Ein Gewinn für Fiat
Liebe Leser, hier präsentieren wir Ihnen Beiträge aus dem profi-Archiv. Weitere Beiträge können Sie online lesen (Link am Ende des Artikels). Im Jahr 1990 löste Fiat mit vier Modellen der neuen Winner-Serie die 90er-Baureihe ab. Ende 1993 kam noch der F140 dazu, bevor schon 1996 die M-Serie als Gemeinschaftsprojekt von Fiat und Ford die Winner ersetzte.
Mit der Serie Winner entwikkelten die Fiat-Konstrukteure in der 100-PS-Klasse eine ganz neue Baureihe, die mit den 90er Modellen aus dem gleichen Hause nur noch wenig gemeinsam hat. Die vier Schlepper von 72 kW /98 PS (F 100 DT) bis 96 kW/130 PS (F 130 DT) erhielten neue Motoren, neue Getriebe, elektrohydraulisch betätigte Schaltungen und eine neue Form. Wir haben den größten Winner F 130 DT mit 96 kW /130 PS und 32/16-Getriebe für Sie gefahren.
Äußerlich fällt der Winner sofort auf durch seine fast vollständig geschlossene neue Motorhaube und durch die Kabine mit viel getöntem Glas und der abgerundeten Heckscheibe. In der Kabine ist es hell und freundlich, der Arbeitsplatz ist aufgeräumt, der serienmäßig luftgefederte Sitz bequem, die Schaltung und andere Bedienungselemente sind in der Konsole rechts vom Sitz gut erreichbar untergebracht.
Der Motor des F 130 - eine überarbeitete Sechszylinderversion der Iveco-Baureihe 8065 - wird über den Zündschlüssel an- und abgestellt. Die 130 PS kommen bei 2 300 Umdrehungen aus 5 860 cm3 Hubraum, turboaufgeladen und mit einer neu gestalteten Brennkammer zur besseren Kraftstoffausnutzung.
Nach der Motorcharakteristik hat der F 130 DT einen Drehmomentanstieg von 28 % über einen weiten Drehzahlbereich: das maximale Drehmoment von 511 Nm liegt bei 1 300 Umdrehungen, das ergibt runde 43 % Drehzahlabfall (Nenndrehzahl 2 300 Umdrehungen). Der F 130 DT hat schon die Verteiler-Einspritzpumpe von Bosch, die die kleineren Winner-Schlepper ab 1991 erhalten sollen. Beim praktischen Einsatz vor einem Vierschar-Drehpflug auf schwerem, aber sehr nassen Boden hatten wir mit dem Motor keinerlei Probleme.
Fiat bietet den F 130 in zwei verschiedenen Getriebevarianten an, entweder als mechanische Fünfgangversion mit 20/16 Gängen oder als Viergang-Ausführung mit zweistufiger Lastschaltung und 32/16 Gängen. Wir haben die zweite Ausführung mit der Lastschaltung gefahren. Sie hat zwei Besonderheiten: die Gruppenabstufung und die Lastschaltung.
Von der zweiten zur dritten Schaltgruppe steigt die Geschwindigkeit des Schleppers in jedem Gang um 20 %, ebenfalls um 20 % steigert die Lastschaltung das Fahrtempo. Der Effekt: Wenn Sie beispielsweise im zweiten Gang in der zweiten Gruppe mit 6,2 km/h pflügen, können Sie mit Hilfe der Lastschaltung auf 5,1 km/h herunterschalten. Pflügen Sie dagegen im gleichen Gang der dritten Gruppe mit 6,2 km/h, können Sie mit der Lastschaltung auf 7,4 km/h hochschalten.
So lässt sich die elektrohydraulische Lastschaltung quasi zweifach nutzen, eine gute Lösung. Ein kleiner Nachteil: im Hauptarbeitsbereich zwischen 4 und 12 km/h stehen zwar 15 Gänge zur Verfügung, allerdings "nur" 8 verschiedene Geschwindigkeiten.
Leider ist die Gruppenschaltung nur zwischen der dritten und der vierten Gruppe synchronisiert. Ein komfortabler Wechsel der Hauptarbeitsgruppen 2 und 3 ist deshalb beim F 130 nicht so einfach möglich. Zum Anfahren unter Last ist diese Teilsynchronisation allerdings hilfreich, da der erste Gang der Transportgruppe mit 10,4 km/h an der oberen vertretbaren Grenze liegt. Man fährt dann in der dritten Gruppe mit 4 km/h los und schaltet zunächst die Gruppe hoch, bevor der Gangschalthebel betätigt wird.
Mit der Lastschaltung in ihrer jetzigen Form entwickelten die Fiat-Konstrukteure eine noch etwas unglückliche Lösung: sie wird mit dem Ganghebel geschaltet. Dafür verbreiterte Fiat die Hebelführung in der Schaltkulisse so weit, dass sich der Hebel in jedem Gang nach links (langsame Stufe) und nach rechts (schnelle Stufe) bewegen lässt. Dadurch wird jedoch der Wechsel der Gänge erheblich erschwert. Denn eine genaue Führung des Schalthebels ist bei den breiten Schlitzen und den schmalen Trennungsstegen in der Schaltkulisse ohne genaues Hinsehen kaum möglich, die Gangführung ist recht ungenau. Eine bessere Lösung wäre hier die einfache und direkte Kulissenführung des vorhandenen mechanischen Fünfganggetriebes, kombiniert mit einem kleinen Druckschalter auf dem Ganghebel, über den die Lastschaltung betätigt wird. Da die Lastschaltung ohnehin elektrohydraulisch erfolgt, wäre diese Bauform nicht nur besser zu handhaben, sondern vielleicht sogar billiger. Die Lastschaltung arbeitet übrigens mit nur einer öldruckgesteuerten Lamellenkupplung für die schnelle Stufe, das Lamellenpaket der langsamen Stufe wird mechanisch über ein Federpaket geschaltet.
Die Wendeschaltung gefiel uns dagegen wieder sehr gut. Sie ist synchronisiert und in der Schaltkonsole rechts gut zu erreichen und zu schalten. Jeder Rückwärtsgang entspricht der Stufe langsam in Vorwärtsfahrt, die Lastschaltung ist rückwärts nicht nutzbar. Der Frontantrieb wird elektrohydraulisch per Kippschalter im Armaturenbrett betätigt, beim Bremsen schaltet er in der 40-km/h und in der 30-kmlh-Version automatisch zu (Vierradbremse).
Die Achsen des F 130 DT lassen sich vollständig sperren. Die Vorderachse ist mit einer lastschaltbaren
Klauensperre als Differentialsperre ausgestattet (100 % Sperrwert), sie wird gleichzeitig mit der Sperre in der Hinterachse betätigt.
Auch hier findet sich Elektrohydraulik. Die beiden Differentialsperren werden über einen Druckknopf gesperrt und entsperrt, und zwar zwangsweise: auch unter Last werden die Differentiale in den Achsen wieder geöffnet. Sensoren im Hubwerk und an den Bremspedalen erlauben die teilautomatische Schaltung der Sperren. Beim Anheben des Pfluges und beim Wenden mit Einzelradbremse schalten sich die Differentialsperren aus und anschließend wieder ein. Die Zapfwellenausstattung des F 130 DT ist gut. Drei Drehzahlen mit 540, 750 und 1 000 Umdrehungen sind von der Kabine aus einstellbar, auf Wunsch ist zusätzlich eine dreistufige Wegzapfwelle lieferbar. Ein- und ausgeschaltet wird die Zapfwelle elektronisch gedämpft per Knopfdruck.
Fiat verwendet für die Zapfwelle eine nasse Ölkupplung mit dem Nachteil, dass der Stummel im Heck auch bei ausgeschalteter Zapfwelle meist mitläuft. Für dieses Problem fanden die Konstrukteure eine praxisnahe Lösung in einer Zapfwellenbremse, die sich bei Bedarf einschalten lässt: Normalerweise ist die Zapfwellenbremse abgeschaltet, um Kraftstoff zu sparen. Zum Anbau der Gelenkwelle bei laufendem Motor, oder wenn die abgeschaltete Zapfwelle trotzdem noch das leichte Anbaugerät im Heck antreibt, wird der Kippschalter im Armaturenbrett links gedrückt, und eine mechanische Reibungsbremse hält die Zapfwelle fest.
Das Hubwerk (Unterlenker-Regelung) und die Hydraulik (offenes System) überarbeitete Fiat bei den
Winnern ebenfalls. Derzeit steht allerdings nur die mechanische Hubwerksregelung mit Schnellaushub ("Lift-o-matic") und automatisch geregelter Sinkgeschwindigkeit zur Verfügung. Eine Fiat-EHR soll voraussichtlich ab Frühjahr 1991 lieferbar sein. Dann wird der F 130 auch mit Bordcomputer ("Agritronic") angeboten werden. Die Fernkontrolle von Ölstand und Öldruck in Motor, Getriebe und Hydraulik ("Check Control") ist dagegen jetzt schon serienmäßig.
Das bleibt festzuhaIten: Im Vergleich zur bisherigen 90er Serie, die vorläufig noch parallel angeboten
wird, hat die Baureihe Winner vor allem elektrohydraulische Komfortschaltungen und einen erheblich verbesserten Arbeitsplatz zu bieten. Das Lastschaltgetriebe ist insgesamt gut abgestuft. Gut gefiel uns auch die Möglichkeit, die elektrohydraulische zweistufige Lastschaltung wahlweise zur Erhöhung oder zur Verringerung der Fahrgeschwindigkeit im Hauptarbeitsbereich zu nutzen. Ebenso gab es Pluspunkte für die synchronisierte Wendeschaltung.
Die Gruppenschaltung ist leider nur teilsynchronisiert. Und die Bedienung der Lastschaltung (jetzt in der Mechanik des Ganghebels) könnte mit einem Druckknopf noch deutlich verbessert werden, weil dann die Schaltung besser zu bedienen wäre. Der F 130 DT mit 96 kW/130 PS hat ein niedriges Leistungsgewicht von nur 52 kg/kW, seine Ausstattung ist von den drei Zapfwellendrehzahlen
über die 100 % unter Last sperrbaren Achsen bis hin zum serienmäßig luftgefederten Sitz relativ komplett. Damit ist er eine Alternative nicht nur zu seinem Vorgänger-Modell 130-90: je nach Preis kann der Winner gerade in dieser Leistungsklasse Konkurrenz bieten.
profi Daten-Kompass
Fiat Winner F 130 DT
Motor:
Turbogeladener Sechszylindermotor mit 96 kW/130 PS bei 2300 Umdrehungen, 5861 cm³ Hubraum;
Wasserkühlung. Kraftstofftank mit 220 Liter Fassungsvermögen.
Getriebe:
32 Vorwärts- und 16 Rückwärtsgänge ("Hi-Lo"; wahlweise auch ohne Lastschaltung mit 20 Vorwärts-
und 16 Rückwärtsgängen als "Eco-Speed" lieferbar). 4 Gruppen, teilsynchronisiert; 4 Gänge mit elektrohydraulischer zweistufiger Lastschaltung, synchronisiert; Wendeschaltung, synchronisiert. 30 oder 40 km/h Endgeschwindigkeit. Zapfwelle mit 540, 750 und 1 000 Umdrehungen, elektrohydraulisch geschaltet mit elektronisch gesteuerter Anlaufsicherung, zuschaltbare Zapfwellenbremse.
Fahrwerk:
Frontantrieb elektrohydraulisch geschaltet und mit 50° Lenkeinschlag, Vierradbremse über
automatische Allradzuschaltung auch bei 30 km/h. Differentialsperre hinten und vom elektrohydraulisch geschaltet, 100 % Sperrwert; teilautomatische Schaltung (Hubwerk und Bremsen).
Bereifung vom 420/70 R 28, hinten 520/70 R 38. Leergewicht 5200 kg, zulässiges Gesamtgewicht
8100 kg, Nutzlast 2900 kg.
Hubwerk und Hydraulik:
Unterlenker-Regelung Kategorie II, Hubkraft 6 567 kg. Offenes Hydrauliksystem, Pumpenleistung
55 Liter Fördermenge, maximaler Druck 190 bar. EHR und Frontanbau voraussichtlich ab Mitte 1991
lieferbar.
Preis:
Listenpreis in Grundausstattung ohne Mehrwertsteuer 101800 DM (20/16-Getriebe) bzw. 104000 DM (32/16-Getriebe mit Lastschaltung).