrieb dennoch Herr der Lage bleibt, beschreibt Betriebsleiter Bernd Köhling.
Wir haben kein Universalrezept, aber mittlerweile viele Erfahrungen gesammelt, was auf unserem Standort funktioniert und was nicht“, gibt Betriebsleiter Bernd Köhling zu Beginn unseres Gespräches offen zu. Als Betriebsleiter der hessischen Staatsdomäne Beberbeck verantwortet er rund 600 ha Ackerbau.
Köhling wirtschaftet überwiegend auf sandigen Lehmböden in stark kupiertem, erosionsgefährdetem Gelände. Seit 2018 muss er als Betriebsleiter eine Landesvorschrift umsetzen, die den Verzicht von Glyphosat auf hessischem Grundeigentum vorgibt. „Theoretisch ist der Verzicht einfach, praktisch erweist sich die neue Wirtschaftsweise aber durchaus als herausfordernd“, beschreibt der Landwirt.
Um nur zwei Beispiele zu nennen: Die Erosionsgefahr erlaubt nicht überall intensive Bodenbearbeitungsgänge vor der Aussaat und auch die Heterogenität der Böden fordert ihren Tribut. Während sich einige Teilflächen beispielsweise bei Bedarf problemlos mit einer Fräse bearbeiten lassen, sind andere Ackerflächen viel zu steinig dafür.
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Wir haben kein Universalrezept, aber mittlerweile viele Erfahrungen gesammelt, was auf unserem Standort funktioniert und was nicht“, gibt Betriebsleiter Bernd Köhling zu Beginn unseres Gespräches offen zu. Als Betriebsleiter der hessischen Staatsdomäne Beberbeck verantwortet er rund 600 ha Ackerbau.
Köhling wirtschaftet überwiegend auf sandigen Lehmböden in stark kupiertem, erosionsgefährdetem Gelände. Seit 2018 muss er als Betriebsleiter eine Landesvorschrift umsetzen, die den Verzicht von Glyphosat auf hessischem Grundeigentum vorgibt. „Theoretisch ist der Verzicht einfach, praktisch erweist sich die neue Wirtschaftsweise aber durchaus als herausfordernd“, beschreibt der Landwirt.
Um nur zwei Beispiele zu nennen: Die Erosionsgefahr erlaubt nicht überall intensive Bodenbearbeitungsgänge vor der Aussaat und auch die Heterogenität der Böden fordert ihren Tribut. Während sich einige Teilflächen beispielsweise bei Bedarf problemlos mit einer Fräse bearbeiten lassen, sind andere Ackerflächen viel zu steinig dafür.
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Bis 2018 war Glyphosat für Köhling ein übliches Hilfsmittel als Bestandteil des integrierten Pflanzenbaus, um beispielsweise vor Sommerungen mit Mulchsaaten arbeiten zu können. „Ohne Glyphosat wird dies um Längen schwerer, aber nicht unmöglich“, weiß der Landwirt mittlerweile. Nach knapp sechs Jahren ohne Totalherbizid hat er heute vor allem vor seinen spezifischen Fruchtfolge-Problemunkräutern noch mehr Respekt als zuvor. Dazu zählen beispielsweise Windenknöterich, Hundspetersilie, Vogelknöterich oder auch ein Altraps. „Mit Quecke haben wir bisher kein Probleme — und wenn, wüsste ich auf unseren feuchten Standorten nicht, wie gut mechanisch abgeschnittene Rhizome vertrocknen würden“, ist der Praktiker realistisch.
Im ersten Schritt hat Bernd Köhling nach dem Verbot von Glyphosat die Fruchtfolge erweitert. Hinzugekommen ist beispielsweise Silomais, um dort im Frühjahr die mechanischen Möglichkeiten und auch die chemischen Potenziale ausnutzen zu können. Auch Leguminosen sind seit langem ein fester Bestandteil der Fruchtfolge. Insgesamt hat der Praktiker elf Kulturen im Anbau, wovon nicht alle in einer Fruchtfolge stehen. Beispielsweise unterscheidet er weitgehend zwischen einer Raps- und Zuckerrübenfruchtfolge. Im Anbau sind Winterweizen, -gerste, -raps, -roggen, Triticale, Hafer, Ackerbohnen, Erbsen, eine mehrjährige Wiesenrispe sowie Zuckerrüben und Silomais.
„Unsere Flächen sind nahezu arrondiert und von rund 22.000 ha Wald umgeben. Um trotz eines hohen Wildaufkommens auf allen Flächen breite Fruchtfolgen zu etablieren, zäunen wir die Schläge intensiv ein“, beschreibt Köhling. Ansonsten würden z. B. Winterweizen, Silomais oder Ackerbohnen nicht überall möglich sein.
Seit dem Glyphosatverzicht hat der Betrieb seinen Maschinenpark stetig aufgestockt. So viel vorweg: Auch wenn die Kurzscheibenegge beim Thema Glyphosatverbot oft ins schlechte Licht gerückt wird, ist Köhling froh, sie nicht verkauft zu haben. Denn ohne Totalherbizid wächst der Bedarf an verschiedenen Werkzeugen.
Zunächst hat die Domäne Beberbeck versucht, mit der vorhandenen Technik klarzukommen. Dazu zählte beispielsweise ein Mulchsaatgrubber (Köckerling Quadro)sowie eine Lemken Rubin-Kurzscheibenegge. Auch einen Pflug hat Köhling in der Hinterhand, um unter manchen Bedingungen reagieren zu können. Zum Beispiel pflügt er auf einigen Standorten die zuvor gefräste Grasnarbe der Rispenvermehrung. Nur so ist ein spezielles Ungras aus diesem Betriebszweig (Mäusefederschwingel) nachhaltig zu bekämpfen.
Zudem nutzt Köhling heute eine hochmoderne Pflanzenschutzspritze. „Seit wir kein Glyphosat mehr einsetzen, achten wir noch stärker auf absolut reine Hauptkulturen. Hierfür sind eine optimale Gestängeführung, pulsweitenmodulierte Düsen für eine gleichmäßige Ausbringmenge bei Kurvenfahrten sowie eine optimale Abdriftminderung und hohe Schlagkraft noch mal wichtiger“, fasst Köhling zusammen.
Um Unkräuter mechanisch zu bekämpfen, unterscheidet der Betriebsleiter zwischen zwei Bekämpfungszeiträumen. Zum einen nach Zwischenfrüchten im Frühjahr und zum anderen nach Getreide im Sommer. In beiden Zeiträumen ist Köhling mit seiner einstigen Technik an die Grenzen gekommen. „Wir müssen zweifellos mehr ackern, dürfen dabei aber nicht die Bodenstruktur und -feuchte aus den Augen verlieren, um später z. B. gute Zwischenfrüchte zu etablieren“, beschreibt er seine Philosophie.
Bisher nutzt Köhling zum Stoppelsturz den Federzinkengrubber Allrounder Flatline von Köckerling. „Vor allem im Sommer muss die Technik flach und präzise arbeiten– und auch mit großen Strohmengen zurechtkommen. Mit dem vielbalkigen Flatline haben wir dieses Ziel erreicht“, so der Landwirt. In der Regel plant Köhling im Sommer einen Arbeitsgang mit diesem Gerät ein, worauf die Zwischenfrucht-Aussaat mit der Köckerling Ultima-Sämaschine folgt. Zuvor bringt Köhling einen Großteil der Organik aus, wozu Kompost, Gärrest sowie Rinder- und Schafmist zählen.
Zukünftig will Köhling auch alternative Systeme zur Zwischenfruchtaussaat testen, beispielsweise eine Direktsaat unmittelbar nach dem Mähdrusch.
Für einen ganzflächigen Schnitt setzt der Betrieb einen Allrounder Flatline von Köckerling ein. Das Gerät kommt auch mit großen Strohmengen zurecht.
(Bildquelle: Köhling)
Die Aussaat erfolgt in Beberbeck mit der Ultima-Zinkensämaschine von Köckerling.
(Bildquelle: Köhling)
Fokus auf Zwischenfrüchte
„Vor Sommerungen wachsen bei uns immer Zwischenfrüchte“, so Köhling. Diese sind elementar, um die Böden möglichst unkrautfrei durch den Winter zu bringen. Genutzt werden z. B. abfrierende Mischungen aus Sommerwicke, Ackerbohne, Erbse, Phacelia, Sonnenblume und Öllein.
Nach Köhlings Erfahrungen müssen sich die Mischungspartner schnell und üppig entwickeln, um das Auflaufgetreide zu überwachsen. „Wenn das Getreide zu groß wird, bekommen wir im Folgejahr Probleme mit der mechanischen Bearbeitung und sicheren Bekämpfung. Chemisch lassen sich Gräser aus Zwischenfruchtmischungen aufgrund von Anwendungsbestimmungen in der Regel nicht bekämpfen“, fasst Köhling zusammen. Zudem hat der Landwirt immer wieder beobachtet, dass gut entwickelte Bestände sicherer abfrieren und sich dadurch nachfolgend auch mechanisch einfacher bearbeiten lassen.
Nachdem der Betriebsleiter im ersten Frühjahr ohne Glyphosat mit einem flachen und einem tieferen Grubberstrich auskommen wollte, bekam er die Folgen schnell zu spüren. Heute blickt er zurück: „Mittlerweile wissen wir, dass auf unseren Standorten selbst zwei flache Arbeitsgänge im Frühjahr nicht ausreichen. Zudem wird die zeitige Bearbeitung auf den teilweise von Schichtwasser geprägten Standorten im Frühjahr immens eingeschränkt.“
Mit diesen Erfahrungen im Gepäck schmiedete er neue Pläne und erprobte vorgeschaltete Arbeitsgänge im Winter. In ersten Versuchen kamen die vorhandene Grubbertechnik sowie die Kurzscheibenegge und auch eine Cambridgewalze zum Einsatz.
Nach einer Bearbeitung mit direktem Bodeneingriff stellte Köhling eher Nach- als Vorteile fest: „Auf unseren Böden verhält sich die oberer Bodenschicht anschließend wie ein Schwamm. Im Frühjahr konnten wir die Flächen erst einige Tage später als üblich wieder befahren.“ Lediglich bei der Walze war dieser Effekt nicht zu erkennen. Hier konnten sie allerdings auch keine Wirkung zur Beikrautbekämpfung feststellen.
Erfahrung mit Kettenegge
Durch einen Zufall ist Köhling später auf eine Kelly-Kettenegge gestoßen und konnte diese ausprobieren. „Mittlerweile haben wir solch ein 6 m breites Gerät gekauft und fest in unseren Ablauf integriert“, beschreibt er.
Momentan verfolgt Köhling das Ziel, mindestens einmal vor Weihnachten alle Zwischenfrüchte damit bearbeitet zu haben. Am besten geht dies bei leichtem Frost — notfalls aber auch ohne, weiß er zu berichten: „Das Gerät ist sehr leichtzügig, weshalb der Einsatz mit einem kleinen, leichten Schlepper möglich ist. Und da die Kettenegge kaum in den Boden eingreift, sehe ich auch keine Gefahr vor Schmierschichten im Oberboden.“
Im besten Fall wiederholt der Praktiker den Durchgang im Januar oder Februar, wenn erneuter Frost angekündigt ist. Nach seinen Erfahrungen bekommt er so nicht nur die Zwischenfrüchte durch einen Scher-Effekt sicher abgetötet, sondern auch die Unkräuter bekämpft. Als besonders positiv hebt Köhling die Bodengare hervor: „Durch die Kettenegge bleibt die gute Bodenstruktur weiter bestehen und auch die organische Masse verbleibt als Mulchauflage auf der Oberfläche.“
Als Kraftstoffbedarf setzt er rund 3 Liter pro Hektar an, bei Flächenleistungen von rund 6 bis 7 ha pro Stunde mit dem 6 m breiten Gerät. Nach dem zweiten Durchgang mit der Kellyegge folgen im Frühjahr je nach Witterung meistens die Grundbodenbearbeitung und dann die Aussaat der Sommerkultur. „Mit diesem Konzept sind wir aktuell ganz gut aufgestellt. Allerdings weiß man nie, was bei weiteren Verboten von Pflanzenschutzmitteln noch folgt“, blickt Köhling in die Zukunft.
Zusätzlich dreht der Betriebsleiter an vielen kleineren Stellschrauben zur Unkrautvermeidung. Eine ist die Feldhygiene, wozu eine strikte Reinigung von Lohnunternehmermaschinen vor dem Einsatz zählt. In Erbsen oder Ackerbohnen verzichtet er zusätzlich konsequent auf die Anlage von Fahrgassen. Denn erfahrungsgemäß neigen diese sonst durch das größere Lichtangebot und mäßige Repertoire an Pflanzenschutzmitteln schnell zum Verkrauten.
Des Weiteren kooperiert der Betrieb mit einem örtlichen Schäfer, dessen Tiere einen Teil der Zwischenfrüchte vor dem Winter beweiden. „Auch das ist ein hilfreiches Mittel, um die Bestände vor dem Winter zu schröpfen und die nachfolgende Bearbeitung zu vereinfachen“, ist Köhling überzeugt. Auf einigen Flächen hat der Betrieb beispielsweise aufgrund einer früheren Fruchtfolge mit Altraps in heutigen Zuckerrübenfruchtfolgen zu kämpfen. Diesen Raps vertilgen die Schafe mit Hochgenuss, was die tief wurzelnde Pflanze zumindest schon mal schwächt. Auch Flächen zur mehrjährigen Grassamenvermehrung beweiden die Schafe im Herbst, was als Nebeneffekt bei der Reduzierung der Mäusepopulation hilft.
Die Domäne Beberbeck, ein Ackerbaubetrieb mit Mutterkuhhaltung, verzichtet seit 2018 auf Glyphosat. Seitdem steigt der Anspruch an den Maschinenpark und an das Ackerbaukonzept. Weitere Fruchtfolgen und gezielte Pflanzenschutzmaßnahmen rücken verstärkt in den Fokus. Ein Patentrezept gibt es nach den Erfahrungen des Betriebsleiters nicht. Für ihn bleibt der Spaten das wichtigste Instrument, um alle Gegensätzlichkeiten und Kompromisse abzuwägen. Eins ist aber klar: Die mechanischen Bearbeitungsgänge nehmen zu — mit all ihren Nachteilen in Bezug auf das Bodenleben, die Erosionsgefahr und den Wasserverbrauch.
Vor jeder Bodenbearbeitung macht Köhling sich ein Bild vom Bodenzustand, um den Einsatz der verschiedenen Techniken abzuwägen. Hierfür ist der Spaten ein wichtiges Werkzeug.
(Bildquelle: Köhling)
Eine Bodenfräse hat sich zur Zerkleinerung von Zwischenfrüchten nicht bewährt; für Grasnarben schon.
(Bildquelle: Köhling)