Zwei Jahre nach der Wende stellte Fendt sein 21/21-Wendegetriebe mit Vorwählschalter und 40 km/h vor. Was heute amüsiert, war vor 30 Jahren die Basis kerniger Gespräche.
Wenn man den Farmer 310 von außen bewertet, macht er allenfalls dezent auf seine neuen inneren Werte aufmerksam. Die Haube ist etwas anders geformt, die Typenbezeichnung findet sich nunmehr schwarz auf weiß auf Klebeschildern. Dennoch wird optisch deutlich: hier steht ein neuer Fendt.
Um gleich zu Anfang ein wenig zu kritisieren: dass die Haube schlanker ist und besser (oder moderner) aussieht, ist nicht zu übersehen. Allerdings würden wir dabei nicht von einer „Sicht-Optimierung" reden: der Gewinn an Sicht vor allem auf Frontgeräte ist im Vergleich zum Freisichtschlepper (Geräteträger) von Fendt oder zu Frontsichtschleppern anderer Hersteller nur sehr bescheiden. Hier zählt viel mehr, dass die neue Haube äußerer Ausdruck einer deutlichen „inneren“ Verbesserung ist.
Und innerlich hat sich mit der Wendeschaltung vor allem beim Getriebe wirklich Spürbares getan. Jahrelang haben wir bei Traktorenvergleichen und Schleppertests immer wieder bemängelt, dass das Synchrongetriebe von Fendt zu wenig Rückwärtsgänge hat. Frohe Kunde: Fendt hat jetzt auch eine Wendeschaltung. Elektrisch betätigt und hydraulisch geschaltet lassen sich nunmehr alle 21 Vorwärtsgänge (in der 40-km/h-Ausführung, sonst sind es nur 20) auch rückwärtsfahren.
Links an der Lenksäule findet sich ein neuer Hebel: die Lenkrad-Verstellung (neu seit September 1990) enthält jetzt einen kleinen roten Kippschalter mit Symbolen für die Vorwärts- und Rückwärtsfahrt. Eine von zwei zusätzlichen grünen Kontrollleuchten im Armaturenbrett signalisiert mit einem Pfeil die jeweils eingelegte Fahrtrichtung.
Wenn man den roten Kippschalter während der Vorwärtsfahrt betätigt, passiert zunächst einmal nichts, lediglich die Kontrollleuchte für Rückwärtsfahrt beginnt zu blinken. Erst wenn der Fahrer das Kupplungspedal tritt, schaltet das Getriebe automatisch auf Rückwärtsfahrt um. Ein Piepton signalisiert, dass die Kupplung wieder losgelassen werden kann. Der Wendevorgang wird somit in beiden Fahrtrichtungen über Kippschalter vorgewählt und erst durch das Treten des Kupplungspedales ausgelöst.
Eine Überraschung steht demjenigen bevor, der zu schnell den Fuß vom Kupplungspedal nimmt und den Piepton nicht abwartet: das Pedal bleibt scheinbar drucklos in getretener Position "hängen". Hier macht sich eine Sicherheitsschaltung bemerkbar. Ein kleiner Elektromagnet hält über eine Raste das Pedal solange fest, bis der Schaltvorgang erfolgt ist.
Nimmt der Fahrer den Fuß zu früh von der Kupplung, hakt das Pedal hinter der Sperrklinke auch dann noch fest, wenn der Umschaltvorgang ordnungsgemäß abgeschlossen ist. Ein neuer Tritt aufs Pedal wird fällig, erst dann löst sich die Raste, der Farmer 312 LSA fährt weiter. So ist das saubere Umschalten der Wendeschaltung abgesichert.
Auf der Getriebeeingangswelle misst ein Sensor die Drehzahl der Kupplungsscheibe (der getriebeseitigen Mitnehmerscheibe). Erst wenn ein elektronisch überwachter Grenzwert von 1100 Umdrehungen/Minute unterschritten wird, wird der Wendeschaltvorgang durchgeführt: ein elektrisch angesteuerter Hydraulikzylinder schaltet die Synchronschaltung. Dann wird die erwähnte Raste für das Kupplungspedal wieder freigegeben, und es piept zum Zeichen, dass es nun weitergehen kann.
Der ganze Umschaltvorgang dauert normalerweise 1 bis 2 Sekunden und nicht länger als beim Einlegen eines mechanischen Rückwärtsganges. Im praktischen Einsatz merkt der Fahrer von der Drehzahlüberwachung nur dann etwas, wenn die Drehzahl der Kupplungsscheibe zu groß ist, weil der Schlepper zu schnell rollt: dann hängt die Kupplung fest und wird erst wieder freigegeben, wenn die Drehzahlen unterhalb der genannten Schwelle liegen und ein ungefährliches Umschalten möglich war. Dabei kann der Schlepper in einem größeren Gang schneller rollen, ohne dass die Überwachung ein Umschalten verhindert.
In der Praxis ist das Arbeiten mit der Wendeschaltung einfach. Der Kippschalter wird betätigt und das Kupplungspedal getreten, danach kann man weiterfahren. Der Kippschalter ist mit der linken Hand am Lenkrad mit etwas längeren Fingern recht gut erreichbar und einfach bedienbar. Der Umschaltvorgang selbst erfolgt angenehm weich. Der kleine Ruck, mit dem sich das eigentliche Umschalten der Wendeschaltung vor allem in den niedrigeren Gängen bemerkbar macht, liegt an der Mitnehmerscheibe der Kupplung: ihre Drehrichtung wird umgekehrt. Vorteilhaft ist dafür wieder, dass der Schlepper zum Fahrtrichtungswechsel nicht stillstehen muss, die Wendeschaltung lässt sich auch beim noch rollenden Schlepper durchführen. Die erwähnten Sicherungen machen sich im Übrigen nur dann bemerkbar, wenn der Fahrer einen Bedienungsfehler macht.
Wir halten die neue Wendeschaltung für eine wesentliche Verbesserung des Getriebes, vor allem weil die Probleme mit den Rückwärtsgängen nunmehr der Vergangenheit angehören. Dass Fendt dabei auf ein vollautomatisches Umschalten des Getriebes ohne Treten der Kupplung verzichtete, soll vor allem die Gefahr von versehentlichen Richtungswechseln verringern und den Umschaltvorgang absichern.
Unser Testkandidat - eine Vorserienmaschine 310 LSA mit 74 kW /100 PS - war allerdings nicht ganz auf dem neuesten Stand: der Sensor an der Kupplung, der den Beginn des Umschaltens auslöst, befand sich bei unserem Schlepper noch ganz am Ende des Pedalweges. Das Pedal musste nahezu ganz durchgetreten werden. Hier soll statt der 0,5 cm in der Serienfertigung 2 cm Spiel sein, damit der Wendeschaltvorgang früher beginnt und sich noch komfortabler bedienen lässt.
Fendt rüstet alle Schlepper ab 55 kW/75 PS (Farmer 306 LSA) zukünftig mit Wendeschaltung aus, die beiden kleinen Typen 304 und 305 sind nur mit der herkömmlichen 21/6-Synchronschaltung lieferbar. Die Wendeschaltung gibt es allerdings nur auf Wunsch und gegen brutto 1 450 DM Aufpreis. Auch wenn Fendt das sicher nicht gern hört: die Wendeschaltung sollte serienmäßig in den Schleppern enthalten sein, und zwar ohne Aufpreis. Denn das alte Getriebe mit den nur 6 Rückwärtsgängen ist keine gute Alternative zur neuen Wendeschaltung, und Fendt ist sicher kein Billiganbieter...
Jetzt auch die automatische Schaltung von Allrad und Differentialsperre haben die Typen 306 (55 kW/75 PS) bis 309 (68 kW/92 PS), sie wurde im vergangenen Jahr bei den größeren Typen 310 bis 312 eingeführt. Auf dem rechten Kotflügel befindet sich eine "Blackbox", in der die EHR (Bosch D mit Schwingungstilgung) und alle elektronischen Bedienungen zusammengefasst sind. Über einen Drehschalter können fünf verschiedene Schaltstellungen von Frontantrieb und Differentialsperre gewählt werden:
1: Allradautomatik ein: bei einem Lenkeinschlag von mehr als 25° wird der Frontantrieb zur Bodenschonung am Vorgewende abgeschaltet und nach Rückkehr zur Geradeausfahrt wieder eingeschaltet.
2: Allradantrieb ständig eingeschaltet.
3: Allrad- und Differentialsperren-Automatik ein: wird der Schnellaushub der EHR betätigt, schaltet sich die Differentialsperre wieder aus.
4: Allrad und Differentialsperren ständig ein.
In der Vorderachse haben die Schlepper das Locomatic-Selbstsperrdifferential von ZF. Die zusätzliche 100-% -Sperre, wie sie der große Farmer 312 im vergangenen Jahr für die Vorderachse erhielten, spendierte Fendt auch den Typen 309 bis 311 als Serienausstattung. Geschaltet wird diese Funktion automatisch mit der Hinterachs-Sperre.
Nach unten erweiterte Fendt auch die Zahl der Schlepper, die mit einer Komfortschaltung der Zapfwelle ausgestattet sind. Anstelle einer mechanischen Handkupplung übernimmt ab Farmer 306 ein Druckknopf im Bedienpult die Aufgabe, die Zapfwelle elektronisch dosiert einzuschalten. Ein gleicher Knopf im Heck erlaubt das Betätigen der Zapfwelle auch vom Schlepperheck aus.
An den Motoren der Baureihe 300 änderte Fendt zwei Dinge: Zum ersten erhielten die Farmer 308 und 309 mit 63 kW /86 PS und 68 kW /92 PS etwas mehr Leistung und einen Viskolüfter. Das soll Kraftstoff sparen und hat zudem auch einen positiven Einfluss auf das Geräuschniveau in der Kabine. Die neue Haube enthält darüber hinaus größere Lüftungsöffnungen. Mit einem tieferliegenden Kühler und größerer Kühlfläche konnte dadurch die Luftgeschwindigkeit verlangsamt werden, der Kühler setzt sich weniger schnell zu.
Den Drehmomentanstieg aller Farmer-300-Schlepper gibt Fendt nunmehr einheitlich mit 26 % an. Alle Schlepper sind nunmehr mit Druckluftanlage und Klimaanlage gleichzeitig ausrüstbar. Und ein weiterer Kritikpunkt früherer Tests ist jetzt beseitigt: der Peilstab für das Motoröl befindet sich endlich auf der linken Motorseite neben dem Öleinfüllstutzen, so dass die Kontrolle und das Nachfüllen von Öl auf einer "nassen" Seite möglich ist. Das Ölfilter ist allerdings immer noch auf der anderen Schlepperseite zu suchen (und zu finden).
Auch das Fronthubwerk (Wunschausstattung) überarbeiteten die Konstrukteure: anstelle der "Frontladerhaken" verwendet Fendt nun normale Schnellkuppler als Koppelpunkte; über einen Steckbolzen kann der Pendelausgleich aktiviert oder arretiert werden; und die Unterlenker des Fronthubwerks lassen sich nun nach hinten seitlich an die Haube klappen, wenn sie nicht benötigt werden.
Das bleibt festzuhalten: Die neuen Farmer 300 von Fendt sind mit ihrer Wendeschaltung und der Automatikschaltung von Frontantrieb und Differentialsperre deutlich komfortabler zu handhaben als ihre Vorgänger. Die technische Lösung kann sich gut mit dem Wettbewerb messen lassen. Ob die eingebauten Sicherheitsfunktionen in dieser Föhn dauerhaft so bleiben, muss die Praxis zeigen.
Wir hätten uns gewünscht, dass bei Gelegenheit solch umfassender Verbesserungen im Getriebe und in der Handhabung der Farmer-300-Schlepper auch die Kabine etwas modernisiert worden wäre.
profi Daten-Kompass: Fendt Farmer 306 bis Farmer 312
Änderungen im Motor: 308 jetzt 63 kW/86 PS, 309 jetzt 68 kW/92 PS, beide mit Viskolüfter. Optimierte Einspritzdüsen bei den Saugmotoren, jetzt 26 % Drehmomentanstieg bei allen Schleppern. Neue Form der Motorhaube. Kühler tiefergelegt mit korrosionsfestem Behälter, größere Kühlfläche, geringere Luftgeschwindigkeit, Lufteinlässe in der Haube vergrößert.
Änderungen im Getriebe: Auf Wunsch mit 21/21-Wendegetriebe mit Kippschalter auf dem Lenkrad-Verstellhebel zum Vorwählen, ausgelöst durch das Kupplungspedal. Elektrohydraulische dosierte Schaltung der Zapfwelle per Knopfdruck und Heckbedienung der Zapfwelle ab 306.
Änderungen an Achsen und Fahrwerk: Teilautomatische Schaltung von Frontantrieb und Differentialsperren ab 306, 100-%-Lamellensperre in der Vorderachse ab 309.
Weitere Änderungen: Fronthubwerk (Wunsch) mit neuem Rahmen, Schnellkupplern, verbesserter Bedienung des Pendelausgleichs und Parkstellung seitlich an der Motorhaube. Ausstattung mit Druckluftbremse und Klimaanlage (beides Wunschausstattung) jetzt auch gleichzeitig möglich).
Preise: Je nach Typ und Ausstattung knapp 2 % bis gut 4 % teurer.