…werden sie wegen ihres „treudoofen“ Blicks oft genannt. Doch dieser Blick trügt: Die 900er Vario aus Marktoberdorf der führen 2000er Jahre vereinen Kraft und Komfort.
Das nur drei Jahre lang gebaute Facelift-Modell des Fendt Favorit 900 Vario der ersten Generation (COM1) steht oft im Schatten der älteren Favoriten-Brüder und der jüngeren TMS-Modelle (COM2). Denn optisch grenzen sich die „Froschaugen“, die 2000 die 1996 vorgestellten, eckigen Favorit 900 Vario ablösten, klar von seinen kantigen Brüdern ab. Das abgerundete Design lehnt sich eher an die kleinere 700er Vario-Baureihe an, die 1998 vorgestellt wurde.
Einzug hielt damals auch das aus den 700ern bereits bekannte Fendt-Terminal mit Farbdisplay sowie der Fahrhebel mit Go- und End-Tasten. Das Tractor Management System TMS — also die automatische Regelung von Motordrehzahl und Getriebestellung — gibt es jedoch noch nicht. Es wird mit dem Fuß Gas gegeben und mit dem Fahrhebel die Übersetzung gesteuert.
900er Fendt Vario mit Herz und Seele
Richtig Ahnung von der Favorit-900-Vario-Baureihe hat Axel Schnackenberg. Der hauptberufliche Industrie-Mechatroniker führt im Nebenerwerb ein kleines Lohnunternehmen mit Maschinenverleih im holsteinischen Bosau und ist bei Fendt-Fahrern durch seinen YouTube-Kanal „Schnacki zeigt Lohnervlogs“ bekannt. Hier gibt er über 80.000 Abonnenten Reparaturtipps und klärt über die technischen Besonderheiten der legendären Marktoberdorfer auf.
2020 fand ein 926 Vario Com 1 aus dem Baujahr 2002 mit rund 15.600 Betriebsstunden den Weg in Schnackis Flotte. „Mich sprach die gute Ausstattung mit Frontzapfwelle, nachgerüsteter pneumatischer Kabinenfederung und Motorbremse an“, berichtet Schnackenberg. Die häufig vorhandene Rückfahreinrichtung hat sein 926 jedoch nicht. „Zum einen stört mich der Mitteltunnel, und zum anderen kann man bei 900ern ein paar Baustellen umgehen wie z. B.die höhere Gefahr beschädigter Kabelstränge unter der Kabine.“ Denn poröse Kabelbäume sind leider auch bei den 900ern ein Thema.
Zudem sollte man beachten, ob Karosserieteile komplett und möglichst unverbeult sind. Denn oft sind fehlende Verkleidungsbleche oder Teile wie die Werkzeugkiste sehr teuer, wenn sie überhaupt verfügbar sind.
Unter der Haube
Beim Thema Wartungszustand gibt in erster Line immer eine belegbare Wartungshistorie Aufschluss. Zudem hilft z. B. ein Blick auf die Filter: Gibt es Notizen für den letzten Wechsel? Welche Filter sind verbaut? Passen diese Dinge, kann man am robusten, 6,9 l großen MAN-Sechszylinder D0826LE lange Spaß haben. Die Nennleistung der vier Modelle 916, 920, 924 und 926 liegt zwischen 132 kW/180 PS und 199 kW/270 PS.
Gelegentlich kann es zu Kopfdichtungsschäden kommen, wenn der Schlepper unter Last zu heiß wurde. Vor allem bei harten Ackereinsätzen mangelt es dem Froschauge gelegentlich an Kühlerfläche, weshalb man diese ordentlich sauber halten sollte. Bei Traktoren jenseits der 12.000 Betriebsstunden sollte man einen Blick zudem auf die Krümmerschrauben werfen, die im Alter gerne mal abreißen.
Eine weitere Baustelle bei den Modellen 924 und 926 ist die Bosch-Einspritzpumpe VP-44. „Nach rund 5.000 Betriebsstunden verlieren die Motoren fast immer an Leistung. Dann gilt es die Einspritzpumpe zu überholen“, weiß Schnackenberg. Zudem gibt der Fendt-Liebhaber den Rat, bei 900ern jenseits der 10.000 h vorsorglich die Einspritzdüsen zu kontrollieren und gegebenenfalls zu wechseln (rund 90 Euro ohne MwSt. pro Stück) sowie die Ventile regelmäßig einzustellen.
Eine Besonderheit sind die zwei Lichtmaschinen links und rechts am Motorblock. Ob beide funktionieren, zeigen die Ladeleuchten oben im Kombiinstrument und eine weitere über dem Lenkradtunnel. Letztere ist für die rechte Lichtmaschine zuständig. Für etwa 250 Euro findet man brauchbaren Ersatz im Lkw-Zubehör. Original bei Fendt liegt eine Lichtmaschine bei rund 800 Euro. Im gleichen Zuge sollte man auch einen Blick auf den Riemenspanner vom Powerband rechts am Motor werfen. Seine Lagerung gilt es regelmäßig zu schmieren.
Bei Schnackenbergs 926 steht der noch leicht undichte Kompressor der Druckluftanlage auf der To-do-Liste. Dieser ist am Stirnradgehäuse angeflanscht und dient als Durchtrieb für die Hilfspumpe der Lenkung. „Reparatursätze sind leider Mangelware, weshalb ich schon einen neuen Kompressor in der Werkstatt liegen habe“, erzählt er. Mit rund 3 000 Euro geht ein Original-Ersatzteil jedoch richtig ins Geld.
Wegen damaliger Abgasvorschriften werden die Öldämpfe der Kurbelwellenentlüftung in den Ansaugtrakt geleitet. Nach vielen Betriebsstunden kann es dadurch zur Versottung des Ladeluftkühlers kommen. Ölspuren an den Verbindungen der Entlüftung weisen darauf hin. „Eine Möglichkeit, Ölreste zu filtern, ist der Einbau eines Ölcatchers in die Entlüftungsleitung. Den bekommt der 926 auch noch“, so Axel Schnackenberg
Natürlich stufenlos
Kommen wir zum stufenlosen Getriebe, das den Namen ML200 trägt. Da ein Großteil der angebotenen Modelle meist weit über 10.000 Betriebsstunden auf der Uhr hat, steht oft die Frage nach einem neuen Triebsatz im Raum. „Wenn man einen 900 Vario findet, der auch noch mit 12.000 Betriebsstunden den ersten Triebsatz hat, dann kann man davon ausgehen, dass der Schlepper stets Fendt-gerecht bewegt wurde“, ist sich Schnackenberg sicher. „In meinem Bekanntenkreis laufen vergleichbare 900er mit fast 20.000 Betriebsstunden und erstem Triebsatz.“ Grundsätzlich besteht die Möglichkeit, den maximalen Getriebedruck bei getretenem Bremspedal abzulesen (Gebrauchtkauf Fendt 700 Vario, profi 10/2023).
Fendt-Kenner können zudem eine Getriebekalibrierung (Code 4007 im Werkstattmenü) im Stand bei warmem Getriebeöl und vorgegebenem Handgas (1.800 U/min) durchführen. Bei dieser wird automatisch die Getriebekennlinie abgefahren. Schließt der Schlepper die Kalibrierung erfolgreich ab, ist dies ein Indiz für die ordnungsgemäße Funktion. Bricht er sie ab, gibt es ein Problem. Das Öl erwärmt sich übrigens bei einer längeren Rückwärtsfahrt schneller als vorwärts.
Falls der Triebsatz doch raus muss, rät Axel Schnackenberg dazu, ihn komplett im Austausch bei Fendt zu beziehen. Damit vermeidet man die Gefahr weiterer Schäden, die eventuell nach einer Teilreparatur entstehen. Die Kosten liegen dann bei rund 14.000 Euro.
Mächtige Vorderachse
Die 900er sind mit der Dana-Vorderachse vom Typ 050F gut für schwere Einsätze gerüstet. Die mächtigen Achstrichter erfordern 34-Zoll-Vorderräder mit 12-Loch-Felgen. Typischer Verschleiß tritt am Mittelachsbolzen auf, der gelegentlich neu gelagert werden muss. Gut ist, dass neben den Buchsen im Vorderachsbock auch die Bolzen mit aufgeschrumpften Messingbuchsen versehen sind. Dadurch ist ein Einlaufen des Bolzens nahezu ausgeschlossen. „Wenn ich mir einen Schlepper anschaue, bocke ich diesen z. B. auf einem Ballastgewicht mit dem Fronthubwerk auf und prüfe unter anderem die Achsschenkelbolzen oder Spurstangenköpfe auf Spiel“, so der Praxistipp von Schnackenberg.
Die mitlenkenden Kotflügel erlauben Wendigkeit. Quietschen sie, schafft eine leere Fettkartusche im Federrücksteller Abhilfe.
(Bildquelle: Bertling)
Für mehr Komfort sorgen nachgerüstete Luftfederbälge für die Kabine. Original steht diese auf Spiralfedern mit Stoßdämpfern.
(Bildquelle: Bertling)
Die Vorderachsfederung gilt als robust. Probleme bereiten meist undichte Lenkzylinder und die drei Stickstoffblasen am Steuerblock vorne rechts unter der Kabine. „In den meisten Fällen hat die Federung keine Wirkung. Entweder lässt man die Blasen neu befüllen oder wechselt diese als Satz für rund 800 Euro aus dem Zubehör“, so der Rat des Experten.
Sind die Original-Speicher in Ordnung, und ist einem die Federung trotzdem zu hart, können Blenden an den Anschlüssen entnommen werden. Vorne rechts unter der Kabine finden sich auch die elektrohydraulischen Steuerventile — meist vier Stück. Serienmäßig werden sie von Axialkolben-Verstellpumpen mit 112 (bis 920) bzw. 117 l/min versorgt, die ihr Öl aus dem eigenen Haushalt fördern. Gelegentlich hört man von Problemen der elektronischen Ventil-Ansteuerung, weshalb hier bereits oft Hand angelegt wurde.
Rechts vor der Kabine finden sich nach dem Öffnen einer Klappe das Steuerventil der Vorderachsfederung sowie die elektrohydraulischen Steuergeräte.
(Bildquelle: Bertling)
Mit knapp über 9 t stemmen die 900er im Heck ordentlich. Die K80-Kupplung mit Kugeln für die Anhänger-Zwangslenkung ist für den Standard-Schlitten erhältlich und wird einfach angeschraubt.
(Bildquelle: Bertling)
Die drei Hähne hinter der Abdeckung dienen zum Umschalten des Heckhubwerks von ew auf dw sowie zum Absperren des Fronthubwerks. Eine Besonderheit ist der dritte Hahn zum Anpassen des Stand-by-Drucks der Closed Center-Hydraulikanlage von 20 auf rund 28 bar. Hierdurch soll man das Ansprechverhalten der Hydraulik beeinflussen können.
Im Kommandozentrum
Des Weiteren sollte man sich beim Kauf nicht von den Folientastern für die Zapfwellen-Geschwindigkeiten (540, 750 und 1.000 U/min) blenden lassen. Seinerzeit musste man sich zwischen einer 540er oder 750er Welle entscheiden. Die Vorwahl der Zapfwellengeschwindigkeit muss nach jedem Maschinenstart neu getroffen werden. Die bekannte Schaltfläche, um zu alten Einstellungen zurückzukehren, gibt es erst ab COM2. Ähnliches gilt für Maschinen mit Frontzapfwelle, die bei einer Nachrüstung mit rund 7.000 Euro ins Geld geht. Diese Schlepper haben immer das Bedienfeld für das Komfort-Fronthubwerk, was nicht heißt, dass die Front-EHR tatsächlich vorhanden ist.
Ein kleiner, aber feiner Unterschied zu den Nachfolgern betrifft die bekannten Go- und End-Taster auf dem Fahrhebel. Hierauf lassen sich jeweils nur einzelne Funktionen abspeichern, wie z. B. das Hubwerk. Bei COM 2 hielt serienmäßig das Vorgewende-Management Teach-In Einzug, mit dem ganze Funktionsabläufe hinterlegt werden können. Automatikfunktionen für die Zapfwelle, den Allradantrieb oder die Differenzialsperre gibt es auch bei COM 1.
Fendt-typisch ist die Anordnung und Bedienung. Das Handgas wird bereits elektronisch geregelt.
(Bildquelle: Bertling)
Liebe zum Detail: Neue LED-Fahrscheinwerfer und lackierte Leuchtenträger werten auf.
(Bildquelle: Bertling)
Einen eigenständigen Einweisersitz gibt es noch nicht. Hier ist Kreativität gefragt.
(Bildquelle: Bertling)
Oben auf dem Kombiinstrument findet man auch die Fahrgestellnummer.
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Wegweisend war die Einstellung sämtlicher Funktionen über das farbige Varioterminal.
(Bildquelle: Bertling)
Die „Lohner“-Delle im Mittelteil der Haube kommt vom Klettern zum Dachsäubern.
(Bildquelle: Bertling)
Abschließend sollten Sie die Betriebsstundenzahl im Kombiinstrument mit der im Terminal vergleichen. Um diese zu sehen, drücken Sie gleichzeitig die F1-, F3- und F5-Taste und schalten parallel die Zündung ein. Weichen die Angaben voneinander ab, findet man auf der Oberseite des Kombiinstruments die Fahrgestellnummer, die mit der des Schleppers identisch sein sollte. Falls nicht, wurde es höchstwahrscheinlich ausgetauscht.
Was kostet der Spaß?
Das Angebot an Froschaugen ist aufgrund der geringen Bauzeit von drei Jahren rar.Brauchbare Fendt 916 oder 920 starten ab 10.000 Betriebsstunden bei etwa 40.000 Euro. Wer wie Axel Schnackenberg einen 926 mit einer vernünftigen Ausstattung sucht, überschreitet schnell die 50.000-Euro-Marke.